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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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290. An Christian Otto.
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Das von Staub- und Regenmänteln beschüzte Buch. Der Titan mit
seinem vielfärbigen Papier war ein Zeitgenosse der vielfärbigen,
rembrandisch gemalten, nachdunkelnden Tage. -- Das Schiksal arbeitet5
unsern Frühlingsgarten durch 3fache Versezungen um. -- Protec-
trice -- moralische Plattitüde --

[Ich hoffe, ich habe in deinem Hause troz der Rezensionen noch alles
ganz.]

-- Ich las deine Kritik des Titans mit solcher Gutmüthigkeit und10
Liebe, daß ich erst nach der 10. Lesung recht -- tol wurde, nicht über
die Urtheile sondern über den unwilligen Ton derselben, der sonst
deiner nie war. Jezt aber ist alles verdampft und bezwungen und
berichtigt, lieber Otto! Nur einiges zur Rechtfertigung. (Übrigens
merkt' ich bei dem Schreiben und Lesen, daß der Titan wegen seiner15
grössern Helden den humoristischen Anstrich des Fixleins nicht ver-
trägt; auch wil ich einige von dir getadelte Szenen blos in den humo-
ristischen Appendix werfen) Mit den Wiederholungen nimst du es
strenger als irgend ein Autor z. B. Swift*) verträgt, der z. B. die
Einkleidung "er wolle ein Buch über etwas schreiben" immer in neuer20
wiederbringt. -- Unbegreiflich ist mirs vollends wie du, wenn ich
hier sage "sein Geist hatte die Kälte, Helle und Schärfe des Diamants";
und dan weiter unten: "der hohe Mensch wird an hohen, wie der Dia-
mant an Diamanten glänzend" und weiter: "er zerfiel auf einer breiten
Unterlage schwarz kalter Menschen, wie man Diamanten auf einer25
Unterlage von ausgebranten todten Schmiedekohlen verflüchtigt" das[230]
auch nur im fernsten Sinne Wiederholungen nennen kanst, da es neue
Vergleichungspunkte sind; umgekehrt ists eben schwerer, diese an ge-
brauchten Objekten zu finden. Und dürfte man das nicht: so könte
kein Gott mehr ein Gleichnis machen, weil es kein ungebrauchtes30
Objekt mehr giebt. -- Am meisten fiel mir deine Teleologie über das
Präsentieren und Sallatmachen auf, eine Erbärmlichkeit, die man ja
von dem ersten besten Bedienten erfahren könte ohne je eine Tafel
gesehen zu haben. Und kanst du denken, daß ich, der ich Gesundheit der

*) So mit dem 3 mal wiederholten Essen; in der Klarisse wird über 1000 mal35
der Thee getrunken; man kan nicht anders.
14 Jean Paul Briefe. III.
290. An Chriſtian Otto.
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Das von Staub- und Regenmänteln beſchüzte Buch. Der Titan mit
ſeinem vielfärbigen Papier war ein Zeitgenoſſe der vielfärbigen,
rembrandiſch gemalten, nachdunkelnden Tage. — Das Schikſal arbeitet5
unſern Frühlingsgarten durch 3fache Verſezungen um. — Protec-
trice — moraliſche Plattitüde —

[Ich hoffe, ich habe in deinem Hauſe troz der Rezenſionen noch alles
ganz.]

