Zeichen des Unglüks. Am Sonabend starb mein geliebter Herzog und am Sontag Er.
Freilich starb Er an Weimar. Jezt darf ichs Ihnen sagen, daß ich, als ich in Berlin war, bei Meierotto's Tod dem Präsidenten Scheele die Möglichkeit -- denn diese allein glaubte ausser Weimar niemand;5 sonst hätte man Ihn längst davongerufen -- bewies, daß Er W. gegen schönere Verhältnisse verlassen würde. Es wurde vorgetragen -- gewünscht -- sogar als Vokazion schon ins politische Journal gesezt -- aber 1 Punkt hinderte: daß Meierotto's Nachfolger ein [297]Reformierter sein muste. So unternahm ich etwas ähnliches bei10 Jakobi wegen seiner Verbindung mit dem herlichen Bernstorf für Kiel; aber -- Geld fehlte der Universität.
Übrigens bin ich gewis, daß nicht Eine Krankheits Ursache, Ein Zufal Ihn entnahm und alles entschied, sondern daß eine so gekränkte, so zerbrochne Natur auch bei ein Paar Zufällen weniger, wenigstens15 in einigen Monaten später doch dahin gesunken wäre. Sein Lebens- Krebs war sein politischer und litterarischer Mismuth; an diesem vergienge meine Natur in Monaten, nicht in Jahren. Das Schlimste war noch seine eigne physische Mischung einer nordischen und südlichen Natur, welche Reize und Stillung zugleich begehrte. -- Aber können20 Sie es, ohne zu grosses Leid, so malen Sie mir seine lezten Tage und Stunden, zumal die lezte. Ich freue mich auf den Schmerz der lezten Adrastea; die abgebrochne Zeile wird das Echo seines Schwanen- flugs.
Wahrscheinlich hatt' Er an Seinen gesammelten Werken noch25 nichts gearbeitet. Sogar in diesem Falle -- da sie doch sonst gedrukt werden und man seine frühern so schäzt und braucht und so schwer findet -- behalten Sie sich Seine und Ihre Rechte vor und lassen Sie erklären, (z. B. durch mich namentlich) daß wenn einmal nur ein blosser zweiter Abdruk möglich sei, er Ihnen gebüre und daß das30 Publikum es seinem Geliebten schuldig ist, die Rüksichten der Witwe zu ehren.
d. 10. Jenn.
Ich schliesse, um den Brief nur wegzubringen. -- Ich werde über die grosse Seele etwas schreiben; ich mus es, um mich zu trösten. --35 Meine Frau grüsset Sie beide innigst; ihr war wie mir. Gott tröste Sie und Ihre Luise, deren ungeheuern Schmerz ich recht leicht errathe;
Zeichen des Unglüks. Am Sonabend ſtarb mein geliebter Herzog und am Sontag Er.
Freilich ſtarb Er an Weimar. Jezt darf ichs Ihnen ſagen, daß ich, als ich in Berlin war, bei Meierotto’s Tod dem Präſidenten Scheele die Möglichkeit — denn dieſe allein glaubte auſſer Weimar niemand;5 ſonſt hätte man Ihn längſt davongerufen — bewies, daß Er W. gegen ſchönere Verhältniſſe verlaſſen würde. Es wurde vorgetragen — gewünſcht — ſogar als Vokazion ſchon ins politiſche Journal geſezt — aber 1 Punkt hinderte: daß Meierotto’s Nachfolger ein [297]Reformierter ſein muſte. So unternahm ich etwas ähnliches bei10 Jakobi wegen ſeiner Verbindung mit dem herlichen Bernstorf für Kiel; aber — Geld fehlte der Univerſität.
Übrigens bin ich gewis, daß nicht Eine Krankheits Urſache, Ein Zufal Ihn entnahm und alles entſchied, ſondern daß eine ſo gekränkte, ſo zerbrochne Natur auch bei ein Paar Zufällen weniger, wenigſtens15 in einigen Monaten ſpäter doch dahin geſunken wäre. Sein Lebens- Krebs war ſein politiſcher und litterariſcher Mismuth; an dieſem vergienge meine Natur in Monaten, nicht in Jahren. Das Schlimſte war noch ſeine eigne phyſiſche Miſchung einer nordiſchen und ſüdlichen Natur, welche Reize und Stillung zugleich begehrte. — Aber können20 Sie es, ohne zu groſſes Leid, ſo malen Sie mir ſeine lezten Tage und Stunden, zumal die lezte. Ich freue mich auf den Schmerz der lezten Adrastea; die abgebrochne Zeile wird das Echo ſeines Schwanen- flugs.
