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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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krasie ist ein zu grosser Ekel:*) wie hat mich nicht das Beriechen des
Gartens im Fixlein gequält? -- Wenn ich eine unbedeutende Neben-
sache zu sagen habe: so sag ich sie lieber lustig als ernsthaft. -- Das
öftere Ich findest du bei allen komischen Autoren. -- Manche Wieder-
holungen "ich wolte, daß" "es fält mir auf, daß etc." findest du in5
Sterne und überal; es sind eben so wenig welche als 10mal in 1 ernst-
haften Buch zu sagen: es ist nicht zu läugnen. Ich werd aber viel weg-
thun, wie z. B. das L. S. Aber der Sallat wird gemacht. -- Oft must'
ich laut auflachen über meine komische Gestalt, in der ich erscheine
manches 3, 4 mal wiederholend. -- Über den quirlenden Lämmer-10
schwanz hatt ich unter dem Schreiben die höchste Freude, da das Bei-
wort so unendlich malt; und ich weis ernstlich nicht, warum es kindisch
sein sol. -- Das lezte Kapitel, das du so lobst, hat mir nun gerade die
kleinste Mühe gemacht; es strömte hervor, aber ich war in Be-
geisterung. --15

Mein Trost in diesem deutschen Leben ist, daß ich nach jedem Band
zum Titan einen Anhang habe, wo ich zwischen meinen 4 Wänden bin
und mache was ich wil. -- Ich danke dir noch einmal recht innig
für deine scharfe, und bestimte und doch schonende Kritik; denn ich
fürchtete eine schärfere. Lebe wohl und grüsse die Deinigen. Unter20
euch 3 würde d. h. werd' ich sein wie ihr, nichts als Liebe. Leb wohl
Guter.

289. An Knebel in Ilmenau.
[Kopie]

Ich wolte Sie wären der Spediteur aller Briefe an mich und ver-25
doppelten die Gabe, die Sie überlieferten. Wohnt' ich Ihren Limo-
niaden um 4 Meilen näher: so würd' ich keine Rezensionen begehren
als die meiner Mspte. Es könte dan sein, daß ich Weimar -- besuchte
[229]und Ilmenau zuweilen -- verliesse. Der König, der d[as] Norddeutsch-
[land] beruhigt, beunruhigt das Süddeutsch[land] eben so angenehm30
-- [Es war] so vol, daß zwar eine Nadel zur Erde fallen aber niemand
sich bücken könte, aus Engigkeit, sie aufzuheben. -- Ihre Nachschrift
ist wichtiger als alles, was auf einem Wechselbrief stehen mag.

*) z. B. die Sonnenflecken des Tabaks etc.

kraſie iſt ein zu groſſer Ekel:*) wie hat mich nicht das Beriechen des
Gartens im Fixlein gequält? — Wenn ich eine unbedeutende Neben-
ſache zu ſagen habe: ſo ſag ich ſie lieber luſtig als ernſthaft. — Das
öftere Ich findeſt du bei allen komiſchen Autoren. — Manche Wieder-
holungen „ich wolte, daß“ „es fält mir auf, daß ꝛc.“ findeſt du in5
Sterne und überal; es ſind eben ſo wenig welche als 10mal in 1 ernſt-
haften Buch zu ſagen: es iſt nicht zu läugnen. Ich werd aber viel weg-
thun, wie z. B. das L. S. Aber der Sallat wird gemacht. — Oft muſt’
ich laut auflachen über meine komiſche Geſtalt, in der ich erſcheine
manches 3, 4 mal wiederholend. — Über den quirlenden Lämmer-10
ſchwanz hatt ich unter dem Schreiben die höchſte Freude, da das Bei-
wort ſo unendlich malt; und ich weis ernſtlich nicht, warum es kindiſch
ſein ſol. — Das lezte Kapitel, das du ſo lobſt, hat mir nun gerade die
kleinſte Mühe gemacht; es ſtrömte hervor, aber ich war in Be-
geiſterung. —15

Mein Troſt in dieſem deutſchen Leben iſt, daß ich nach jedem Band
zum Titan einen Anhang habe, wo ich zwiſchen meinen 4 Wänden bin
und mache was ich wil. — Ich danke dir noch einmal recht innig
für deine ſcharfe, und beſtimte und doch ſchonende Kritik; denn ich
fürchtete eine ſchärfere. Lebe wohl und grüſſe die Deinigen. Unter20
euch 3 würde d. h. werd’ ich ſein wie ihr, nichts als Liebe. Leb wohl
Guter.

