[Kopie, z. T. Konzept][Koburg, 29. Sept. 1803. Donnerstag]
[Wie danke ich Ihnen für den] Brief, der nicht blos der Länge wegen der beste [sondern weil er so heiter, gewandt und wizig] war [und uns allen] wie ein Mond den hellen Tag zurükglänzt, der in5 Ihnen lebt. Das ist das rechte, daß die Menschen stil wie Blumen neben einander stehen ohne heftige Verschlingungen und Stürme sich nur durch Duft berührend und sich blos einem algemeinen Himmel öfnend -- [Vielleicht oder gar wahrscheinlich] blühe ich zarter weicher Distelkopf [in künftiger Woche] auf Ihrem Boden einige10 Stunden.
407. An Emanuel.
[Unter einem Brief Thieriots v. 29. Sept. 1803]
... Die Caroline und die Emma sind wohl, können aber in der Eil nichts schreiben. Der Legazions Richter soll Adieu schreiben.15
Ich sol hierher schreiben Adieu; aber es ist noch die Frage.
Vor allen Dingen laß mich Gott danken, daß ich einmal dasitze am Schreib- tisch wie ein Mensch, der einen freundschaftlichen Brief schreiben will, ruhig und gelaßen, und nicht mit wilden Geberden dem Abgang der Post entgegen sehend und eilend. Du nicht, sondern ich bin der Narr, der sich immer den schönsten Aktus der Freiheit zum Zwang macht, die Liebe zur Gene, einen Briefwechsel zum25 Wechselgeschäft. -- Ja indem ich jetzt (Abends um 1/26) die Feder wieder nehme, ist es schon alle mit der Ruhe -- denn die Post muß um 6 bestellt seyn -- und ich fliege wieder zwischen Angst und Pein:
Inzwischen sitzt diesmal Richter dabei und verspricht mir beizuspringen --[270] aber folgendermaßen: "ich soll einen Perioden anfangen und bis zu 3/4 konti-30 nuiren, worauf Richter zu seiner Zeit hineinfahren wird." -- hineinfahren, schrieb ich, und eben fuhr der Windbeutler gar zur Thür hinaus -- zu Ortloff glaub ich, und ich sitz' allein auf meinen Kohlen da.
Allemal hab ich doch seine Hand an mir, und kann mir selber weismachen, ich führe jetzt fremdhändig fort:35
Ich habe dir jetzt nichts mehr zu sagen, lieber Emanuel, als daß es bei meinem vorgestrigen Versprechen bleibt -- fals Richter das seinige respektirt und nach Bamberg geht. Das Bier war wohl das köstlichste was je
16 Jean Paul Briefe. IV.
(*)406. An Charlotte von Kalb in Trabelsdorf.
[Kopie, z. T. Konzept][Koburg, 29. Sept. 1803. Donnerstag]
[Wie danke ich Ihnen für den] Brief, der nicht blos der Länge wegen der beſte [ſondern weil er ſo heiter, gewandt und wizig] war [und uns allen] wie ein Mond den hellen Tag zurükglänzt, der in5 Ihnen lebt. Das iſt das rechte, daß die Menſchen ſtil wie Blumen neben einander ſtehen ohne heftige Verſchlingungen und Stürme ſich nur durch Duft berührend und ſich blos einem algemeinen Himmel öfnend — [Vielleicht oder gar wahrſcheinlich] blühe ich zarter weicher Diſtelkopf [in künftiger Woche] auf Ihrem Boden einige10 Stunden.
407. An Emanuel.
[Unter einem Brief Thieriots v. 29. Sept. 1803]
... Die Caroline und die Emma ſind wohl, können aber in der Eil nichts ſchreiben. Der Legazions Richter ſoll Adieu ſchreiben.15
Ich ſol hierher ſchreiben Adieu; aber es iſt noch die Frage.
