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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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Zeitlang lassen können, weil er eben vom Buchbinder d. h. nicht aus
der besten Geselschaft komt. Der kleine Page, der ihm nachtrit, ist wie[355]
seine Verwandschaft nicht von der ernsthaften Natur; ich weis also
nicht, in welcher Entfernung von seinem Hern Sie ihn halten werden.

458. An Auguste und Friedrich Schlichtegroll.5

Liebe Auguste! Hier ist der Titan. Möge das grosse Thier Sie zu
einem Lustpläzgen oder zu einer schönen Aussicht -- in die Vergangen-
heit und Zukunft -- tragen!

Ich hatte sehr auf Sie beide gehoft. Jezt zieht mich die Noth-10
wendigkeit durch den Berliner Sand. In der Mitte Juny bin ich
wieder da. -- [gestrichen: Mein Schiksal hat sich -- das sei Indes]
Verzeihen Sie das Ausstreichen. Ich habe heute zu viel zu schreiben.
-- War nicht ein Mundharmonist bei Ihnen?

Leben Sie wohl, innigst geliebte Auguste! Ihr seid beide glüklicher15
auf euerer blühenden Ebene als der arme Paul, den der Wirbelwind
von einer Bergspize an die andere wirft! Heiter wie deine Gestalt sei
deine Zukunft!

Und Sie, lieber Schlichtegroll! bitt' ich um Vorlesen und um Auf-
schreiben des doppelten Urtheils über den Titan, des mänlichen und20
weiblichen. Ich schreibe hier wenig; im Buch red' ich ja ohnehin
Alphabete lang. -- Lebt wohl, Ihr beide! brauch' ich euch gar nicht
zu sagen: denn ihr liebt ja einander!

R.
458a. Ins Stammbuch von J. G. A. Choinanus.25

Die Philosophie giebt, ungleich den gemeinen Sünderinnen, welche
Schwangerschaft für Wassersucht ausgeben, diese für jene aus; und
wie oft man sie auch operiere, ihr Wasser ersezt sich immer wieder.

An diesen Worten werden Sie leicht den vielleicht
zu partheiischen Freund der jezigen Philosophie er-30
kennen.

Ich bin der Ihrige auf eine bessere Weise und von
Ihnen durch nichts getrent als zuweilen durch Lichter
und Speisen am Tischpole.

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Jean Paul Fr. Richter35

Zeitlang laſſen können, weil er eben vom Buchbinder d. h. nicht aus
der beſten Geſelſchaft komt. Der kleine Page, der ihm nachtrit, iſt wie[355]
ſeine Verwandſchaft nicht von der ernſthaften Natur; ich weis alſo
nicht, in welcher Entfernung von ſeinem Hern Sie ihn halten werden.

458. An Auguſte und Friedrich Schlichtegroll.5

Liebe Auguſte! Hier iſt der Titan. Möge das groſſe Thier Sie zu
einem Luſtpläzgen oder zu einer ſchönen Ausſicht — in die Vergangen-
heit und Zukunft — tragen!

Ich hatte ſehr auf Sie beide gehoft. Jezt zieht mich die Noth-10
wendigkeit durch den Berliner Sand. In der Mitte Juny bin ich
wieder da. — [gestrichen: Mein Schikſal hat ſich — das ſei Indes]
Verzeihen Sie das Ausſtreichen. Ich habe heute zu viel zu ſchreiben.
— War nicht ein Mundharmoniſt bei Ihnen?

Leben Sie wohl, innigſt geliebte Auguſte! Ihr ſeid beide glüklicher15
auf euerer blühenden Ebene als der arme Paul, den der Wirbelwind
von einer Bergſpize an die andere wirft! Heiter wie deine Geſtalt ſei
deine Zukunft!

Und Sie, lieber Schlichtegroll! bitt’ ich um Vorleſen und um Auf-
ſchreiben des doppelten Urtheils über den Titan, des mänlichen und20
weiblichen. Ich ſchreibe hier wenig; im Buch red’ ich ja ohnehin
Alphabete lang. — Lebt wohl, Ihr beide! brauch’ ich euch gar nicht
zu ſagen: denn ihr liebt ja einander!

R.
458a. Ins Stammbuch von J. G. A. Choinanus.25

Die Philoſophie giebt, ungleich den gemeinen Sünderinnen, welche
Schwangerſchaft für Waſſerſucht ausgeben, dieſe für jene aus; und
wie oft man ſie auch operiere, ihr Waſſer erſezt ſich immer wieder.

An dieſen Worten werden Sie leicht den vielleicht
zu partheiiſchen Freund der jezigen Philoſophie er-30
kennen.

Ich bin der Ihrige auf eine beſſere Weiſe und von
Ihnen durch nichts getrent als zuweilen durch Lichter
und Speiſen am Tiſchpole.

[Spaltenumbruch] [Spaltenumbruch]
Jean Paul Fr. Richter35
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[329/0349] Zeitlang laſſen können, weil er eben vom Buchbinder d. h. nicht aus der beſten Geſelſchaft komt. Der kleine Page, der ihm nachtrit, iſt wie ſeine Verwandſchaft nicht von der ernſthaften Natur; ich weis alſo nicht, in welcher Entfernung von ſeinem Hern Sie ihn halten werden. [355] 458. An Auguſte und Friedrich Schlichtegroll. 5 Weimar d. 10. Mai 1800. Liebe Auguſte! Hier iſt der Titan. Möge das groſſe Thier Sie zu einem Luſtpläzgen oder zu einer ſchönen Ausſicht — in die Vergangen- heit und Zukunft — tragen! Ich hatte ſehr auf Sie beide gehoft. Jezt zieht mich die Noth- 10 wendigkeit durch den Berliner Sand. In der Mitte Juny bin ich wieder da. — [gestrichen: Mein Schikſal hat ſich — das ſei Indes] Verzeihen Sie das Ausſtreichen. Ich habe heute zu viel zu ſchreiben. — War nicht ein Mundharmoniſt bei Ihnen? Leben Sie wohl, innigſt geliebte Auguſte! Ihr ſeid beide glüklicher 15 auf euerer blühenden Ebene als der arme Paul, den der Wirbelwind von einer Bergſpize an die andere wirft! Heiter wie deine Geſtalt ſei deine Zukunft! Und Sie, lieber Schlichtegroll! bitt’ ich um Vorleſen und um Auf- ſchreiben des doppelten Urtheils über den Titan, des mänlichen und 20 weiblichen. Ich ſchreibe hier wenig; im Buch red’ ich ja ohnehin Alphabete lang. — Lebt wohl, Ihr beide! brauch’ ich euch gar nicht zu ſagen: denn ihr liebt ja einander! R. 458a. Ins Stammbuch von J. G. A. Choinanus. 25 Die Philoſophie giebt, ungleich den gemeinen Sünderinnen, welche Schwangerſchaft für Waſſerſucht ausgeben, dieſe für jene aus; und wie oft man ſie auch operiere, ihr Waſſer erſezt ſich immer wieder. An dieſen Worten werden Sie leicht den vielleicht zu partheiiſchen Freund der jezigen Philoſophie er- 30 kennen. Ich bin der Ihrige auf eine beſſere Weiſe und von Ihnen durch nichts getrent als zuweilen durch Lichter und Speiſen am Tiſchpole. Weimar d. 14 Mai 1800. Jean Paul Fr. Richter 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/349>, abgerufen am 12.05.2024.