Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite
468. An Gleim in Halberstadt.

Der Titan und sein Zwerg kommen endlich zum edlen Vater, der
Kriegslieder sang und Friedenspredigten hielt. Schreiben Sie mir,
Geliebtester, nicht ihren Empfang, sondern ihre Wirkung, wenn Sie5
sie gelesen. Das körperliche Auge sieht in der Jugend am besten nahe,
das ältere ferne Gegenstände; Sie aber sehen nicht blos die fernern
Gegenden des Parnasses, die die Jugend jezt so verkent, unpartheiisch
und gut, sondern auch die nächsten und neuesten. Und darum mach' ich
dieses helle und wohlwollende Auge gern zu meinem Richter.10

Meine Zukunft geht so zwischen Berge in Thäler hinein, daß ich
nichts voraussagen kan -- über meinem Lebensbächlein liegt immer so
viel Nebel, daß ich nicht auf 5 Schritte prophezeien kan, wohin es
fliesse -- -- Ins stille Meer freilich am Ende.

Mit kindlicher Liebe drück' ich Sie an meine Brust und wünsch'15
Ihnen alle die Freuden -- wenn's möglich wäre -- die Sie je aus-
getheilet haben, guter Vater!

J. P. F. Richter

N. S. Erst in Leipzig bekam ich den Clavis und hatte keine Zeit ihn
binden zu lassen. d. 23. geh' ich nach Berlin und wohne bei Matzdorf20
einige Wochen.

469. An Ahlefeldt.

Mein lieber alter Freund! Ich schreibe dir, stat dich zu suchen, da
man sagt, daß du nicht immer unter deinem Dache zu finden seiest.25
Komme unter meines und führe mich unter deines; nur heute nicht,
weil ich ausgeflattert bin. Mög' ich lauter blaue Himmel auf deinen
Mienen sehen! --

Richter
[363]470. An Karoline von Feuchtersleben.30
[Kopie]

Die Abenddämmerung der vorigen Zeit -- den Frühling der Liebe
haben sie zertreten -- sie haben mich öfter geopfert als mir.

468. An Gleim in Halberſtadt.

Der Titan und ſein Zwerg kommen endlich zum edlen Vater, der
Kriegslieder ſang und Friedenspredigten hielt. Schreiben Sie mir,
Geliebteſter, nicht ihren Empfang, ſondern ihre Wirkung, wenn Sie5
ſie geleſen. Das körperliche Auge ſieht in der Jugend am beſten nahe,
das ältere ferne Gegenſtände; Sie aber ſehen nicht blos die fernern
Gegenden des Parnaſſes, die die Jugend jezt ſo verkent, unpartheiiſch
und gut, ſondern auch die nächſten und neueſten. Und darum mach’ ich
dieſes helle und wohlwollende Auge gern zu meinem Richter.10

Meine Zukunft geht ſo zwiſchen Berge in Thäler hinein, daß ich
nichts vorausſagen kan — über meinem Lebensbächlein liegt immer ſo
viel Nebel, daß ich nicht auf 5 Schritte prophezeien kan, wohin es
flieſſe — — Ins ſtille Meer freilich am Ende.

Mit kindlicher Liebe drück’ ich Sie an meine Bruſt und wünſch’15
Ihnen alle die Freuden — wenn’s möglich wäre — die Sie je aus-
getheilet haben, guter Vater!

J. P. F. Richter

N. S. Erſt in Leipzig bekam ich den Clavis und hatte keine Zeit ihn
binden zu laſſen. d. 23. geh’ ich nach Berlin und wohne bei Matzdorf20
einige Wochen.

469. An Ahlefeldt.

Mein lieber alter Freund! Ich ſchreibe dir, ſtat dich zu ſuchen, da
man ſagt, daß du nicht immer unter deinem Dache zu finden ſeieſt.25
Komme unter meines und führe mich unter deines; nur heute nicht,
weil ich ausgeflattert bin. Mög’ ich lauter blaue Himmel auf deinen
Mienen ſehen! —

Richter
[363]470. An Karoline von Feuchtersleben.30
[Kopie]