289. An Knebel in Ilmenau.
[Kopie]

Ich wolte Sie wären der Spediteur aller Briefe an mich und ver-25
doppelten die Gabe, die Sie überlieferten. Wohnt’ ich Ihren Limo-
niaden um 4 Meilen näher: ſo würd’ ich keine Rezenſionen begehren
als die meiner Mſpte. Es könte dan ſein, daß ich Weimar — beſuchte
[229]und Ilmenau zuweilen — verlieſſe. Der König, der d[as] Norddeutſch-
[land] beruhigt, beunruhigt das Süddeutſch[land] eben ſo angenehm30
— [Es war] ſo vol, daß zwar eine Nadel zur Erde fallen aber niemand
ſich bücken könte, aus Engigkeit, ſie aufzuheben. — Ihre Nachſchrift
iſt wichtiger als alles, was auf einem Wechſelbrief ſtehen mag.

*) z. B. die Sonnenflecken des Tabaks ꝛc.
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[208/0223] kraſie iſt ein zu groſſer Ekel: *) wie hat mich nicht das Beriechen des Gartens im Fixlein gequält? — Wenn ich eine unbedeutende Neben- ſache zu ſagen habe: ſo ſag ich ſie lieber luſtig als ernſthaft. — Das öftere Ich findeſt du bei allen komiſchen Autoren. — Manche Wieder- holungen „ich wolte, daß“ „es fält mir auf, daß ꝛc.“ findeſt du in 5 Sterne und überal; es ſind eben ſo wenig welche als 10mal in 1 ernſt- haften Buch zu ſagen: es iſt nicht zu läugnen. Ich werd aber viel weg- thun, wie z. B. das L. S. Aber der Sallat wird gemacht. — Oft muſt’ ich laut auflachen über meine komiſche Geſtalt, in der ich erſcheine manches 3, 4 mal wiederholend. — Über den quirlenden Lämmer- 10 ſchwanz hatt ich unter dem Schreiben die höchſte Freude, da das Bei- wort ſo unendlich malt; und ich weis ernſtlich nicht, warum es kindiſch ſein ſol. — Das lezte Kapitel, das du ſo lobſt, hat mir nun gerade die kleinſte Mühe gemacht; es ſtrömte hervor, aber ich war in Be- geiſterung. — 15 Mein Troſt in dieſem deutſchen Leben iſt, daß ich nach jedem Band zum Titan einen Anhang habe, wo ich zwiſchen meinen 4 Wänden bin und mache was ich wil. — Ich danke dir noch einmal recht innig für deine ſcharfe, und beſtimte und doch ſchonende Kritik; denn ich fürchtete eine ſchärfere. Lebe wohl und grüſſe die Deinigen. Unter 20 euch 3 würde d. h. werd’ ich ſein wie ihr, nichts als Liebe. Leb wohl Guter. 289. An Knebel in Ilmenau. [Weimar, 2. Juli 1799] Ich wolte Sie wären der Spediteur aller Briefe an mich und ver- 25 doppelten die Gabe, die Sie überlieferten. Wohnt’ ich Ihren Limo- niaden um 4 Meilen näher: ſo würd’ ich keine Rezenſionen begehren als die meiner Mſpte. Es könte dan ſein, daß ich Weimar — beſuchte und Ilmenau zuweilen — verlieſſe. Der König, der d[as] Norddeutſch- [land] beruhigt, beunruhigt das Süddeutſch[land] eben ſo angenehm 30 — [Es war] ſo vol, daß zwar eine Nadel zur Erde fallen aber niemand ſich bücken könte, aus Engigkeit, ſie aufzuheben. — Ihre Nachſchrift iſt wichtiger als alles, was auf einem Wechſelbrief ſtehen mag. [229] *) z. B. die Sonnenflecken des Tabaks ꝛc.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/223>, abgerufen am 28.04.2024.