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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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Leben noch fort, sogar mit dem alten Müller? Dauert alles Alte noch?
Schreib mir ein wenig heller und breiter.

Ernestine hat sich sehr heiter, bestimt und besonnen ausgebildet;
ihre Stimme und ihr Gesicht haben sich fast verschönert.

Meine Orts-Veränderungen waren bisher immer Verbesserungen;5
in Rüksicht der Eden-Gegend gäb' es hier für mich keine Verbesserung
mehr, nur Verschlimmerungen. Am genialischen Minister Kretsch-
man
und noch einigen andern hab' ich was ich brauche.

Ich wolte, ich sähe dich einmal, wir wolten alte Stunden haben
und neueste dazu. -- Fet und Bücher mach' ich täglich mehr. Bei Cotta10
kommen Flegeljahre 1804 heraus.

Grüsse die Berg und sag' ihr, daß der Bruder der Herzogin von
Kurland mich leider nicht zu Hause getroffen.

Hier würdest du nicht ohne Nahrung für deinen Geist sein; denn es
giebt kaum etwas Schöneres als unsere 3 Prinzessinnen. -- Hörst du15
nichts von Kosmeli? Wie stehts mit Merkel, Sander, Schlegel,
Kotzebue?
Schreib doch viel.

[275] Ernestine lebt und webt in Mahlman; und sie hat ihn entweder
besser gemacht oder besser gefunden als wir glaubten. Eine liebende
Ehe ist das beste Eisenmittel gegen alle schwächende öde Liebe[lei].20

Lebe wohl, alter Hans, und gedenke meiner bald bei mir, d. h.
schreibe. -- Wie gefiel dir der 4. Titan, der seit langem mein bestes
Buch ist?

(*)416. An Charlotte von Kalb in Trabelsdorf.
[Kopie, z. T. Konzept]25

Vergeben Sie! Aus dieser Bitte solte der ganze Brief bestehen.
[Ich erschrak, als ich im Ihrigen Ihre sanfte Klage über mich und
Ihre Liebe und den Schmerz Ihrer vergeblichen Erwartungen fand,
die ich so wenig vorausgesezt hatte. Damals handelte ich wohl gerecht-
fertigt, nur jezt wird mir diese Feuer [!]. Eigentlich war es unmöglich30
Sie zu besuchen und doch nach Ihrem Briefe mach' ich mir Vorwürfe.
Gute Stille, ich möchte Sie recht loben, denn Sie lieben recht;] Sie
[sind] so [frei,] offen und so reich, ein Gold in Krystal. [An Ihnen kan
ich nicht irre werden und darauf, auf unsern ältesten und neuesten
Bund, baue Charlotte ewig!]35

Leben noch fort, ſogar mit dem alten Müller? Dauert alles Alte noch?
Schreib mir ein wenig heller und breiter.

Ernestine hat ſich ſehr heiter, beſtimt und beſonnen ausgebildet;
ihre Stimme und ihr Geſicht haben ſich faſt verſchönert.

Meine Orts-Veränderungen waren bisher immer Verbeſſerungen;5
in Rükſicht der Eden-Gegend gäb’ es hier für mich keine Verbeſſerung
mehr, nur Verſchlimmerungen. Am genialiſchen Miniſter Kretsch-
man
und noch einigen andern hab’ ich was ich brauche.

Ich wolte, ich ſähe dich einmal, wir wolten alte Stunden haben
und neueſte dazu. — Fet und Bücher mach’ ich täglich mehr. Bei Cotta10
kommen Flegeljahre 1804 heraus.

Grüſſe die Berg und ſag’ ihr, daß der Bruder der Herzogin von
Kurland mich leider nicht zu Hauſe getroffen.

Hier würdeſt du nicht ohne Nahrung für deinen Geiſt ſein; denn es
giebt kaum etwas Schöneres als unſere 3 Prinzeſſinnen. — Hörſt du15
nichts von Kosmeli? Wie ſtehts mit Merkel, Sander, Schlegel,
Kotzebue?
Schreib doch viel.

