Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

Mumien und den Hesperus, und in Hof und Leipzig den Rest ohne
andere Aenderung als die des -- Kopfes. Die Wirkung des Kontrasts
lass' ich weg. Und dan, was sind alle meine vorigen Stunden gegen eine
bei Herder, diese klingende Säule in der dumpfen feuchten Baumans-
höle der Welt, diesen nicht blos mit der Feder, sondern mit dem Herzen,5
mit dem Leben, mit dem Denken dichtenden Geist, dessen körperliche
Stimme schon in mein innerstes Herz wie ein Harmonien-Echo geht.
Und wir lieben uns recht; o guter edler Jacobi, wie glüklich und wie[146]
heis und wie liebend würd' ich an Ihrem so lange geliebten Herzen
liegen und wohnen! --10

Haman wäre der andere Mensch, den ich sehen möchte, wenn nicht
der Tod zum Präsentieren nöthig wäre, eine von der Studierstube
durchs Empyräum reichende Gestalt, für welche nichts klein und
nichts gros war, sondern alles verknüpft wie Orthographie mit
Heterodoxie. Sie sind diesem Geiste eine Kollegial-Unsterblichkeit15
schuldig durch Aufnahme seiner Juwelen-Kolibri-Werkgen in Ihre,
mit 10,000 Noten ad usum delphinorum.

Was die beiden lieben Novem- und Dezembrisierer und ästhetischen
enfans perdus, die Schlegel, anlangt: so ist nichts dabei zu machen
als ein Spas; -- und dieser kaum. Ich hätte längst einen kleinen mit20
diesem Zwillingsgestirn, wodurch niemals Phöbus gieng, exemplarisch
getrieben -- wär' ich von dessen unmoralischen Absichten überzeugt ge-
wesen. Da ich aber das nicht bin -- vielmehr das Gegentheil erfahre,
so tief sie mir auch ihre Saugestacheln in die poetische Ader sezen -- so
kan ich nie sie bekriegen, sondern nur ihre Prinzipien; und hier sind,25
wie im Leben, widersprechende Beispiele besser als widersprechende
Annotazionen. Ich kan meiner toleranten Vernunft und meinem
weichen Herzen keine Personalsatire mehr abgewinnen, so viel leichter
und reizender sie auch wäre als die perennierende. Wer Sie verstand,
hasset Schlegels bulla in coena domini und ihn selber -- ob er sie30
gleich, wie mir ein Freund von ihm sagte, ohne andere Teleologie als
angeborne geschrieben haben sol --; zumal da Ihr Werk gerade
gegen jenen genialischen Sonnenflecken die Seifenkugel bringt, den er
zugleich vorwirft und selber trägt. -- -- Bei mir war, wie bei den
Deutschen, Philosophie früher als Dichtkunst; Planeten sieht man35
abends früher als Sonnen, wiewohl hier wie überal im Universum
(Gott ausgenommen) nur die Stufe unterscheidet, und nicht die Art.

9*

Mumien und den Hesperus, und in Hof und Leipzig den Reſt ohne
andere Aenderung als die des — Kopfes. Die Wirkung des Kontraſts
laſſ’ ich weg. Und dan, was ſind alle meine vorigen Stunden gegen eine
bei Herder, dieſe klingende Säule in der dumpfen feuchten Baumans-
höle der Welt, dieſen nicht blos mit der Feder, ſondern mit dem Herzen,5
mit dem Leben, mit dem Denken dichtenden Geiſt, deſſen körperliche
Stimme ſchon in mein innerſtes Herz wie ein Harmonien-Echo geht.
Und wir lieben uns recht; o guter edler Jacobi, wie glüklich und wie[146]
heis und wie liebend würd’ ich an Ihrem ſo lange geliebten Herzen
liegen und wohnen! —10

Haman wäre der andere Menſch, den ich ſehen möchte, wenn nicht
der Tod zum Präſentieren nöthig wäre, eine von der Studierſtube
durchs Empyräum reichende Geſtalt, für welche nichts klein und
nichts gros war, ſondern alles verknüpft wie Orthographie mit
Heterodoxie. Sie ſind dieſem Geiſte eine Kollegial-Unſterblichkeit15
ſchuldig durch Aufnahme ſeiner Juwelen-Kolibri-Werkgen in Ihre,
mit 10,000 Noten ad usum delphinorum.

