Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

Abend, von 6--7 Uhr nicht versagen, wo sie mit mir zu einer Gräfin
Münster gehen wil, die morgen wieder fortreiset. Bringen Sie in der
Präliminarstunde nur den Tonangeber dahin, daß er in den Definitiv-
stunden gehorcht. Adieu, Lieber!

Richter5
55. An Amöne Herold.

Endlich, Geliebte, kan ich Sie wieder anreden. Ich war neulich
mit der Berlepsch in Belgershain einige Tage; und heute kam Oertel
mit seiner Frau -- zum erstenmale seit meiner hiesigen Existenz --10
herein. Beide haben einen warmen Sonnenschein des Glüks um
und in sich, wie er wenigen Menschen, besonders verheiratheten
leuchtet;


und beide fürchten nichts auf der Erde als die lezte Trennung. Sie mis-15
verstehn ihn über sein Schweigen: er wird es oft unterbrechen und
Sie werden es auch thun. Es ist sein Entschlus -- kein einwirken-
der
-- er sagt, was könt' er Ihnen mitten im Königreiche der Liebe
mit blossen papiernen Erscheinungen sein und geben. Er liebt Sie so
zart und so heis und so sehnsüchtig wie immer. Wir reden oft von20
Ihnen. Ach es wird Jahre lang werden, bis er in die immergrünenden
Gegenden seiner Erinnerung einmal reiset zu Ihnen.

In Ihren Briefen find' ich freudig immer tiefere Ruhe und Zurük-
schauung auf Ihr Herz. Sie werden einmal, wenn das Schiksal Ihre
[46]Räthsel und Sorgen gelöset hat, leicht alle Ihre schönen moralischen25
Kräfte entfalten: ach dem Menschen fehlen oft weniger die Flügel, als
die Anhöhe, auf der er den Flug anfängt. --

Wie stehen Sie und andere mit Wernlein und Renate? -- Ich er-
fahre fast nichts von Hof als daß es einen andern König hat.

Über Ihre Kopfschmerzen hätt' ich gern hier den D. Kapp gefragt,30
wenn ich ihn wieder gesehen und wenn Sie mir stat des lezten Sym-
ptoms der Krankheit die vorhergehenden geschrieben hätten. Joer-
dens[ische] Mittel löschen im Dache, und lassen es in den andern Stok-
werken brennen. Stärkende Mittel sind die besten für Sie.

Abend, von 6—7 Uhr nicht verſagen, wo ſie mit mir zu einer Gräfin
Münſter gehen wil, die morgen wieder fortreiſet. Bringen Sie in der
Präliminarſtunde nur den Tonangeber dahin, daß er in den Definitiv-
ſtunden gehorcht. Adieu, Lieber!

Richter5
55. An Amöne Herold.

Endlich, Geliebte, kan ich Sie wieder anreden. Ich war neulich
mit der Berlepſch in Belgershain einige Tage; und heute kam Oertel
mit ſeiner Frau — zum erſtenmale ſeit meiner hieſigen Exiſtenz —10
herein. Beide haben einen warmen Sonnenſchein des Glüks um
und in ſich, wie er wenigen Menſchen, beſonders verheiratheten
leuchtet;


und beide fürchten nichts auf der Erde als die lezte Trennung. Sie mis-15
verſtehn ihn über ſein Schweigen: er wird es oft unterbrechen und
Sie werden es auch thun. Es iſt ſein Entſchlus — kein einwirken-
der
— er ſagt, was könt’ er Ihnen mitten im Königreiche der Liebe
mit bloſſen papiernen Erſcheinungen ſein und geben. Er liebt Sie ſo
zart und ſo heis und ſo ſehnſüchtig wie immer. Wir reden oft von20
Ihnen. Ach es wird Jahre lang werden, bis er in die immergrünenden
Gegenden ſeiner Erinnerung einmal reiſet zu Ihnen.

In Ihren Briefen find’ ich freudig immer tiefere Ruhe und Zurük-
ſchauung auf Ihr Herz. Sie werden einmal, wenn das Schikſal Ihre
[46]Räthſel und Sorgen gelöſet hat, leicht alle Ihre ſchönen moraliſchen25
Kräfte entfalten: ach dem Menſchen fehlen oft weniger die Flügel, als
die Anhöhe, auf der er den Flug anfängt. —

Wie ſtehen Sie und andere mit Wernlein und Renate? — Ich er-
fahre faſt nichts von Hof als daß es einen andern König hat.

