mal über so viele Jahre herüber an das Herz zu drücken. Emanuel hat viel Freude mitgebracht und mitgenommen, Reliquien auch.
Mög' es Ihnen wohl gehen! Und allen, die Ihre Seele liebt!
Richter
[Adr.] An die liebe Renate.
5
258. An Gottlieb Richter.
Meiningen d. 30 März 1802.
Es wäre mir lieb gewesen, Brüderlein, wenn du zu mir gesagt hättest: Habe Dank; und es wäre schiklich nothwendig gewesen, wenn du an Emanuel geschrieben hättest: empfangen. Mein Todes-10 Engel, Samuel war hier, ich lies ihn nicht vor mich. Nun mehr hat er von mir nichts mehr zu erwarten. Er kan nur besser werden durch gänzliche Hülflosigkeit. Du wirst ein Helfer an seinem moralischen und bürgerlichen Versinken, daß du ihm nach allen seinen Unthaten alzeit wieder die Freistätte deines Hauses öfnest. Es ist durchaus deine15 Pflicht, ihm das Haus zu verschliessen. Warum wird er bei seinen Talenten kein Schauspieler? Schon ein mittelmässiger hat jährlich über 400, 600 fl. einzunehmen. Schreibe ihm. -- Nicht einen Heller geb ich weder ihm mehr noch einem, der für ihn etwas ausgelegt. -- Schreibe mir bald und recht viel Neuigkeiten aus deinem Hause.20 Bekomm' ich keine Kinder: so must du mir und meiner Frau einen von deinen schönen Genien Engeln leihen zum Erziehen; in 1 Jahre hast du die Lücke wieder gefült. Grüsse meine vortrefliche Frau Schwägerin. Lebe wohl, unhöflicher Herr Bruder!
R.25
Auch wars deine Pflicht, mir den Aufenthalt Samuels zu melden.
259. An Thieriot.
Meiningen d. 30 März 1802.
Ihr Schweigen solt' ich strafen, wil aber nicht. Hier mach' ich[161] Sie -- da der Zensor und Verleger für Nichts zu rechnen -- zum30 1ten Leser des neuen Titans*), a condition 1) daß Sie den schmuzigen Endbogen sogleich nach der Lesung an Matzdorf senden, später den
*) den Sie ganz aufschneiden können.
mal über ſo viele Jahre herüber an das Herz zu drücken. Emanuel hat viel Freude mitgebracht und mitgenommen, Reliquien auch.
Mög’ es Ihnen wohl gehen! Und allen, die Ihre Seele liebt!
Richter
[Adr.] An die liebe Renate.
5
258. An Gottlieb Richter.
Meiningen d. 30 März 1802.
Es wäre mir lieb geweſen, Brüderlein, wenn du zu mir geſagt hätteſt: Habe Dank; und es wäre ſchiklich 〈nothwendig〉 geweſen, wenn du an Emanuel geſchrieben hätteſt: empfangen. Mein Todes-10 Engel, Samuel war hier, ich lies ihn nicht vor mich. Nun mehr hat er von mir nichts mehr zu erwarten. Er kan nur beſſer werden durch gänzliche Hülfloſigkeit. Du wirſt ein Helfer an ſeinem moraliſchen und bürgerlichen Verſinken, daß du ihm nach allen ſeinen Unthaten alzeit wieder die Freiſtätte deines Hauſes öfneſt. Es iſt durchaus deine15 Pflicht, ihm das Haus zu verſchlieſſen. Warum wird er bei ſeinen Talenten kein Schauſpieler? Schon ein mittelmäſſiger hat jährlich über 400, 600 fl. einzunehmen. Schreibe ihm. — Nicht einen Heller geb ich weder ihm mehr noch einem, der für ihn etwas ausgelegt. — Schreibe mir bald und recht viel Neuigkeiten aus deinem Hauſe.20 Bekomm’ ich keine Kinder: ſo muſt du mir und meiner Frau einen von deinen ſchönen Genien 〈Engeln〉 leihen zum Erziehen; in 1 Jahre haſt du die Lücke wieder gefült. Grüſſe meine vortrefliche Frau Schwägerin. Lebe wohl, unhöflicher Herr Bruder!
R.25
Auch wars deine Pflicht, mir den Aufenthalt Samuels zu melden.
259. An Thieriot.
Meiningen d. 30 März 1802.
Ihr Schweigen ſolt’ ich ſtrafen, wil aber nicht. Hier mach’ ich[161] Sie — da der Zenſor und Verleger für Nichts zu rechnen — zum30 1ten Leſer des neuen Titans*), à condition 1) daß Sie den ſchmuzigen Endbogen ſogleich nach der Leſung an Matzdorf ſenden, ſpäter den
*) den Sie ganz aufſchneiden können.
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mal über ſo viele Jahre herüber an das Herz zu drücken. Emanuel
hat viel Freude mitgebracht und mitgenommen, Reliquien auch.
Mög’ es Ihnen wohl gehen! Und allen, die Ihre Seele liebt!
Richter
[Adr.] An die liebe Renate. 5
258. An Gottlieb Richter.
Meiningen d. 30 März 1802.
Es wäre mir lieb geweſen, Brüderlein, wenn du zu mir geſagt
hätteſt: Habe Dank; und es wäre ſchiklich 〈nothwendig〉 geweſen,
wenn du an Emanuel geſchrieben hätteſt: empfangen. Mein Todes- 10
Engel, Samuel war hier, ich lies ihn nicht vor mich. Nun mehr hat
er von mir nichts mehr zu erwarten. Er kan nur beſſer werden durch
gänzliche Hülfloſigkeit. Du wirſt ein Helfer an ſeinem moraliſchen
und bürgerlichen Verſinken, daß du ihm nach allen ſeinen Unthaten
alzeit wieder die Freiſtätte deines Hauſes öfneſt. Es iſt durchaus deine 15
Pflicht, ihm das Haus zu verſchlieſſen. Warum wird er bei ſeinen
Talenten kein Schauſpieler? Schon ein mittelmäſſiger hat jährlich
über 400, 600 fl. einzunehmen. Schreibe ihm. — Nicht einen Heller
geb ich weder ihm mehr noch einem, der für ihn etwas ausgelegt. —
Schreibe mir bald und recht viel Neuigkeiten aus deinem Hauſe. 20
Bekomm’ ich keine Kinder: ſo muſt du mir und meiner Frau einen
von deinen ſchönen Genien 〈Engeln〉 leihen zum Erziehen; in 1 Jahre
haſt du die Lücke wieder gefült. Grüſſe meine vortrefliche Frau
Schwägerin. Lebe wohl, unhöflicher Herr Bruder!
R. 25
Auch wars deine Pflicht, mir den Aufenthalt Samuels zu melden.
259. An Thieriot.
Meiningen d. 30 März 1802.
Ihr Schweigen ſolt’ ich ſtrafen, wil aber nicht. Hier mach’ ich
Sie — da der Zenſor und Verleger für Nichts zu rechnen — zum 30
1ten Leſer des neuen Titans *), à condition 1) daß Sie den ſchmuzigen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/150>, abgerufen am 16.02.2025.
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