Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.Friedr. Schlegel war blos darum 1 1/2 Tag in Weimar, um 1 1/2 Tag Federn! -- Bier! -- Was du von der Liebmännin schreibst, diese Sinlichkeit war ihr20 *) wegen des Glüks in allen Städten. **) Es ist umgekehrt, du bekomst hier die beste; aber beide sind kaum zu unter-35
scheiden. Friedr. Schlegel war blos darum 1 ½ Tag in Weimar, um 1 ½ Tag Federn! — Bier! — Was du von der Liebmännin ſchreibſt, dieſe Sinlichkeit war ihr20 *) wegen des Glüks in allen Städten. **) Es iſt umgekehrt, du bekomſt hier die beſte; aber beide ſind kaum zu unter-35
ſcheiden. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0353" n="333"/> <p>Friedr. <hi rendition="#aq">Schlegel</hi> war blos darum 1 ½ Tag in <hi rendition="#aq">Weimar,</hi> um 1 ½ Tag<lb/> in meiner Stube zu ſein. Wir haben uns leicht verſtändigt. Er liebte<note place="right"><ref target="1922_Bd3_359">[359]</ref></note><lb/> mich und meine Werke von jeher — im neueſten Athenäum nahm er<lb/> ſchon viele Invektiven zurük — und jezt mehr und ich ihn; er iſt kindlich,<lb/> ſanft und genialiſch-auffaſſend; aber er iſt in der Philoſophie und<lb n="5"/> Gelehrſamkeit 10mal ſeichter als ich gedacht; er konte mir auf meine<lb/> Anti-Fichtianiſmen ſo wenig antworten, daß ich glaube, er kent nicht<lb/> einmal das ganze Syſtem. — Franz Koch, der Mundharmoniſt, dankte<lb/> mir für ſeine Empfehlung im <hi rendition="#aq">Hesperus</hi> <note place="foot" n="*)">wegen des Glüks in allen Städten.</note>; ich werde mit in den An-<lb/> ſchlagzettel geſezt; er gewan hier ſoviel, daß er ſich in der Zeitung<lb n="10"/> bedankte. Er klagt, daß noch ein Pſevdo-Harmoniker auch auf den<lb/><hi rendition="#aq">Hesperus</hi> reiſe. — Auch <hi rendition="#aq">Thieriot</hi> mit ſeiner Geige war hier und durch<lb/> mich damit bei <hi rendition="#aq">Herder, Goethe,</hi> am Hofe. — Von der Auflage die<lb/> du erhälſt, ſind 2000 Exemplare gedrukt, 100 noch beſſere <note place="foot" n="**)">Es iſt umgekehrt, du bekomſt hier die beſte; aber beide ſind kaum zu unter-<lb n="35"/> ſcheiden.</note>, die ich<lb/> noch nicht habe, und 900 ſchlechte. — Meinen Aufſaz über die <hi rendition="#aq">Corday</hi><lb n="15"/> giebt, nach dem Meskatalog der ehrliche Buchhändler ſo heraus:<lb/> „hiſtoriſches Taſchenbuch f. 1801 heraus[ge]geben von F. Genz und<lb/> Jean Paul“ — Schreibe mir von meinem <hi rendition="#aq">Samuel</hi> —</p><lb/> <p>Federn! — Bier! —</p><lb/> <p>Was du von der <hi rendition="#aq">Liebmännin</hi> ſchreibſt, dieſe Sinlichkeit war ihr<lb n="20"/> längſt anzuſehen und anzuhören. Aber hierüber bin ich deiner theo-<lb/> logiſchen orthodoxen Meinung längſt nicht mehr ſowenig wie <hi rendition="#aq">Herder.</hi><lb/> Schon in meinem <hi rendition="#aq">Hesperus</hi> ſagt’ ich von Klotilden ahnend, aber ver-<lb/> dekt: in der höchſten Liebe ſind die <hi rendition="#g">beſten</hi> Mädgen wie die <hi rendition="#g">guten.