Wahrſcheinlich hatt’ Er an Seinen geſammelten Werken noch25 nichts gearbeitet. Sogar in dieſem Falle — da ſie doch ſonſt gedrukt werden und man ſeine frühern ſo ſchäzt und braucht und ſo ſchwer findet — behalten Sie ſich Seine und Ihre Rechte vor und laſſen Sie erklären, (z. B. durch mich namentlich) daß wenn einmal nur ein bloſſer zweiter Abdruk möglich ſei, er Ihnen gebüre und daß das30 Publikum es ſeinem Geliebten ſchuldig iſt, die Rükſichten der Witwe zu ehren.
d. 10. Jenn.
Ich ſchlieſſe, um den Brief nur wegzubringen. — Ich werde über die groſſe Seele etwas ſchreiben; ich mus es, um mich zu tröſten. —35 Meine Frau grüſſet Sie beide innigſt; ihr war wie mir. Gott tröſte Sie und Ihre Luiſe, deren ungeheuern Schmerz ich recht leicht errathe;
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0278"n="266"/>
Zeichen des Unglüks. Am Sonabend ſtarb mein geliebter Herzog und<lb/>
am Sontag Er.</p><lb/><p>Freilich ſtarb Er an <hirendition="#aq">Weimar.</hi> Jezt darf ichs Ihnen ſagen, daß ich,<lb/>
als ich in Berlin war, bei <hirendition="#aq">Meierotto’s</hi> Tod dem Präſidenten <hirendition="#aq">Scheele</hi><lb/>
die Möglichkeit — denn <hirendition="#g">dieſe</hi> allein glaubte auſſer <hirendition="#aq">Weimar</hi> niemand;<lbn="5"/>ſonſt hätte man Ihn längſt davongerufen — bewies, daß Er <hirendition="#aq">W.</hi><lb/>
gegen ſchönere Verhältniſſe verlaſſen würde. Es wurde vorgetragen<lb/>— gewünſcht —ſogar als Vokazion ſchon ins politiſche Journal<lb/>
geſezt — aber 1 Punkt hinderte: daß <hirendition="#aq">Meierotto’s</hi> Nachfolger ein<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd4_297">[297]</ref></note>Reformierter ſein muſte. So unternahm ich etwas ähnliches bei<lbn="10"/>
Jakobi wegen ſeiner Verbindung mit dem herlichen <hirendition="#aq">Bernstorf</hi> für<lb/><hirendition="#aq">Kiel;</hi> aber — Geld fehlte der Univerſität.</p><lb/><p>Übrigens bin ich gewis, daß nicht Eine Krankheits Urſache, Ein<lb/>
Zufal Ihn entnahm und alles entſchied, ſondern daß eine ſo gekränkte,<lb/>ſo zerbrochne Natur auch bei ein Paar Zufällen weniger, wenigſtens<lbn="15"/>
in einigen Monaten ſpäter doch dahin geſunken wäre. Sein Lebens-<lb/>
Krebs war ſein politiſcher und litterariſcher Mismuth; an dieſem<lb/>
vergienge meine Natur in Monaten, nicht in Jahren. Das Schlimſte<lb/>
war noch ſeine eigne phyſiſche Miſchung einer nordiſchen und ſüdlichen<lb/>
Natur, welche Reize und Stillung zugleich begehrte. — Aber können<lbn="20"/>
Sie es, ohne zu groſſes Leid, ſo malen Sie mir ſeine lezten Tage und<lb/>
Stunden, zumal die lezte. Ich freue mich auf den Schmerz der lezten<lb/><hirendition="#aq">Adrastea;</hi> die abgebrochne Zeile wird das Echo ſeines Schwanen-<lb/>
flugs.</p><lb/><p>Wahrſcheinlich hatt’ Er an Seinen geſammelten Werken noch<lbn="25"/>
nichts gearbeitet. Sogar in dieſem Falle — da ſie doch ſonſt gedrukt<lb/>
werden und man ſeine frühern ſo ſchäzt und braucht und ſo ſchwer<lb/>
findet — behalten Sie ſich Seine und Ihre Rechte vor und laſſen<lb/>