Über Ihre Kopfſchmerzen hätt’ ich gern hier den D. Kapp gefragt,30
wenn ich ihn wieder geſehen und wenn Sie mir ſtat des lezten Sym-
ptoms der Krankheit die vorhergehenden geſchrieben hätten. Joer-
denſ[iſche] Mittel löſchen im Dache, und laſſen es in den andern Stok-
werken brennen. Stärkende Mittel ſind die beſten für Sie.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="42"/>
Abend, von 6&#x2014;7 Uhr nicht ver&#x017F;agen, wo &#x017F;ie mit mir zu einer Gräfin<lb/>
Mün&#x017F;ter gehen wil, die morgen wieder fortrei&#x017F;et. Bringen Sie in der<lb/>
Präliminar&#x017F;tunde nur den Tonangeber dahin, daß er in den Definitiv-<lb/>
&#x017F;tunden gehorcht. Adieu, Lieber!</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> <lb n="5"/>
          </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>55. An <hi rendition="#g">Amöne Herold.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> d. 19. Feb. 98.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Endlich, Geliebte, kan ich Sie wieder anreden. Ich war neulich<lb/>
mit der Berlep&#x017F;ch in Belgershain einige Tage; und heute kam Oertel<lb/>
mit &#x017F;einer Frau &#x2014; zum er&#x017F;tenmale &#x017F;eit meiner hie&#x017F;igen Exi&#x017F;tenz &#x2014;<lb n="10"/>
herein. Beide haben einen warmen Sonnen&#x017F;chein des Glüks um<lb/>
und in &#x017F;ich, wie er wenigen Men&#x017F;chen, be&#x017F;onders verheiratheten<lb/>
leuchtet;</p><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">d. 21 Februar [A&#x017F;chermittwoch].</hi> </dateline><lb/>
          <p>und beide fürchten nichts auf der Erde als die lezte Trennung. Sie mis-<lb n="15"/>
ver&#x017F;tehn ihn über &#x017F;ein Schweigen: er wird es oft unterbrechen und<lb/>
Sie werden es auch thun. Es i&#x017F;t <hi rendition="#g">&#x017F;ein</hi> Ent&#x017F;chlus &#x2014; kein <hi rendition="#g">einwirken-<lb/>
der</hi> &#x2014; er &#x017F;agt, was könt&#x2019; er Ihnen mitten im Königreiche der Liebe<lb/>
mit blo&#x017F;&#x017F;en papiernen Er&#x017F;cheinungen &#x017F;ein und geben. Er liebt Sie &#x017F;o<lb/>
zart und &#x017F;o heis und &#x017F;o &#x017F;ehn&#x017F;üchtig wie immer. Wir reden oft von<lb n="20"/>
Ihnen. Ach es wird Jahre lang werden, bis er in die immergrünenden<lb/>
Gegenden &#x017F;einer Erinnerung einmal rei&#x017F;et zu Ihnen.</p><lb/>
          <p>In Ihren Briefen find&#x2019; ich freudig immer tiefere Ruhe und Zurük-<lb/>
&#x017F;chauung auf Ihr Herz. Sie werden einmal, wenn das Schik&#x017F;al Ihre<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd3_46">[46]</ref></note>Räth&#x017F;el und Sorgen gelö&#x017F;et hat, leicht alle Ihre &#x017F;chönen morali&#x017F;chen<lb n="25"/>
Kräfte entfalten: ach dem Men&#x017F;chen fehlen oft weniger die Flügel, als<lb/>
die Anhöhe, auf der er den Flug anfängt. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Wie &#x017F;tehen Sie und andere mit Wernlein und Renate? &#x2014; Ich er-<lb/>
fahre fa&#x017F;t nichts von Hof als daß es einen andern König hat.</p><lb/>
          <p>Über Ihre Kopf&#x017F;chmerzen hätt&#x2019; ich gern hier den <hi rendition="#aq">D.</hi> Kapp gefragt,<lb n="30"/>
wenn ich ihn wieder ge&#x017F;ehen und wenn Sie mir &#x017F;tat des lezten Sym-<lb/>
ptoms der Krankheit die vorhergehenden ge&#x017F;chrieben hätten. Joer-<lb/>
den&#x017F;[i&#x017F;che] Mittel lö&#x017F;chen im Dache, und la&#x017F;&#x017F;en es in den andern Stok-<lb/>
werken brennen. Stärkende Mittel &#x017F;ind die be&#x017F;ten für Sie.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0049] Abend, von 6—7 Uhr nicht verſagen, wo ſie mit mir zu einer Gräfin Münſter gehen wil, die morgen wieder fortreiſet. Bringen Sie in der Präliminarſtunde nur den Tonangeber dahin, daß er in den Definitiv- ſtunden gehorcht. Adieu, Lieber! Richter 5 55. An Amöne Herold. Leipzig d. 19. Feb. 98. Endlich, Geliebte, kan ich Sie wieder anreden. Ich war neulich mit der Berlepſch in Belgershain einige Tage; und heute kam Oertel mit ſeiner Frau — zum erſtenmale ſeit meiner hieſigen Exiſtenz — 10 herein. Beide haben einen warmen Sonnenſchein des Glüks um und in ſich, wie er wenigen Menſchen, beſonders verheiratheten leuchtet; d. 21 Februar [Aſchermittwoch]. und beide fürchten nichts auf der Erde als die lezte Trennung. Sie mis- 15 verſtehn ihn über ſein Schweigen: er wird es oft unterbrechen und Sie werden es auch thun. Es iſt ſein Entſchlus — kein einwirken- der — er ſagt, was könt’ er Ihnen mitten im Königreiche der Liebe mit bloſſen papiernen Erſcheinungen ſein und geben. Er liebt Sie ſo zart und ſo heis und ſo ſehnſüchtig wie immer. Wir reden oft von 20 Ihnen. Ach es wird Jahre lang werden, bis er in die immergrünenden Gegenden ſeiner Erinnerung einmal reiſet zu Ihnen. In Ihren Briefen find’ ich freudig immer tiefere Ruhe und Zurük- ſchauung auf Ihr Herz. Sie werden einmal, wenn das Schikſal Ihre Räthſel und Sorgen gelöſet hat, leicht alle Ihre ſchönen moraliſchen 25 Kräfte entfalten: ach dem Menſchen fehlen oft weniger die Flügel, als die Anhöhe, auf der er den Flug anfängt. — [46] Wie ſtehen Sie und andere mit Wernlein und Renate? — Ich er- fahre faſt nichts von Hof als daß es einen andern König hat. Über Ihre Kopfſchmerzen hätt’ ich gern hier den D. Kapp gefragt, 30 wenn ich ihn wieder geſehen und wenn Sie mir ſtat des lezten Sym- ptoms der Krankheit die vorhergehenden geſchrieben hätten. Joer- denſ[iſche] Mittel löſchen im Dache, und laſſen es in den andern Stok- werken brennen. Stärkende Mittel ſind die beſten für Sie.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/49
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/49>, abgerufen am 18.04.2024.