</hi><lb/> Anders: jezt weis ichs <hi rendition="#g">gewis: aus</hi> Liebe ſind ſie alle, alle ſinlich und<lb n="25"/> es komt nur auf die Schlechtigkeit, gehaltene Stufenfolge und das<lb/> beſonnene Feuer des Mannes an, jede die ihn heftig <hi rendition="#g">liebt,</hi> zum lezten<lb/> Punkt zu führen, weil dieſen die Natur mit eben ſo vielem Rechte<lb/> begehrt wie den Kus, und weil der Punkt nicht an und für ſich, ſondern<lb/> nur unter Bedingungen (wie Eſſen und Trinken und Küſſen) unmoraliſch<lb n="30"/> iſt, indes z. B. Lüge ꝛc. es unter jeder iſt. Hier veracht’ ich blos den<lb/> Man; denn das Weib nüzet 〈befolgt〉, aber giebt nicht den Anlas.<note place="right"><ref target="1922_Bd3_360">[360]</ref></note><lb/> Liebe aus Sinlichkeit hat die Beſſere nicht, aber wohl Sinlichkeit aus<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [333/0353]
Friedr. Schlegel war blos darum 1 ½ Tag in Weimar, um 1 ½ Tag
in meiner Stube zu ſein. Wir haben uns leicht verſtändigt. Er liebte
mich und meine Werke von jeher — im neueſten Athenäum nahm er
ſchon viele Invektiven zurük — und jezt mehr und ich ihn; er iſt kindlich,
ſanft und genialiſch-auffaſſend; aber er iſt in der Philoſophie und 5
Gelehrſamkeit 10mal ſeichter als ich gedacht; er konte mir auf meine
Anti-Fichtianiſmen ſo wenig antworten, daß ich glaube, er kent nicht
einmal das ganze Syſtem. — Franz Koch, der Mundharmoniſt, dankte
mir für ſeine Empfehlung im Hesperus *); ich werde mit in den An-
ſchlagzettel geſezt; er gewan hier ſoviel, daß er ſich in der Zeitung 10
bedankte. Er klagt, daß noch ein Pſevdo-Harmoniker auch auf den
Hesperus reiſe. — Auch Thieriot mit ſeiner Geige war hier und durch
mich damit bei Herder, Goethe, am Hofe. — Von der Auflage die
du erhälſt, ſind 2000 Exemplare gedrukt, 100 noch beſſere **), die ich
noch nicht habe, und 900 ſchlechte. — Meinen Aufſaz über die Corday 15
giebt, nach dem Meskatalog der ehrliche Buchhändler ſo heraus:
„hiſtoriſches Taſchenbuch f. 1801 heraus[ge]geben von F. Genz und
Jean Paul“ — Schreibe mir von meinem Samuel —
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Federn! — Bier! —
Was du von der Liebmännin ſchreibſt, dieſe Sinlichkeit war ihr 20
längſt anzuſehen und anzuhören. Aber hierüber bin ich deiner theo-
logiſchen orthodoxen Meinung längſt nicht mehr ſowenig wie Herder.
Schon in meinem Hesperus ſagt’ ich von Klotilden ahnend, aber ver-
dekt: in der höchſten Liebe ſind die beſten Mädgen wie die guten.
Anders: jezt weis ichs gewis: aus Liebe ſind ſie alle, alle ſinlich und 25
es komt nur auf die Schlechtigkeit, gehaltene Stufenfolge und das
beſonnene Feuer des Mannes an, jede die ihn heftig liebt, zum lezten
Punkt zu führen, weil dieſen die Natur mit eben ſo vielem Rechte
begehrt wie den Kus, und weil der Punkt nicht an und für ſich, ſondern
nur unter Bedingungen (wie Eſſen und Trinken und Küſſen) unmoraliſch 30
iſt, indes z. B. Lüge ꝛc. es unter jeder iſt. Hier veracht’ ich blos den
Man; denn das Weib nüzet 〈befolgt〉, aber giebt nicht den Anlas.
Liebe aus Sinlichkeit hat die Beſſere nicht, aber wohl Sinlichkeit aus
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*) wegen des Glüks in allen Städten.
**) Es iſt umgekehrt, du bekomſt hier die beſte; aber beide ſind kaum zu unter- 35
ſcheiden.
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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