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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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307. An Herrn von Koppenfels in Hildburghausen.[246]
[Kopie]

Mit einer doppelten Freude bin ich einem Hofe, dem ich so frohe
Tage verdanke, noch einen neuen und einen Namen schuldig, der mich
an jene schöne Zeit und an meinen Dank dafür erinnert. Ein Legazions-5
rath wird eigentlich immer vom Orte weggeschikt, von dem er das
Kreditiv hat, mich sol es lieber hinschicken. Bisher hatt' ich nur in der
litterarischen Welt einen Siz und in der bürgerlichen must' ich stehen;
jezt hab' ich den Diplomen etwas anderes entgegenzusezen als Rezen-
sionen.10

308. An Josephine von Sydow.

Verehrte geliebte Freundin! Ich war in Gotha, Eisenach,
Hildburghausen und bin noch in Reiseplanen -- darum schwieg
ich so lange, aber ich vergas nicht. Um Ihnen zu antworten,15
brauch' ich Sie nur zu lesen; das von der Fülle der Sehnsucht
trunkne und schmachtende Herz, das in Rousseau's und seiner
Julie Briefen spricht, bewegt mich in Ihren. Ach Josephine,
welchen Mai verheisset uns der Winter, welchen Frühling sein
dunklerTag! Ich werde neben der schoenen Seele Zukunft und Ver-20
gangenheit vergessen und die Ewigkeit im Auge der Liebe suchen
und dan meines ergeben abwenden und nur in der zweiten Ewig-
keit die Wiederholung der jezigen begehren.
--


Vergeben Sie dem Zufal und der Arbeit die Unterbrechung.25
-- Die nämliche Saite geht von Ihrem Herzen über meines ge-
spant; und Ihr Anklang ist meiner, ich bin überal mit Ihnen einig,
z. B. über die geistigere Liebe der Weiber. Eben weil die Frau am
meisten mit dem Herzen liebt, so lebt ihre Liebe so lange wie ihr
Herz; indes sie bei den meisten Maennern mit und an den Sinnen30
stirbt.
--

Ihre Werke sind mir Briefe und gefallen mir eben so sehr,
wiewohl ich noch zu wenig Zeit zu dieser holden Lesung hatte.

Da Ihr ganzes ofnes Herz in Ihren Briefen liegt, und sich
dadurch allen Schiksalen der Post blosgiebt: so bitt' ich Sie,
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künftig Ihren Namen und Wohnort wegzulassen.

15 Jean Paul Briefe. III.
307. An Herrn von Koppenfels in Hildburghauſen.[246]
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Mit einer doppelten Freude bin ich einem Hofe, dem ich ſo frohe
Tage verdanke, noch einen neuen und einen Namen ſchuldig, der mich
an jene ſchöne Zeit und an meinen Dank dafür erinnert. Ein Legazions-5
rath wird eigentlich immer vom Orte weggeſchikt, von dem er das
Kreditiv hat, mich ſol es lieber hinſchicken. Bisher hatt’ ich nur in der
litterariſchen Welt einen Siz und in der bürgerlichen muſt’ ich ſtehen;
jezt hab’ ich den Diplomen etwas anderes entgegenzuſezen als Rezen-
ſionen.10

308. An Joſephine von Sydow.

Verehrte geliebte Freundin! Ich war in Gotha, Eisenach,
Hildburghausen und bin noch in Reiseplanen — darum schwieg
ich so lange, aber ich vergas nicht. Um Ihnen zu antworten,15
brauch’ ich Sie nur zu lesen; das von der Fülle der Sehnsucht
trunkne und schmachtende Herz, das in Rousseau’s und seiner
Julie Briefen spricht, bewegt mich in Ihren. Ach Josephine,
welchen Mai verheisset uns der Winter, welchen Frühling sein
dunklerTag! Ich werde neben der schœnen Seele Zukunft und Ver-20
gangenheit vergessen und die Ewigkeit im Auge der Liebe suchen
und dan meines ergeben abwenden und nur in der zweiten Ewig-
keit die Wiederholung der jezigen begehren.


Vergeben Sie dem Zufal und der Arbeit die Unterbrechung.25
— Die nämliche Saite geht von Ihrem Herzen über meines ge-
spant; und Ihr Anklang ist meiner, ich bin überal mit Ihnen einig,
z. B. über die geistigere Liebe der Weiber. Eben weil die Frau am
meisten mit dem Herzen liebt, so lebt ihre Liebe so lange wie ihr
Herz; indes sie bei den meisten Mænnern mit und an den Sinnen30
stirbt.

Ihre Werke sind mir Briefe und gefallen mir eben so sehr,
wiewohl ich noch zu wenig Zeit zu dieser holden Lesung hatte.

Da Ihr ganzes ofnes Herz in Ihren Briefen liegt, und sich
dadurch allen Schiksalen der Post blosgiebt: so bitt’ ich Sie,
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künftig Ihren Namen und Wohnort wegzulassen.

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[225/0240] 307. An Herrn von Koppenfels in Hildburghauſen. [Weimar, 18. Aug. 1799] Mit einer doppelten Freude bin ich einem Hofe, dem ich ſo frohe Tage verdanke, noch einen neuen und einen Namen ſchuldig, der mich an jene ſchöne Zeit und an meinen Dank dafür erinnert. Ein Legazions- 5 rath wird eigentlich immer vom Orte weggeſchikt, von dem er das Kreditiv hat, mich ſol es lieber hinſchicken. Bisher hatt’ ich nur in der litterariſchen Welt einen Siz und in der bürgerlichen muſt’ ich ſtehen; jezt hab’ ich den Diplomen etwas anderes entgegenzuſezen als Rezen- ſionen. 10 308. An Joſephine von Sydow. Weimar d. 10 Aug. 99. Verehrte geliebte Freundin! Ich war in Gotha, Eisenach, Hildburghausen und bin noch in Reiseplanen — darum schwieg ich so lange, aber ich vergas nicht. Um Ihnen zu antworten, 15 brauch’ ich Sie nur zu lesen; das von der Fülle der Sehnsucht trunkne und schmachtende Herz, das in Rousseau’s und seiner Julie Briefen spricht, bewegt mich in Ihren. Ach Josephine, welchen Mai verheisset uns der Winter, welchen Frühling sein dunklerTag! Ich werde neben der schœnen Seele Zukunft und Ver- 20 gangenheit vergessen und die Ewigkeit im Auge der Liebe suchen und dan meines ergeben abwenden und nur in der zweiten Ewig- keit die Wiederholung der jezigen begehren. — d. 18. Aug. Vergeben Sie dem Zufal und der Arbeit die Unterbrechung. 25 — Die nämliche Saite geht von Ihrem Herzen über meines ge- spant; und Ihr Anklang ist meiner, ich bin überal mit Ihnen einig, z. B. über die geistigere Liebe der Weiber. Eben weil die Frau am meisten mit dem Herzen liebt, so lebt ihre Liebe so lange wie ihr Herz; indes sie bei den meisten Mænnern mit und an den Sinnen 30 stirbt. — Ihre Werke sind mir Briefe und gefallen mir eben so sehr, wiewohl ich noch zu wenig Zeit zu dieser holden Lesung hatte. Da Ihr ganzes ofnes Herz in Ihren Briefen liegt, und sich dadurch allen Schiksalen der Post blosgiebt: so bitt’ ich Sie, 35 künftig Ihren Namen und Wohnort wegzulassen. [247] 15 Jean Paul Briefe. III.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/240>, abgerufen am 28.04.2024.