Eitelkeit kan nie in, nur nach der Thätigkeit spielen und stinken. -- Der 4te Band, woran ich schreibe und der mit oder ohne 5ten das Werk 1803 beschliesset, ist rein objektiv, so wie die 9 Bogen, die [159]ich am Notar fertig gebacken. -- Dein ganzer voriger 24 Seiten langer Brief -- denn durchs Durchschlagen gewint jede Seite 2 Seiten5 -- hatte keine schönere als deine -- Anwerbung. Längst tadelte ich deine auch späterhin oft gewählte, nicht aufgedrungne Ferne von Aemtern, ähnlich meiner frühern Scheu vor Hofmeistern, nach deren Besiegung ich sie kaum mehr begrif. Wie können die täglichen 2 Stun- den deines Amts dich mehr am Arbeiten hindern als das längere10 Aktenwesen? Wie kanst du dich jezt bei der Abhängigkeit von einem prosaischen Bruder, der ja auch sterben kan, für freier halten als bei der von der Pflicht? -- Deine
30.
Eine neue Bahn geht dir auf -- neue Verbindungen -- Wege15 zu andern Stellen. So viel Kräfte für das thätige Leben lagen bisher bei dir nur im Kasten todt. -- Deine Scheu komt von der alten Liebe gegen die grosse Nazion mit her; obgleich das Militair in allen Staaten-Formen dasselbe ist. Gott hätte mir (wie dir) das lächerliche Glük bescheeren sollen, daß ich in einer Uniform (wovor dir gewis am20 meisten grauet) hätte einherwandeln dürfen. Inzwischen mag sie dir wohl anfangs nicht ernsthaft genug lassen, wenigstens in meiner Gegenwart.
Nach einem Jahre wirst du Gott dafür danken. -- Dem Emanuel dankst du freilich jezt nicht, weil du ihm keine Freude darüber zu zeigen25 weist. -- Du hättest durchaus mitkommen sollen, Essen und Plaz und Lust war genug da. -- Meinen Reinhold mus ich in 4 Wochen wiederhaben. -- Mit 3 Laubtl. schikt' ich Samuel wieder fort. -- Ich habe keine Zeit weiter zu schreiben. Grüsse Amöne recht von mir und C., sie wird das Kleid gerne fertigen. Der Titan ist abgedrukt. Ich30 wolte dir 2 Bout. Wein mit schicken, sie waren aber nicht zu packen. -- Recht viel Liebe und Dank an Amoene für alles. Adio Bruder!
*257. An Renate Otto.
Meiningen d. 30 März 1802.
[160] Meinen Dank, liebe Renate, für Ihr sanftes rührendes Andenken.35 Manche Stellen haben mein Inneres bewegt. Ich wünsche Sie ein-
Eitelkeit kan nie in, nur nach der Thätigkeit ſpielen und ſtinken. — Der 4te Band, woran ich ſchreibe und der mit oder ohne 5ten das Werk 1803 beſchlieſſet, iſt rein objektiv, ſo wie die 9 Bogen, die [159]ich am Notar fertig gebacken. — Dein ganzer voriger 24 Seiten langer Brief — denn durchs Durchſchlagen gewint jede Seite 2 Seiten5 — hatte keine ſchönere als deine — Anwerbung. Längſt tadelte ich deine auch ſpäterhin oft gewählte, nicht aufgedrungne Ferne von Aemtern, ähnlich meiner frühern Scheu vor Hofmeiſtern, nach deren Beſiegung ich ſie kaum mehr begrif. Wie können die täglichen 2 Stun- den deines Amts dich mehr am Arbeiten hindern als das längere10 Aktenweſen? Wie kanſt du dich jezt bei der Abhängigkeit von einem proſaiſchen Bruder, der ja auch ſterben kan, für freier halten als bei der von der Pflicht? — Deine
30.