[275] Ernestine lebt und webt in Mahlman; und ſie hat ihn entweder
beſſer gemacht oder beſſer gefunden als wir glaubten. Eine liebende
Ehe iſt das beſte Eiſenmittel gegen alle ſchwächende öde Liebe[lei].20

Lebe wohl, alter Hans, und gedenke meiner bald bei mir, d. h.
ſchreibe. — Wie gefiel dir der 4. Titan, der ſeit langem mein beſtes
Buch iſt?

(*)416. An Charlotte von Kalb in Trabelsdorf.
[Kopie, z. T. Konzept]25

Vergeben Sie! Aus dieſer Bitte ſolte der ganze Brief beſtehen.
[Ich erſchrak, als ich im Ihrigen Ihre ſanfte Klage über mich und
Ihre Liebe und den Schmerz Ihrer vergeblichen Erwartungen fand,
die ich ſo wenig vorausgeſezt hatte. Damals handelte ich wohl gerecht-
fertigt, nur jezt wird mir dieſe Feuer [!]. Eigentlich war es unmöglich30
Sie zu beſuchen und doch nach Ihrem Briefe mach’ ich mir Vorwürfe.
Gute Stille, ich möchte Sie recht loben, denn Sie lieben recht;] Sie
[ſind] ſo [frei,] offen und ſo reich, ein Gold in Kryſtal. [An Ihnen kan
ich nicht irre werden und darauf, auf unſern älteſten und neueſten
Bund, baue Charlotte ewig!]35

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[246/0258] Leben noch fort, ſogar mit dem alten Müller? Dauert alles Alte noch? Schreib mir ein wenig heller und breiter. Ernestine hat ſich ſehr heiter, beſtimt und beſonnen ausgebildet; ihre Stimme und ihr Geſicht haben ſich faſt verſchönert. Meine Orts-Veränderungen waren bisher immer Verbeſſerungen; 5 in Rükſicht der Eden-Gegend gäb’ es hier für mich keine Verbeſſerung mehr, nur Verſchlimmerungen. Am genialiſchen Miniſter Kretsch- man und noch einigen andern hab’ ich was ich brauche. Ich wolte, ich ſähe dich einmal, wir wolten alte Stunden haben und neueſte dazu. — Fet und Bücher mach’ ich täglich mehr. Bei Cotta 10 kommen Flegeljahre 1804 heraus. Grüſſe die Berg und ſag’ ihr, daß der Bruder der Herzogin von Kurland mich leider nicht zu Hauſe getroffen. Hier würdeſt du nicht ohne Nahrung für deinen Geiſt ſein; denn es giebt kaum etwas Schöneres als unſere 3 Prinzeſſinnen. — Hörſt du 15 nichts von Kosmeli? Wie ſtehts mit Merkel, Sander, Schlegel, Kotzebue? Schreib doch viel. Ernestine lebt und webt in Mahlman; und ſie hat ihn entweder beſſer gemacht oder beſſer gefunden als wir glaubten. Eine liebende Ehe iſt das beſte Eiſenmittel gegen alle ſchwächende öde Liebe[lei]. 20 [275]Lebe wohl, alter Hans, und gedenke meiner bald bei mir, d. h. ſchreibe. — Wie gefiel dir der 4. Titan, der ſeit langem mein beſtes Buch iſt? (*)416. An Charlotte von Kalb in Trabelsdorf. [Koburg, 1. Nov. 1803] 25 Vergeben Sie! Aus dieſer Bitte ſolte der ganze Brief beſtehen. [Ich erſchrak, als ich im Ihrigen Ihre ſanfte Klage über mich und Ihre Liebe und den Schmerz Ihrer vergeblichen Erwartungen fand, die ich ſo wenig vorausgeſezt hatte. Damals handelte ich wohl gerecht- fertigt, nur jezt wird mir dieſe Feuer [!]. Eigentlich war es unmöglich 30 Sie zu beſuchen und doch nach Ihrem Briefe mach’ ich mir Vorwürfe. Gute Stille, ich möchte Sie recht loben, denn Sie lieben recht;] Sie [ſind] ſo [frei,] offen und ſo reich, ein Gold in Kryſtal. [An Ihnen kan ich nicht irre werden und darauf, auf unſern älteſten und neueſten Bund, baue Charlotte ewig!] 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/258>, abgerufen am 30.04.2024.