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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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Hernhuterei und -- Schwindsucht zugleich. -- Hast du etwas zärteres,
bilderreicheres und feineres von einer Französin gelesen als die Me-
moires
der Md. Necker? Die wahre Prinzessin- und Ober-Hof-
Meisterin im schönsten Sin!

Seitdem hab' ich auch Schelling über dich mit dem alten Unmuth5
über den köpfenden Egoismus gelesen, der noch dazu gegen deine Blize
selber donnert und dir doch den Ton des Donnerns vorrükt. Sein
Bruno gefält mir durch den stillen Geist des Enthusiasmus. -- Wahr-
scheinlich gräbt Reinhold eine lange Mine unter Jena hin; aber ich
wolte, du gäbest das Pulver her. --10

Durch die bücherarme Stadt kenn' ich hier die Philosophie gar nicht
ausser aus der Buchhändlerrechnung. In Coburg -- wohin ich Mitte
Maies ziehe -- gehts besser. Über Philosophie und Dichtkunst wird
hier nicht votiert.

Wo ist Baggesen? Noch las ich seine Parthenais nicht; aber ohne[237]15
Bedauern; sein poetischer Geist wohnt mehr in seinem Scherze als
Ernste.

Dein Brief über den religiösen Briefpostraub (im Merkur) hat mich
so wohl durch sein warmes Wehen -- wiewohl es zu gut ist für die
Eiszapfen-Zeit -- sanft berührt als durch den Blumen- und Blüten-20
staub schön beschenkt, der deiner reichen Seele immer entfliegt.

Wie findest du die Adrastea? -- Schreibst du jezt etwas?

Z. B. einen Brief an mich? Ich solte kaum glauben.

Lebe wohl, ich bleibe ewig der Deinige. Vergieb dem Briefe die
närrischen dehors und environs; abschreiben kan ich keinen. -- Die25
Deinigen seien recht herzlich gegrüsset!

J. P. F. Richter
362. An Roentgen.

Mein guter, lieber, alter Röntgen! Dein zufälliges Blätgen an
mich gehört unter die Blütenblätter, die der schöne Frühling jezt un-30
gestüm aus allen Zweigen treibt. Dein Briefgen sei die (Prediger-)
Disposizion des meinigen, ganz topographisch. --

Morgen werd' ich deinen Kettler erst sehen.

In der Messe erscheint der 4te Titan 36 Bogen stark, -- blos
künstlerisch genommen, mein bestes opus. Weiter hab' ich -- ausser35
einem kleinen Aufsaz in Cottas Kalender, den du gewis gelesen --

Hernhuterei und — Schwindſucht zugleich. — Haſt du etwas zärteres,
bilderreicheres und feineres von einer Franzöſin geleſen als die Mé-
moires
der Md. Necker? Die wahre Prinzeſſin- und Ober-Hof-
Meiſterin im ſchönſten Sin!

Seitdem hab’ ich auch Schelling über dich mit dem alten Unmuth5
über den köpfenden Egoiſmus geleſen, der noch dazu gegen deine Blize
ſelber donnert und dir doch den Ton des Donnerns vorrükt. Sein
Bruno gefält mir durch den ſtillen Geiſt des Enthuſiaſmus. — Wahr-
ſcheinlich gräbt Reinhold eine lange Mine unter Jena hin; aber ich
wolte, du gäbeſt das Pulver her. —10

Durch die bücherarme Stadt kenn’ ich hier die Philoſophie gar nicht
auſſer aus der Buchhändlerrechnung. In Coburg — wohin ich Mitte
Maies ziehe — gehts beſſer. Über Philoſophie und Dichtkunſt wird
hier nicht votiert.

Wo iſt Baggesen? Noch las ich ſeine Parthenais nicht; aber ohne[237]15
Bedauern; ſein poetiſcher Geiſt wohnt mehr in ſeinem Scherze als
Ernſte.

