Paar Pferde und einen viehdummen Fahrknecht ab, der uns auf ebe- [67]nem Wege umschmis und niemanden etwas zerbrach als Enzeln den -- Wagen: ich hätte Arme und Beine da er auf meine Seite fiel, ein- büssen können. Dennoch jagten wir in Gera um 11 Uhr Mittags fort und wurden immer schneller und musikalischer gefahren. 7 Speziestl.5 kostete es mich. -- Israels Wagen war ein Weinkeller und eine Speise- kammer. Er betrug sich ungemein gut und aufmerksam gegen mich und gieng mit mir um wie mit einem weichen Ei, aus dem noch ein ganzer Strausvogel auszubrüten ist. Ich kenne recht gut den Antheil seiner Eitelkeit, die ihm ein ewiges Ja diktiert; aber ihr ist doch auch das10 Bedürfnis einer nur von der Geldbegierde unterjochten Wisbegierde zugemischt. Indessen hat Emanuel Recht, der nichts mit ihm zu reden weis, so wenig als ich. -- Mein neues Logis ist für mich ein Olymp nicht vol Götter (nur 2 sind da) sondern vol Nektar. -- Tiedge und ein Hauptman v. Zanthier, der einen Kreditbrief von Klamer Schmidt15 mitbrachte, hatten mich in meiner Abwesenheit sehen wollen. -- Die Messe fängt erbärmlich an aus Mangel an Juden, nämlich -- pohl- nischen. -- Der gallische Gesandte in Dresden bittet den Schneider, der für ihn näht, zu Tisch und ermahnt die Leute zur Gleichheit -- des Opferns: 8 Millionen (nur Livr. hoff' ich) bitten sich in Dresden die20 mit Federmessern bewafneten Galli aus, wovon du mir erzählet. -- Drei Szer und Ein Korrektor sind dem Breitkopf abgestanden und viele Drucker erkrankt: daher kommen meine Palingenesien der Himmel weis wenn ans Licht. -- In mein ganzes Herz ist der äussere Frühling gezogen und trägt darin schon Früchte. Gestern fuhr ich mit 4 Frauen-25 zimmern aufs Landgut von D. Hommel, einen [!] hellen Kopf und warmen Menschen, der mich ganz -- kauft -- und ich verliebte mich daselbst in eine schon öfters gesehene Madame Hähnel -- blos weil ich mit ihr in einem Wäldgen spazieren gieng -- so weit als thulich und nöthig war in so kurzer Zeit und führte sie nach Hause, ob sie30 gleich blos eine Treppe (in demselben Hause) höher wohnt als die Platner. -- Entschuldige bei der geliebten weiblichen Viereinigkeit nicht mein jeziges sondern mein künftiges Schweigen: ich mus jezt nach arbeiten und vor arbeiten (wegen Dresden). --
[68]Keine Freude, die ich in Hof hatte, reicht an die, womit ich nun35 dein Bild in meiner Seele anschaue und festhabe. Mir treten die Thränen in die Augen, wenn ich dich nur denke. Ich glaube nicht, daß
Paar Pferde und einen viehdummen Fahrknecht ab, der uns auf ebe- [67]nem Wege umſchmis und niemanden etwas zerbrach als Enzeln den — Wagen: ich hätte Arme und Beine da er auf meine Seite fiel, ein- büſſen können. Dennoch jagten wir in Gera um 11 Uhr Mittags fort und wurden immer ſchneller und muſikaliſcher gefahren. 7 Speziestl.5 koſtete es mich. — Iſraels Wagen war ein Weinkeller und eine Speiſe- kammer. Er betrug ſich ungemein gut und aufmerkſam gegen mich und gieng mit mir um wie mit einem weichen Ei, aus dem noch ein ganzer Strausvogel auszubrüten iſt. Ich kenne recht gut den Antheil ſeiner Eitelkeit, die ihm ein ewiges Ja diktiert; aber ihr iſt doch auch das10 Bedürfnis einer nur von der Geldbegierde unterjochten Wisbegierde zugemiſcht. Indeſſen hat Emanuel Recht, der nichts mit ihm zu reden weis, ſo wenig als ich. — Mein neues Logis iſt für mich ein Olymp nicht vol Götter (nur 2 ſind da) ſondern vol Nektar. — Tiedge und ein Hauptman v. Zanthier, der einen Kreditbrief von Klamer Schmidt15 mitbrachte, hatten mich in meiner Abweſenheit ſehen wollen. — Die Meſſe fängt erbärmlich an aus Mangel an Juden, nämlich — pohl- niſchen. — Der galliſche Geſandte in Dresden bittet den Schneider, der für ihn näht, zu Tiſch und ermahnt die Leute zur Gleichheit — des Opferns: 8 Millionen (nur Livr. hoff’ ich) bitten ſich in Dresden