Vor allen Dingen laß mich Gott danken, daß ich einmal daſitze am Schreib- tiſch wie ein Menſch, der einen freundſchaftlichen Brief ſchreiben will, ruhig und gelaßen, und nicht mit wilden Geberden dem Abgang der Poſt entgegen ſehend und eilend. Du nicht, ſondern ich bin der Narr, der ſich immer den ſchönſten Aktus der Freiheit zum Zwang macht, die Liebe zur Gêne, einen Briefwechſel zum25 Wechſelgeſchäft. — Ja indem ich jetzt (Abends um ½6) die Feder wieder nehme, iſt es ſchon alle mit der Ruhe — denn die Poſt muß um 6 beſtellt ſeyn — und ich fliege wieder zwiſchen Angſt und Pein:
Inzwiſchen ſitzt diesmal Richter dabei und verſpricht mir beizuſpringen —[270] aber folgendermaßen: „ich ſoll einen Perioden anfangen und bis zu ¾ konti-30 nuiren, worauf Richter zu ſeiner Zeit hineinfahren wird.“ — hineinfahren, ſchrieb ich, und eben fuhr der Windbeutler gar zur Thür hinaus — zu Ortloff glaub ich, und ich ſitz’ allein auf meinen Kohlen da.
Allemal hab ich doch ſeine Hand an mir, und kann mir ſelber weismachen, ich führe jetzt fremdhändig fort:35
Ich habe dir jetzt nichts mehr zu ſagen, lieber Emanuel, als daß es bei meinem vorgeſtrigen Verſprechen bleibt — fals Richter das ſeinige reſpektirt und nach Bamberg geht. Das Bier war wohl das köſtlichſte was je
16 Jean Paul Briefe. IV.
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[Koburg, 29. Sept. 1803. Donnerstag]
[Wie danke ich Ihnen für den] Brief, der nicht blos der Länge
wegen der beſte [ſondern weil er ſo heiter, gewandt und wizig] war
[und uns allen] wie ein Mond den hellen Tag zurükglänzt, der in 5
Ihnen lebt. Das iſt das rechte, daß die Menſchen ſtil wie Blumen
neben einander ſtehen ohne heftige Verſchlingungen und Stürme ſich
nur durch Duft berührend und ſich blos einem algemeinen Himmel
öfnend — [Vielleicht oder gar wahrſcheinlich] blühe ich zarter
weicher Diſtelkopf [in künftiger Woche] auf Ihrem Boden einige 10
Stunden.
407. An Emanuel.
[Unter einem Brief Thieriots v. 29. Sept. 1803]
... Die Caroline und die Emma ſind wohl, können aber in der Eil nichts
ſchreiben. Der Legazions Richter ſoll Adieu ſchreiben. 15
Ich ſol hierher ſchreiben Adieu; aber es iſt noch die Frage.
408. Thieriot (und Jean Paul) an Emanuel.
Emanuel!
Coburg Donnerſt. 29 Sept. 1803
Sonnab. 31. [!] 20
Vor allen Dingen laß mich Gott danken, daß ich einmal daſitze am Schreib-
tiſch wie ein Menſch, der einen freundſchaftlichen Brief ſchreiben will, ruhig und
gelaßen, und nicht mit wilden Geberden dem Abgang der Poſt entgegen ſehend
und eilend. Du nicht, ſondern ich bin der Narr, der ſich immer den ſchönſten Aktus
der Freiheit zum Zwang macht, die Liebe zur Gêne, einen Briefwechſel zum 25
Wechſelgeſchäft. — Ja indem ich jetzt (Abends um ½6) die Feder wieder nehme,
iſt es ſchon alle mit der Ruhe — denn die Poſt muß um 6 beſtellt ſeyn — und ich
fliege wieder zwiſchen Angſt und Pein:
Inzwiſchen ſitzt diesmal Richter dabei und verſpricht mir beizuſpringen —
aber folgendermaßen: „ich ſoll einen Perioden anfangen und bis zu ¾ konti- 30
nuiren, worauf Richter zu ſeiner Zeit hineinfahren wird.“ — hineinfahren, ſchrieb
ich, und eben fuhr der Windbeutler gar zur Thür hinaus — zu Ortloff glaub ich,
und ich ſitz’ allein auf meinen Kohlen da.
[270]
Allemal hab ich doch ſeine Hand an mir, und kann mir ſelber weismachen, ich
führe jetzt fremdhändig fort: 35
Ich habe dir jetzt nichts mehr zu ſagen, lieber Emanuel, als daß es bei
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und nach Bamberg geht. Das Bier war wohl das köſtlichſte was je
16 Jean Paul Briefe. IV.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/253>, abgerufen am 16.07.2024.
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