Was die beiden lieben Novem- und Dezembriſierer und äſthetiſchen
enfans perdus, die Schlegel, anlangt: ſo iſt nichts dabei zu machen
als ein Spas; — und dieſer kaum. Ich hätte längſt einen kleinen mit20
dieſem Zwillingsgeſtirn, wodurch niemals Phöbus gieng, exemplariſch
getrieben — wär’ ich von deſſen unmoraliſchen Abſichten überzeugt ge-
weſen. Da ich aber das nicht bin — vielmehr das Gegentheil erfahre,
ſo tief ſie mir auch ihre Saugeſtacheln in die poetiſche Ader ſezen — ſo
kan ich nie ſie bekriegen, ſondern nur ihre Prinzipien; und hier ſind,25
wie im Leben, widerſprechende Beiſpiele beſſer als widerſprechende
Annotazionen. Ich kan meiner toleranten Vernunft und meinem
weichen Herzen keine Perſonalſatire mehr abgewinnen, ſo viel leichter
und reizender ſie auch wäre als die perennierende. Wer Sie verſtand,
haſſet Schlegels bulla in coena domini und ihn ſelber — ob er ſie30
gleich, wie mir ein Freund von ihm ſagte, ohne andere Teleologie als
angeborne geſchrieben haben ſol —; zumal da Ihr Werk gerade
gegen jenen genialiſchen Sonnenflecken die Seifenkugel bringt, den er
zugleich vorwirft und ſelber trägt. — — Bei mir war, wie bei den
Deutſchen, Philoſophie früher als Dichtkunſt; Planeten ſieht man35
abends früher als Sonnen, wiewohl hier wie überal im Univerſum
(Gott ausgenommen) nur die Stufe unterſcheidet, und nicht die Art.