Sie erklären, (z. B. durch mich <hirendition="#g">namentlich</hi>) daß wenn einmal nur<lb/>
ein bloſſer zweiter Abdruk möglich ſei, er Ihnen gebüre und daß das<lbn="30"/>
Publikum es ſeinem Geliebten ſchuldig iſt, die Rükſichten der Witwe<lb/>
zu ehren.</p><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#right">d. 10. Jenn.</hi></dateline><lb/><p>Ich ſchlieſſe, um den Brief nur wegzubringen. — Ich werde über<lb/>
die groſſe Seele etwas ſchreiben; ich mus es, um mich zu tröſten. —<lbn="35"/>
Meine Frau grüſſet Sie beide innigſt; ihr war wie mir. Gott tröſte Sie<lb/>
und Ihre Luiſe, deren ungeheuern Schmerz ich recht leicht errathe;<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[266/0278]
Zeichen des Unglüks. Am Sonabend ſtarb mein geliebter Herzog und
am Sontag Er.
Freilich ſtarb Er an Weimar. Jezt darf ichs Ihnen ſagen, daß ich,
als ich in Berlin war, bei Meierotto’s Tod dem Präſidenten Scheele
die Möglichkeit — denn dieſe allein glaubte auſſer Weimar niemand; 5
ſonſt hätte man Ihn längſt davongerufen — bewies, daß Er W.
gegen ſchönere Verhältniſſe verlaſſen würde. Es wurde vorgetragen
— gewünſcht — ſogar als Vokazion ſchon ins politiſche Journal
geſezt — aber 1 Punkt hinderte: daß Meierotto’s Nachfolger ein
Reformierter ſein muſte. So unternahm ich etwas ähnliches bei 10
Jakobi wegen ſeiner Verbindung mit dem herlichen Bernstorf für
Kiel; aber — Geld fehlte der Univerſität.
[297]
Übrigens bin ich gewis, daß nicht Eine Krankheits Urſache, Ein
Zufal Ihn entnahm und alles entſchied, ſondern daß eine ſo gekränkte,
ſo zerbrochne Natur auch bei ein Paar Zufällen weniger, wenigſtens 15
in einigen Monaten ſpäter doch dahin geſunken wäre. Sein Lebens-
Krebs war ſein politiſcher und litterariſcher Mismuth; an dieſem
vergienge meine Natur in Monaten, nicht in Jahren. Das Schlimſte
war noch ſeine eigne phyſiſche Miſchung einer nordiſchen und ſüdlichen
Natur, welche Reize und Stillung zugleich begehrte. — Aber können 20
Sie es, ohne zu groſſes Leid, ſo malen Sie mir ſeine lezten Tage und
Stunden, zumal die lezte. Ich freue mich auf den Schmerz der lezten
Adrastea; die abgebrochne Zeile wird das Echo ſeines Schwanen-
flugs.
Wahrſcheinlich hatt’ Er an Seinen geſammelten Werken noch 25
nichts gearbeitet. Sogar in dieſem Falle — da ſie doch ſonſt gedrukt
werden und man ſeine frühern ſo ſchäzt und braucht und ſo ſchwer
findet — behalten Sie ſich Seine und Ihre Rechte vor und laſſen
Sie erklären, (z. B. durch mich namentlich) daß wenn einmal nur
ein bloſſer zweiter Abdruk möglich ſei, er Ihnen gebüre und daß das 30
Publikum es ſeinem Geliebten ſchuldig iſt, die Rükſichten der Witwe
zu ehren.
d. 10. Jenn.
Ich ſchlieſſe, um den Brief nur wegzubringen. — Ich werde über
die groſſe Seele etwas ſchreiben; ich mus es, um mich zu tröſten. — 35
Meine Frau grüſſet Sie beide innigſt; ihr war wie mir. Gott tröſte Sie
und Ihre Luiſe, deren ungeheuern Schmerz ich recht leicht errathe;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/278>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.