Eine neue Bahn geht dir auf — neue Verbindungen — Wege15 zu andern Stellen. So viel Kräfte für das thätige Leben lagen bisher bei dir nur im Kaſten todt. — Deine Scheu komt von der alten Liebe gegen die groſſe Nazion mit her; obgleich das Militair in allen Staaten-Formen daſſelbe iſt. Gott hätte mir (wie dir) das lächerliche Glük beſcheeren ſollen, daß ich in einer Uniform (wovor dir gewis am20 meiſten grauet) hätte einherwandeln dürfen. Inzwiſchen mag ſie dir wohl anfangs nicht ernſthaft genug laſſen, wenigſtens in meiner Gegenwart.
Nach einem Jahre wirſt du Gott dafür danken. — Dem Emanuel dankſt du freilich jezt nicht, weil du ihm keine Freude darüber zu zeigen25 weiſt. — Du hätteſt durchaus mitkommen ſollen, Eſſen und Plaz und Luſt war genug da. — Meinen Reinhold mus ich in 4 Wochen wiederhaben. — Mit 3 Laubtl. ſchikt’ ich Samuel wieder fort. — Ich habe keine Zeit weiter zu ſchreiben. Grüſſe Amöne recht von mir und C., ſie wird das Kleid gerne fertigen. Der Titan iſt abgedrukt. Ich30 wolte dir 2 Bout. Wein mit ſchicken, ſie waren aber nicht zu packen. — Recht viel Liebe und Dank an Amoene für alles. Adio Bruder!
*257. An Renate Otto.
Meiningen d. 30 März 1802.
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Der 4te Band, woran ich ſchreibe und der mit oder ohne 5ten das
Werk 1803 beſchlieſſet, iſt rein objektiv, ſo wie die 9 Bogen, die
ich am Notar fertig gebacken. — Dein ganzer voriger 24 Seiten
langer Brief — denn durchs Durchſchlagen gewint jede Seite 2 Seiten 5
— hatte keine ſchönere als deine — Anwerbung. Längſt tadelte ich
deine auch ſpäterhin oft gewählte, nicht aufgedrungne Ferne von
Aemtern, ähnlich meiner frühern Scheu vor Hofmeiſtern, nach deren
Beſiegung ich ſie kaum mehr begrif. Wie können die täglichen 2 Stun-
den deines Amts dich mehr am Arbeiten hindern als das längere 10
Aktenweſen? Wie kanſt du dich jezt bei der Abhängigkeit von einem
proſaiſchen Bruder, der ja auch ſterben kan, für freier halten als bei
der von der Pflicht? — Deine
[159]
30.
Eine neue Bahn geht dir auf — neue Verbindungen — Wege 15
zu andern Stellen. So viel Kräfte für das thätige Leben lagen bisher
bei dir nur im Kaſten todt. — Deine Scheu komt von der alten Liebe
gegen die groſſe Nazion mit her; obgleich das Militair in allen
Staaten-Formen daſſelbe iſt. Gott hätte mir (wie dir) das lächerliche
Glük beſcheeren ſollen, daß ich in einer Uniform (wovor dir gewis am 20
meiſten grauet) hätte einherwandeln dürfen. Inzwiſchen mag ſie dir
wohl anfangs nicht ernſthaft genug laſſen, wenigſtens in meiner
Gegenwart.
Nach einem Jahre wirſt du Gott dafür danken. — Dem Emanuel
dankſt du freilich jezt nicht, weil du ihm keine Freude darüber zu zeigen 25
weiſt. — Du hätteſt durchaus mitkommen ſollen, Eſſen und Plaz
und Luſt war genug da. — Meinen Reinhold mus ich in 4 Wochen
wiederhaben. — Mit 3 Laubtl. ſchikt’ ich Samuel wieder fort. —
Ich habe keine Zeit weiter zu ſchreiben. Grüſſe Amöne recht von mir
und C., ſie wird das Kleid gerne fertigen. Der Titan iſt abgedrukt. Ich 30
wolte dir 2 Bout. Wein mit ſchicken, ſie waren aber nicht zu packen.
— Recht viel Liebe und Dank an Amoene für alles. Adio Bruder!
*257. An Renate Otto.
Meiningen d. 30 März 1802.
Meinen Dank, liebe Renate, für Ihr ſanftes rührendes Andenken. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/149>, abgerufen am 16.07.2024.
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