— Ich las deine Kritik des Titans mit ſolcher Gutmüthigkeit und10
Liebe, daß ich erſt nach der 10. Leſung recht — tol wurde, nicht über
die Urtheile ſondern über den unwilligen Ton derſelben, der ſonſt
deiner nie war. Jezt aber iſt alles verdampft und bezwungen und
berichtigt, lieber Otto! Nur einiges zur Rechtfertigung. (Übrigens
merkt’ ich bei dem Schreiben und Leſen, daß der Titan wegen ſeiner15
gröſſern Helden den humoriſtiſchen Anſtrich des Fixleins nicht ver-
trägt; auch wil ich einige von dir getadelte Szenen blos in den humo-
riſtiſchen Appendix werfen) Mit den Wiederholungen nimſt du es
ſtrenger als irgend ein Autor z. B. Swift*) verträgt, der z. B. die
Einkleidung „er wolle ein Buch über etwas ſchreiben“ immer in neuer20
wiederbringt. — Unbegreiflich iſt mirs vollends wie du, wenn ich
hier ſage „ſein Geiſt hatte die Kälte, Helle und Schärfe des Diamants“;
und dan weiter unten: „der hohe Menſch wird an hohen, wie der Dia-
mant an Diamanten glänzend“ und weiter: „er zerfiel auf einer breiten
Unterlage ſchwarz kalter Menſchen, wie man Diamanten auf einer25
Unterlage von ausgebranten todten Schmiedekohlen verflüchtigt“ das[230]
auch nur im fernſten Sinne Wiederholungen nennen kanſt, da es neue
Vergleichungspunkte ſind; umgekehrt iſts eben ſchwerer, dieſe an ge-
brauchten Objekten zu finden. Und dürfte man das nicht: ſo könte
kein Gott mehr ein Gleichnis machen, weil es kein ungebrauchtes30
Objekt mehr giebt. — Am meiſten fiel mir deine Teleologie über das
Präſentieren und Sallatmachen auf, eine Erbärmlichkeit, die man ja
von dem erſten beſten Bedienten erfahren könte ohne je eine Tafel
geſehen zu haben. Und kanſt du denken, daß ich, der ich Geſundheit der

*) So mit dem 3 mal wiederholten Eſſen; in der Klariſſe wird über 1000 mal35
der Thee getrunken; man kan nicht anders.
14 Jean Paul Briefe. III.
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[209/0224] 290. An Chriſtian Otto. Weimar d. 2. Jul. 99. Das von Staub- und Regenmänteln beſchüzte Buch. Der Titan mit ſeinem vielfärbigen Papier war ein Zeitgenoſſe der vielfärbigen, rembrandiſch gemalten, nachdunkelnden Tage. — Das Schikſal arbeitet 5 unſern Frühlingsgarten durch 3fache Verſezungen um. — Protec- trice — moraliſche Plattitüde — [Ich hoffe, ich habe in deinem Hauſe troz der Rezenſionen noch alles ganz.] — Ich las deine Kritik des Titans mit ſolcher Gutmüthigkeit und 10 Liebe, daß ich erſt nach der 10. Leſung recht — tol wurde, nicht über die Urtheile ſondern über den unwilligen Ton derſelben, der ſonſt deiner nie war. Jezt aber iſt alles verdampft und bezwungen und berichtigt, lieber Otto! Nur einiges zur Rechtfertigung. (Übrigens merkt’ ich bei dem Schreiben und Leſen, daß der Titan wegen ſeiner 15 gröſſern Helden den humoriſtiſchen Anſtrich des Fixleins nicht ver- trägt; auch wil ich einige von dir getadelte Szenen blos in den humo- riſtiſchen Appendix werfen) Mit den Wiederholungen nimſt du es ſtrenger als irgend ein Autor z. B. Swift *) verträgt, der z. B. die Einkleidung „er wolle ein Buch über etwas ſchreiben“ immer in neuer 20 wiederbringt. — Unbegreiflich iſt mirs vollends wie du, wenn ich hier ſage „ſein Geiſt hatte die Kälte, Helle und Schärfe des Diamants“; und dan weiter unten: „der hohe Menſch wird an hohen, wie der Dia- mant an Diamanten glänzend“ und weiter: „er zerfiel auf einer breiten Unterlage ſchwarz kalter Menſchen, wie man Diamanten auf einer 25 Unterlage von ausgebranten todten Schmiedekohlen verflüchtigt“ das auch nur im fernſten Sinne Wiederholungen nennen kanſt, da es neue Vergleichungspunkte ſind; umgekehrt iſts eben ſchwerer, dieſe an ge- brauchten Objekten zu finden. Und dürfte man das nicht: ſo könte kein Gott mehr ein Gleichnis machen, weil es kein ungebrauchtes 30 Objekt mehr giebt. — Am meiſten fiel mir deine Teleologie über das Präſentieren und Sallatmachen auf, eine Erbärmlichkeit, die man ja von dem erſten beſten Bedienten erfahren könte ohne je eine Tafel geſehen zu haben. Und kanſt du denken, daß ich, der ich Geſundheit der [230] *) So mit dem 3 mal wiederholten Eſſen; in der Klariſſe wird über 1000 mal 35 der Thee getrunken; man kan nicht anders. 14 Jean Paul Briefe. III.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/224>, abgerufen am 22.11.2024.