Schillers Jungfrau ist eine Tochter der Muse, wie Marie eine Stieftochter. Nur ist sein Bilden noch nicht organisch genug aus 1 Stük, seine Statue kan dieser Pygmalion blos -- meiseln.
Was sagen Sie zu Jacobi's Kritik der Kritik? Ich alles Beste. -- Schreiben Sie mir bald (durch Matzdorf) und recht viel Kritik,5 sogar über mich. -- Meinen hochachtenden warmen Grus an Ihre Sophia, gegen die man so leicht eine Philosophia hat. Und alles Freundliche sei Ihnen gesagt, lieber Unvergesner! --
Richter
Grüssen Sie von mir Schleiermacher und Fichte.10
225. An Ahlefeldt.
Meiningen d. 5. Jenn. 1802.
Lieber Hans! Auf deinen freundlichen Brief hab' ich dir nur dein Lob zu antworten. Indes mehr als ich dich gebeten, solst du in der Geldsache auch nicht thun. -- Die Gräfin S[chlabrendorff] nahm15 deinen Grus mit wohlwollender Freude auf; und erwiedert ihn eben so. Unser alter Bund der Hülfe besteht noch fest, da sie keine Fehler zeigt, die man nicht in der 1. Woche erräth. Nie tadelte ich deine Trennung -- die ich ja halb machte -- sondern nur die Treppe dazu,[141] die im Verbinden besteht. Wie steht es jezt in deinem Innern und mit20 den Aussichten deines Herzens und deines Ehrenpfads? --
Mein hiesiges einfaches sich um sich selber spinnendes Leben kanst du bei dem Archivar desselben, meinem Vater haben; unsere Reise nach Bayreuth und Cassel und unser fortblühendes Glük. -- Immer bleib' ich nicht hier. Redliche, aber keine genial[ische] Menschen haben25 wir. Ich und der Herzog sind uns sehr freundlich und oft nahe, die meisten Abende bin ich [bei] ihm.
Meine Frau grüsset dich mit Liebe. -- Was macht und hat dein alter Müller? Noch den Prozes. -- Ich grüss' ihn dankend. Verehr' ihm in meinem Namen 1 rtl. und zieh' es meiner Rechnung ab. --30 Frau v. Vars[t] lernt' ich romantisch auf dem Wege nach Bay- reuth kennen, da sie mit mir von J. P. sprach. Neulich besuchte sie uns.
Bruder, die Ehe rottet alle Simultan-Liebe mit der Wurzel aus; man fragt fast gar zu wenig nach neuen Weibern, was wieder zu35 deutsch ist. -- Das Mspt der guten Klenke macht mir Schwierigkeit.
Schillers Jungfrau iſt eine Tochter der Muſe, wie Marie eine Stieftochter. Nur iſt ſein Bilden noch nicht organiſch genug aus 1 Stük, ſeine Statue kan dieſer Pygmalion blos — meiſeln.
Was ſagen Sie zu Jacobi’s Kritik der Kritik? Ich alles Beſte. — Schreiben Sie mir bald (durch Matzdorf) und recht viel Kritik,5 ſogar über mich. — Meinen hochachtenden warmen Grus an Ihre Sophia, gegen die man ſo leicht eine Philoſophia hat. Und alles Freundliche ſei Ihnen geſagt, lieber Unvergesner! —
Richter
Grüſſen Sie von mir Schleiermacher und Fichte.10
225. An Ahlefeldt.
Meiningen d. 5. Jenn. 1802.