9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="131"/><hi rendition="#aq">Mumien</hi> und den <hi rendition="#aq">Hesperus,</hi> und in Hof und Leipzig den Re&#x017F;t ohne<lb/>
andere Aenderung als die des &#x2014; Kopfes. Die Wirkung des Kontra&#x017F;ts<lb/>
la&#x017F;&#x017F;&#x2019; ich weg. Und dan, was &#x017F;ind alle meine vorigen Stunden gegen eine<lb/>
bei Herder, die&#x017F;e <hi rendition="#g">klingende Säule</hi> in der dumpfen feuchten Baumans-<lb/>
höle der Welt, die&#x017F;en nicht blos mit der Feder, &#x017F;ondern mit dem Herzen,<lb n="5"/>
mit dem Leben, mit dem Denken dichtenden Gei&#x017F;t, de&#x017F;&#x017F;en körperliche<lb/>
Stimme &#x017F;chon in mein inner&#x017F;tes Herz wie ein Harmonien-Echo geht.<lb/>
Und wir lieben uns recht; o guter edler Jacobi, wie glüklich und wie<note place="right"><ref target="1922_Bd3_146">[146]</ref></note><lb/>
heis und wie liebend würd&#x2019; ich an Ihrem &#x017F;o lange geliebten Herzen<lb/>
liegen und wohnen! &#x2014;<lb n="10"/>
</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Haman</hi> wäre der andere Men&#x017F;ch, den ich &#x017F;ehen möchte, wenn nicht<lb/>
der Tod zum Prä&#x017F;entieren nöthig wäre, eine von der Studier&#x017F;tube<lb/>
durchs Empyräum reichende Ge&#x017F;talt, für welche nichts klein und<lb/>
nichts gros war, &#x017F;ondern alles verknüpft wie Orthographie mit<lb/>
Heterodoxie. Sie &#x017F;ind die&#x017F;em Gei&#x017F;te eine Kollegial-Un&#x017F;terblichkeit<lb n="15"/>
&#x017F;chuldig durch Aufnahme &#x017F;einer Juwelen-Kolibri-Werkgen in Ihre,<lb/>
mit 10,000 Noten <hi rendition="#aq">ad usum delphinorum.</hi></p><lb/>
          <p>Was die beiden lieben Novem- und Dezembri&#x017F;ierer und ä&#x017F;theti&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#aq">enfans perdus,</hi> die Schlegel, anlangt: &#x017F;o i&#x017F;t nichts dabei zu machen<lb/>
als ein Spas; &#x2014; und die&#x017F;er kaum. Ich hätte läng&#x017F;t einen kleinen mit<lb n="20"/>
die&#x017F;em Zwillingsge&#x017F;tirn, wodurch niemals Phöbus gieng, exemplari&#x017F;ch<lb/>
getrieben &#x2014; wär&#x2019; ich von de&#x017F;&#x017F;en unmorali&#x017F;chen Ab&#x017F;ichten überzeugt ge-<lb/>
we&#x017F;en. Da ich aber das nicht bin &#x2014; vielmehr das Gegentheil erfahre,<lb/>
&#x017F;o tief &#x017F;ie mir auch ihre Sauge&#x017F;tacheln in die poeti&#x017F;che Ader &#x017F;ezen &#x2014; &#x017F;o<lb/>
kan ich nie <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> bekriegen, &#x017F;ondern nur ihre Prinzipien; und hier &#x017F;ind,<lb n="25"/>
wie im Leben, wider&#x017F;prechende Bei&#x017F;piele be&#x017F;&#x017F;er als wider&#x017F;prechende<lb/>
Annotazionen. Ich kan meiner toleranten Vernunft und meinem<lb/>
weichen Herzen keine Per&#x017F;onal&#x017F;atire mehr abgewinnen, &#x017F;o viel leichter<lb/>
und reizender &#x017F;ie auch wäre als die perennierende. Wer Sie ver&#x017F;tand,<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;et Schlegels <hi rendition="#aq">bulla in coena domini</hi> und ihn &#x017F;elber &#x2014; ob er &#x017F;ie<lb n="30"/>
gleich, wie mir ein Freund von ihm &#x017F;agte, ohne andere Teleologie als<lb/><hi rendition="#g">angeborne</hi> ge&#x017F;chrieben haben &#x017F;ol &#x2014;; zumal da Ihr Werk gerade<lb/>
gegen jenen geniali&#x017F;chen Sonnenflecken die Seifenkugel bringt, den er<lb/>
zugleich vorwirft und &#x017F;elber trägt. &#x2014; &#x2014; Bei mir war, wie bei den<lb/>
Deut&#x017F;chen, Philo&#x017F;ophie früher als Dichtkun&#x017F;t; Planeten &#x017F;ieht man<lb n="35"/>
abends früher als Sonnen, wiewohl hier <hi rendition="#g">wie überal im Univer&#x017F;um</hi><lb/>
(Gott ausgenommen) nur die <hi rendition="#g">Stufe</hi> unter&#x017F;cheidet, und nicht die <hi rendition="#g">Art.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0141] Mumien und den Hesperus, und in Hof und Leipzig den Reſt ohne andere Aenderung als die des — Kopfes. Die Wirkung des Kontraſts laſſ’ ich weg. Und dan, was ſind alle meine vorigen Stunden gegen eine bei Herder, dieſe klingende Säule in der dumpfen feuchten Baumans- höle der Welt, dieſen nicht blos mit der Feder, ſondern mit dem Herzen, 5 mit dem Leben, mit dem Denken dichtenden Geiſt, deſſen körperliche Stimme ſchon in mein innerſtes Herz wie ein Harmonien-Echo geht. Und wir lieben uns recht; o guter edler Jacobi, wie glüklich und wie heis und wie liebend würd’ ich an Ihrem ſo lange geliebten Herzen liegen und wohnen! — 10 [146] Haman wäre der andere Menſch, den ich ſehen möchte, wenn nicht der Tod zum Präſentieren nöthig wäre, eine von der Studierſtube durchs Empyräum reichende Geſtalt, für welche nichts klein und nichts gros war, ſondern alles verknüpft wie Orthographie mit Heterodoxie. Sie ſind dieſem Geiſte eine Kollegial-Unſterblichkeit 15 ſchuldig durch Aufnahme ſeiner Juwelen-Kolibri-Werkgen in Ihre, mit 10,000 Noten ad usum delphinorum. Was die beiden lieben Novem- und Dezembriſierer und äſthetiſchen enfans perdus, die Schlegel, anlangt: ſo iſt nichts dabei zu machen als ein Spas; — und dieſer kaum. Ich hätte längſt einen kleinen mit 20 dieſem Zwillingsgeſtirn, wodurch niemals Phöbus gieng, exemplariſch getrieben — wär’ ich von deſſen unmoraliſchen Abſichten überzeugt ge- weſen. Da ich aber das nicht bin — vielmehr das Gegentheil erfahre, ſo tief ſie mir auch ihre Saugeſtacheln in die poetiſche Ader ſezen — ſo kan ich nie ſie bekriegen, ſondern nur ihre Prinzipien; und hier ſind, 25 wie im Leben, widerſprechende Beiſpiele beſſer als widerſprechende Annotazionen. Ich kan meiner toleranten Vernunft und meinem weichen Herzen keine Perſonalſatire mehr abgewinnen, ſo viel leichter und reizender ſie auch wäre als die perennierende. Wer Sie verſtand, haſſet Schlegels bulla in coena domini und ihn ſelber — ob er ſie 30 gleich, wie mir ein Freund von ihm ſagte, ohne andere Teleologie als angeborne geſchrieben haben ſol —; zumal da Ihr Werk gerade gegen jenen genialiſchen Sonnenflecken die Seifenkugel bringt, den er zugleich vorwirft und ſelber trägt. — — Bei mir war, wie bei den Deutſchen, Philoſophie früher als Dichtkunſt; Planeten ſieht man 35 abends früher als Sonnen, wiewohl hier wie überal im Univerſum (Gott ausgenommen) nur die Stufe unterſcheidet, und nicht die Art. 9*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/141
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/141>, abgerufen am 23.11.2024.