die20 mit Federmeſſern bewafneten Galli aus, wovon du mir erzählet. — Drei Szer und Ein Korrektor ſind dem Breitkopf abgeſtanden und viele Drucker erkrankt: daher kommen meine Palingeneſien der Himmel weis wenn ans Licht. — In mein ganzes Herz iſt der äuſſere Frühling gezogen und trägt darin ſchon Früchte. Geſtern fuhr ich mit 4 Frauen-25 zimmern aufs Landgut von D. Hommel, einen [!] hellen Kopf und warmen Menſchen, der mich ganz — kauft — und ich verliebte mich daſelbſt in eine ſchon öfters geſehene Madame Hähnel — blos weil ich mit ihr in einem Wäldgen ſpazieren gieng — ſo weit als thulich und nöthig war in ſo kurzer Zeit und führte ſie nach Hauſe, ob ſie30 gleich blos eine Treppe (in demſelben Hauſe) höher wohnt als die Platner. — Entſchuldige bei der geliebten weiblichen Viereinigkeit nicht mein jeziges ſondern mein künftiges Schweigen: ich mus jezt nach arbeiten und vor arbeiten (wegen Dresden). —
[68]Keine Freude, die ich in Hof hatte, reicht an die, womit ich nun35 dein Bild in meiner Seele anſchaue und feſthabe. Mir treten die Thränen in die Augen, wenn ich dich nur denke. Ich glaube nicht, daß
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Paar Pferde und einen viehdummen Fahrknecht ab, der uns auf ebe-
nem Wege umſchmis und niemanden etwas zerbrach als Enzeln den —
Wagen: ich hätte Arme und Beine da er auf meine Seite fiel, ein-
büſſen können. Dennoch jagten wir in Gera um 11 Uhr Mittags fort
und wurden immer ſchneller und muſikaliſcher gefahren. 7 Speziestl. 5
koſtete es mich. — Iſraels Wagen war ein Weinkeller und eine Speiſe-
kammer. Er betrug ſich ungemein gut und aufmerkſam gegen mich und
gieng mit mir um wie mit einem weichen Ei, aus dem noch ein ganzer
Strausvogel auszubrüten iſt. Ich kenne recht gut den Antheil ſeiner
Eitelkeit, die ihm ein ewiges Ja diktiert; aber ihr iſt doch auch das 10
Bedürfnis einer nur von der Geldbegierde unterjochten Wisbegierde
zugemiſcht. Indeſſen hat Emanuel Recht, der nichts mit ihm zu reden
weis, ſo wenig als ich. — Mein neues Logis iſt für mich ein Olymp
nicht vol Götter (nur 2 ſind da) ſondern vol Nektar. — Tiedge und ein
Hauptman v. Zanthier, der einen Kreditbrief von Klamer Schmidt 15
mitbrachte, hatten mich in meiner Abweſenheit ſehen wollen. — Die
Meſſe fängt erbärmlich an aus Mangel an Juden, nämlich — pohl-
niſchen. — Der galliſche Geſandte in Dresden bittet den Schneider,
der für ihn näht, zu Tiſch und ermahnt die Leute zur Gleichheit — des
Opferns: 8 Millionen (nur Livr. hoff’ ich) bitten ſich in Dresden die 20
mit Federmeſſern bewafneten Galli aus, wovon du mir erzählet. —
Drei Szer und Ein Korrektor ſind dem Breitkopf abgeſtanden und
viele Drucker erkrankt: daher kommen meine Palingeneſien der Himmel
weis wenn ans Licht. — In mein ganzes Herz iſt der äuſſere Frühling
gezogen und trägt darin ſchon Früchte. Geſtern fuhr ich mit 4 Frauen- 25
zimmern aufs Landgut von D. Hommel, einen [!] hellen Kopf und
warmen Menſchen, der mich ganz — kauft — und ich verliebte mich
daſelbſt in eine ſchon öfters geſehene Madame Hähnel — blos weil
ich mit ihr in einem Wäldgen ſpazieren gieng — ſo weit als thulich
und nöthig war in ſo kurzer Zeit und führte ſie nach Hauſe, ob ſie 30
gleich blos eine Treppe (in demſelben Hauſe) höher wohnt als die
Platner. — Entſchuldige bei der geliebten weiblichen Viereinigkeit
nicht mein jeziges ſondern mein künftiges Schweigen: ich mus jezt
nach arbeiten und vor arbeiten (wegen Dresden). —
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Keine Freude, die ich in Hof hatte, reicht an die, womit ich nun 35
dein Bild in meiner Seele anſchaue und feſthabe. Mir treten die
Thränen in die Augen, wenn ich dich nur denke. Ich glaube nicht, daß
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/69>, abgerufen am 09.11.2024.
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