Die Abenddämmerung der vorigen Zeit — den Frühling der Liebe
haben ſie zertreten — ſie haben mich öfter geopfert als mir.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0356" n="336"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>468. An <hi rendition="#g">Gleim in Halber&#x017F;tadt.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> d. 21. Mai 1800.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Der <hi rendition="#aq">Titan</hi> und &#x017F;ein Zwerg kommen endlich zum edlen Vater, der<lb/>
Kriegslieder &#x017F;ang und Friedenspredigten hielt. Schreiben Sie mir,<lb/>
Geliebte&#x017F;ter, nicht ihren Empfang, &#x017F;ondern ihre Wirkung, wenn Sie<lb n="5"/>
&#x017F;ie gele&#x017F;en. Das körperliche Auge &#x017F;ieht in der Jugend am be&#x017F;ten <hi rendition="#g">nahe,</hi><lb/>
das ältere <hi rendition="#g">ferne</hi> Gegen&#x017F;tände; Sie aber &#x017F;ehen nicht blos die fernern<lb/>
Gegenden des Parna&#x017F;&#x017F;es, die die Jugend jezt &#x017F;o verkent, unpartheii&#x017F;ch<lb/>
und gut, &#x017F;ondern auch die näch&#x017F;ten und neue&#x017F;ten. Und darum mach&#x2019; ich<lb/>
die&#x017F;es helle und wohlwollende Auge gern zu meinem Richter.<lb n="10"/>
</p>
        <p>Meine Zukunft geht &#x017F;o zwi&#x017F;chen Berge in Thäler hinein, daß ich<lb/>
nichts voraus&#x017F;agen kan &#x2014; über meinem Lebensbächlein liegt immer &#x017F;o<lb/>
viel Nebel, daß ich nicht auf 5 Schritte prophezeien kan, wohin es<lb/>
flie&#x017F;&#x017F;e &#x2014; &#x2014; Ins <hi rendition="#g">&#x017F;tille</hi> Meer freilich am Ende.</p><lb/>
        <p>Mit kindlicher Liebe drück&#x2019; ich Sie an meine Bru&#x017F;t und wün&#x017F;ch&#x2019;<lb n="15"/>
Ihnen alle die Freuden &#x2014; wenn&#x2019;s möglich wäre &#x2014; die Sie je aus-<lb/>
getheilet haben, guter Vater!</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">J. P. F. Richter</hi> </salute>
        </closer><lb/>
        <postscript>
          <p>N. S. Er&#x017F;t in Leipzig bekam ich den <hi rendition="#aq">Clavis</hi> und hatte keine Zeit ihn<lb/>
binden zu la&#x017F;&#x017F;en. d. 23. geh&#x2019; ich nach <hi rendition="#aq">Berlin</hi> und wohne bei Matzdorf<lb n="20"/>
einige Wochen.</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>469. An <hi rendition="#g">Ahlefeldt.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">Dien&#x017F;tags [Berlin, 27. Mai 1800].</hi> </dateline><lb/>
        <p>Mein lieber alter Freund! Ich &#x017F;chreibe dir, &#x017F;tat dich zu &#x017F;uchen, da<lb/>
man &#x017F;agt, daß du nicht immer unter deinem Dache zu finden &#x017F;eie&#x017F;t.<lb n="25"/>
Komme unter meines und führe mich unter deines; nur heute nicht,<lb/>
weil ich ausgeflattert bin. Mög&#x2019; ich lauter blaue Himmel auf deinen<lb/>
Mienen &#x017F;ehen! &#x2014;</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head><note place="left"><ref target="1922_Bd3_363">[363]</ref></note>470. An <hi rendition="#g">Karoline von Feuchtersleben.</hi><lb n="30"/></head>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Berlin, 27. Mai 1800]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Die Abenddämmerung der vorigen Zeit &#x2014; den Frühling der Liebe<lb/>
haben &#x017F;ie zertreten &#x2014; &#x017F;ie haben mich öfter geopfert als mir.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0356] 468. An Gleim in Halberſtadt. Leipzig d. 21. Mai 1800. Der Titan und ſein Zwerg kommen endlich zum edlen Vater, der Kriegslieder ſang und Friedenspredigten hielt. Schreiben Sie mir, Geliebteſter, nicht ihren Empfang, ſondern ihre Wirkung, wenn Sie 5 ſie geleſen. Das körperliche Auge ſieht in der Jugend am beſten nahe, das ältere ferne Gegenſtände; Sie aber ſehen nicht blos die fernern Gegenden des Parnaſſes, die die Jugend jezt ſo verkent, unpartheiiſch und gut, ſondern auch die nächſten und neueſten. Und darum mach’ ich dieſes helle und wohlwollende Auge gern zu meinem Richter. 10 Meine Zukunft geht ſo zwiſchen Berge in Thäler hinein, daß ich nichts vorausſagen kan — über meinem Lebensbächlein liegt immer ſo viel Nebel, daß ich nicht auf 5 Schritte prophezeien kan, wohin es flieſſe — — Ins ſtille Meer freilich am Ende. Mit kindlicher Liebe drück’ ich Sie an meine Bruſt und wünſch’ 15 Ihnen alle die Freuden — wenn’s möglich wäre — die Sie je aus- getheilet haben, guter Vater! J. P. F. Richter N. S. Erſt in Leipzig bekam ich den Clavis und hatte keine Zeit ihn binden zu laſſen. d. 23. geh’ ich nach Berlin und wohne bei Matzdorf 20 einige Wochen. 469. An Ahlefeldt. Dienſtags [Berlin, 27. Mai 1800]. Mein lieber alter Freund! Ich ſchreibe dir, ſtat dich zu ſuchen, da man ſagt, daß du nicht immer unter deinem Dache zu finden ſeieſt. 25 Komme unter meines und führe mich unter deines; nur heute nicht, weil ich ausgeflattert bin. Mög’ ich lauter blaue Himmel auf deinen Mienen ſehen! — Richter 470. An Karoline von Feuchtersleben. 30 [Berlin, 27. Mai 1800] Die Abenddämmerung der vorigen Zeit — den Frühling der Liebe haben ſie zertreten — ſie haben mich öfter geopfert als mir.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/356
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/356>, abgerufen am 10.05.2024.