Lieber Hans! Auf deinen freundlichen Brief hab’ ich dir nur dein Lob zu antworten. Indes mehr als ich dich gebeten, ſolſt du in der Geldſache auch nicht thun. — Die Gräfin S[chlabrendorff] nahm15 deinen Grus mit wohlwollender Freude auf; und erwiedert ihn eben ſo. Unſer alter Bund der Hülfe beſteht noch feſt, da ſie keine Fehler zeigt, die man nicht in der 1. Woche erräth. Nie tadelte ich deine Trennung — die ich ja halb machte — ſondern nur die Treppe dazu,[141] die im Verbinden beſteht. Wie ſteht es jezt in deinem Innern und mit20 den Ausſichten deines Herzens und deines Ehrenpfads? —
Mein hieſiges einfaches ſich um ſich ſelber ſpinnendes Leben kanſt du bei dem Archivar deſſelben, meinem Vater haben; unſere Reiſe nach Bayreuth und Cassel und unſer fortblühendes Glük. — Immer bleib’ ich nicht hier. Redliche, aber keine genial[iſche] Menſchen haben25 wir. Ich und der Herzog ſind uns ſehr freundlich und oft nahe, die meiſten Abende bin ich [bei] ihm.
Meine Frau grüſſet dich mit Liebe. — Was macht und hat dein alter Müller? Noch den Prozes. — Ich grüſſ’ ihn dankend. Verehr’ ihm in meinem Namen 1 rtl. und zieh’ es meiner Rechnung ab. —30 Frau v. Vars[t] lernt’ ich romantiſch auf dem Wege nach Bay- reuth kennen, da ſie mit mir von J. P. ſprach. Neulich beſuchte ſie uns.
Bruder, die Ehe rottet alle Simultan-Liebe mit der Wurzel aus; man fragt faſt gar zu wenig nach neuen Weibern, was wieder zu35 deutſch iſt. — Das Mſpt der guten Klenke macht mir Schwierigkeit.
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Schillers Jungfrau iſt eine Tochter der Muſe, wie Marie eine
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Was ſagen Sie zu Jacobi’s Kritik der Kritik? Ich alles Beſte. —
Schreiben Sie mir bald (durch Matzdorf) und recht viel Kritik, 5
ſogar über mich. — Meinen hochachtenden warmen Grus an Ihre
Sophia, gegen die man ſo leicht eine Philoſophia hat. Und alles
Freundliche ſei Ihnen geſagt, lieber Unvergesner! —
Richter
Grüſſen Sie von mir Schleiermacher und Fichte. 10
225. An Ahlefeldt.
Meiningen d. 5. Jenn. 1802.
Lieber Hans! Auf deinen freundlichen Brief hab’ ich dir nur dein
Lob zu antworten. Indes mehr als ich dich gebeten, ſolſt du in der
Geldſache auch nicht thun. — Die Gräfin S[chlabrendorff] nahm 15
deinen Grus mit wohlwollender Freude auf; und erwiedert ihn eben
ſo. Unſer alter Bund der Hülfe beſteht noch feſt, da ſie keine Fehler
zeigt, die man nicht in der 1. Woche erräth. Nie tadelte ich deine
Trennung — die ich ja halb machte — ſondern nur die Treppe dazu,
die im Verbinden beſteht. Wie ſteht es jezt in deinem Innern und mit 20
den Ausſichten deines Herzens und deines Ehrenpfads? —
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Mein hieſiges einfaches ſich um ſich ſelber ſpinnendes Leben kanſt
du bei dem Archivar deſſelben, meinem Vater haben; unſere Reiſe
nach Bayreuth und Cassel und unſer fortblühendes Glük. — Immer
bleib’ ich nicht hier. Redliche, aber keine genial[iſche] Menſchen haben 25
wir. Ich und der Herzog ſind uns ſehr freundlich und oft nahe, die
meiſten Abende bin ich [bei] ihm.
Meine Frau grüſſet dich mit Liebe. — Was macht und hat dein
alter Müller? Noch den Prozes. — Ich grüſſ’ ihn dankend. Verehr’
ihm in meinem Namen 1 rtl. und zieh’ es meiner Rechnung ab. — 30
Frau v. Vars[t] lernt’ ich romantiſch auf dem Wege nach Bay-
reuth kennen, da ſie mit mir von J. P. ſprach. Neulich beſuchte ſie
uns.
Bruder, die Ehe rottet alle Simultan-Liebe mit der Wurzel aus;
man fragt faſt gar zu wenig nach neuen Weibern, was wieder zu 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/131>, abgerufen am 16.02.2025.
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