Dein Brief über den religiöſen Briefpoſtraub (im Merkur) hat mich
ſo wohl durch ſein warmes Wehen — wiewohl es zu gut iſt für die
Eiszapfen-Zeit — ſanft berührt als durch den Blumen- und Blüten-20
ſtaub ſchön beſchenkt, der deiner reichen Seele immer entfliegt.

Wie findeſt du die Adrastea? — Schreibſt du jezt etwas?

Z. B. einen Brief an mich? Ich ſolte kaum glauben.

Lebe wohl, ich bleibe ewig der Deinige. Vergieb dem Briefe die
närriſchen déhors und environs; abſchreiben kan ich keinen. — Die25
Deinigen ſeien recht herzlich gegrüſſet!

J. P. F. Richter
362. An Roentgen.

Mein guter, lieber, alter Röntgen! Dein zufälliges Blätgen an
mich gehört unter die Blütenblätter, die der ſchöne Frühling jezt un-30
geſtüm aus allen Zweigen treibt. Dein Briefgen ſei die (Prediger-)
Diſpoſizion des meinigen, ganz topographiſch. —

Morgen werd’ ich deinen Kettler erſt ſehen.

In der Meſſe erſcheint der 4te Titan 36 Bogen ſtark, — blos
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einem kleinen Aufſaz in Cottas Kalender, den du gewis geleſen —

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[213/0220] Hernhuterei und — Schwindſucht zugleich. — Haſt du etwas zärteres, bilderreicheres und feineres von einer Franzöſin geleſen als die Mé- moires der Md. Necker? Die wahre Prinzeſſin- und Ober-Hof- Meiſterin im ſchönſten Sin! Seitdem hab’ ich auch Schelling über dich mit dem alten Unmuth 5 über den köpfenden Egoiſmus geleſen, der noch dazu gegen deine Blize ſelber donnert und dir doch den Ton des Donnerns vorrükt. Sein Bruno gefält mir durch den ſtillen Geiſt des Enthuſiaſmus. — Wahr- ſcheinlich gräbt Reinhold eine lange Mine unter Jena hin; aber ich wolte, du gäbeſt das Pulver her. — 10 Durch die bücherarme Stadt kenn’ ich hier die Philoſophie gar nicht auſſer aus der Buchhändlerrechnung. In Coburg — wohin ich Mitte Maies ziehe — gehts beſſer. Über Philoſophie und Dichtkunſt wird hier nicht votiert. Wo iſt Baggesen? Noch las ich ſeine Parthenais nicht; aber ohne 15 Bedauern; ſein poetiſcher Geiſt wohnt mehr in ſeinem Scherze als Ernſte. [237] Dein Brief über den religiöſen Briefpoſtraub (im Merkur) hat mich ſo wohl durch ſein warmes Wehen — wiewohl es zu gut iſt für die Eiszapfen-Zeit — ſanft berührt als durch den Blumen- und Blüten- 20 ſtaub ſchön beſchenkt, der deiner reichen Seele immer entfliegt. Wie findeſt du die Adrastea? — Schreibſt du jezt etwas? Z. B. einen Brief an mich? Ich ſolte kaum glauben. Lebe wohl, ich bleibe ewig der Deinige. Vergieb dem Briefe die närriſchen déhors und environs; abſchreiben kan ich keinen. — Die 25 Deinigen ſeien recht herzlich gegrüſſet! J. P. F. Richter 362. An Roentgen. Meiningen d. 21. Apr. 1803. Mein guter, lieber, alter Röntgen! Dein zufälliges Blätgen an mich gehört unter die Blütenblätter, die der ſchöne Frühling jezt un- 30 geſtüm aus allen Zweigen treibt. Dein Briefgen ſei die (Prediger-) Diſpoſizion des meinigen, ganz topographiſch. — Morgen werd’ ich deinen Kettler erſt ſehen. In der Meſſe erſcheint der 4te Titan 36 Bogen ſtark, — blos künſtleriſch genommen, mein beſtes opus. Weiter hab’ ich — auſſer 35 einem kleinen Aufſaz in Cottas Kalender, den du gewis geleſen —

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/220>, abgerufen am 24.11.2024.