Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.8. An Sophie von Brüningk in Hohenberg. [Kopie][Leipzig, 15. Nov. 1797]Mein Name ist mein vorlaufender Quartiermeister gewesen -- die 9. An Friedrich von Oertel in Belgershain.5 Leipzig d. 17 Nov. Bustags 97 [Freitag].Mein Oertel! so sag ich' der geliebten Stimme um dich willig nach. Sonabends. Ich danke dir für deine scharfsinnigen Noten und Fragen, die theils *) Doch [hat] er Kanten oft halb vergessen: z. B. anfangs stuzte [er] (und be-
jahete es später) da ich sagte, daß Kant sogar die mathematischen Wahrheiten für möglich irrige Säze bei andern Wesen erklärt. Übrigens hatt' ich bei ihm eine geistreiche frohe Stunde. 8. An Sophie von Brüningk in Hohenberg. [Kopie][Leipzig, 15. Nov. 1797]Mein Name iſt mein vorlaufender Quartiermeiſter geweſen — die 9. An Friedrich von Oertel in Belgershain.5 Leipzig d. 17 Nov. 〈Bustags〉 97 [Freitag].Mein Oertel! ſo ſag ich’ der geliebten Stimme um dich willig nach. Sonabends. Ich danke dir für deine ſcharfſinnigen Noten und Fragen, die theils *) Doch [hat] er Kanten oft halb vergeſſen: z. B. anfangs ſtuzte [er] (und be-
jahete es ſpäter) da ich ſagte, daß Kant ſogar die mathematiſchen Wahrheiten für möglich irrige Säze bei andern Weſen erklärt. Übrigens hatt’ ich bei ihm eine geiſtreiche frohe Stunde. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0013" n="8"/> <div type="letter" n="1"> <head>8. An <hi rendition="#g">Sophie von Brüningk in Hohenberg.</hi></head><lb/> <note type="editorial">[Kopie]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Leipzig, 15. Nov. 1797]</hi> </dateline><lb/> <p>Mein Name iſt mein vorlaufender Quartiermeiſter geweſen — die<lb/> ſüſſen Haus(Chokolade)tafeln.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>9. An <hi rendition="#g">Friedrich von Oertel in Belgershain.</hi><lb n="5"/> </head> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> d. 17 Nov. 〈Bustags〉 97 [Freitag].</hi> </dateline><lb/> <p>Mein Oertel! ſo ſag ich’ der geliebten Stimme um dich willig nach.<lb/> Hier haſt du aus 10000 Briefen dieſe gelooſete, nicht gewählte. — Die<lb/> Stoll, bei der ich Montags war, hat ein treffendes mit Gedanken<lb/> und Empfindungen und ſelber mit Reizen gefültes Geſicht, dem der<lb n="10"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd3_9">[9]</ref></note>Tod eines Dreiwochenkindes die Farbe nahm. Vielleicht die Trauer<lb/> — das Leſen deines Briefs <hi rendition="#g">nach</hi> meinem Abgang — ihr Neid um<lb/> deine Liebe — machten meine Aufnahme ſo kalt, daß ich, ohne ihren<lb/> eignen Zuruf, nicht wieder komme. Der Man und ein Kaufmans —<lb/> Menſch und eine Kauffrau waren mit da. — Platnern fand ich zwar<lb n="15"/> wohlwollend gegen mich, aber ſeinen Körper ſo ſteif wie ſeinen<lb/> Kathederton, ſein Herz eitel und untheilnehmend — vom Lehrer der<lb/> Jugend erwartet man in der Mänlichkeit noch den Stralenreif, der<lb/> nicht aus ihrem ſondern aus unſerm Kopfe kam. Er wolte mich durchaus<lb/> zu einer ſatiriſchen Kantianade<note place="foot" n="*)">Doch [hat] er Kanten oft halb vergeſſen: z. B. anfangs ſtuzte [er] (und be-<lb/> jahete es ſpäter) da ich ſagte, daß Kant ſogar die mathematiſchen Wahrheiten für<lb/> möglich irrige Säze bei andern Weſen erklärt. Übrigens hatt’ ich bei ihm eine<lb/> geiſtreiche frohe Stunde.</note> bereden: die Kantianer ärgern ihn<lb n="20"/> ſonſt ins Grab. Ich beſuch ihn bald wieder. — Recht fröhlich war ich<lb/> geſtern bis um 12 Uhr bei <hi rendition="#aq">Mad.</hi> Feind und deren naiven Töchtern: in<lb/> 3 Minuten ſas ich mit der Familie im Neſt eingewohnt als wär ich<lb/> darin mit ausgebrütet worden. — Das ſind kaum die Kartons, die<lb/> ich einmal bei dir mit der Zunge zu Deckenſtücken ausmalen wil oder<lb n="25"/> zu Doſenſtücken.</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#g">Sonabends.</hi> </hi> </dateline><lb/> <p>Ich danke dir für deine ſcharfſinnigen Noten und Fragen, die theils<lb/> der Plan, theils die ſchon entworfnen theils künftige Änderungen<lb/> beantworten. Eine davon machte mir auch die <hi rendition="#aq">Berlepsch.</hi> — Wielands<lb n="30"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0013]
8. An Sophie von Brüningk in Hohenberg.
[Leipzig, 15. Nov. 1797]
Mein Name iſt mein vorlaufender Quartiermeiſter geweſen — die
ſüſſen Haus(Chokolade)tafeln.
9. An Friedrich von Oertel in Belgershain. 5
Leipzig d. 17 Nov. 〈Bustags〉 97 [Freitag].
Mein Oertel! ſo ſag ich’ der geliebten Stimme um dich willig nach.
Hier haſt du aus 10000 Briefen dieſe gelooſete, nicht gewählte. — Die
Stoll, bei der ich Montags war, hat ein treffendes mit Gedanken
und Empfindungen und ſelber mit Reizen gefültes Geſicht, dem der 10
Tod eines Dreiwochenkindes die Farbe nahm. Vielleicht die Trauer
— das Leſen deines Briefs nach meinem Abgang — ihr Neid um
deine Liebe — machten meine Aufnahme ſo kalt, daß ich, ohne ihren
eignen Zuruf, nicht wieder komme. Der Man und ein Kaufmans —
Menſch und eine Kauffrau waren mit da. — Platnern fand ich zwar 15
wohlwollend gegen mich, aber ſeinen Körper ſo ſteif wie ſeinen
Kathederton, ſein Herz eitel und untheilnehmend — vom Lehrer der
Jugend erwartet man in der Mänlichkeit noch den Stralenreif, der
nicht aus ihrem ſondern aus unſerm Kopfe kam. Er wolte mich durchaus
zu einer ſatiriſchen Kantianade *) bereden: die Kantianer ärgern ihn 20
ſonſt ins Grab. Ich beſuch ihn bald wieder. — Recht fröhlich war ich
geſtern bis um 12 Uhr bei Mad. Feind und deren naiven Töchtern: in
3 Minuten ſas ich mit der Familie im Neſt eingewohnt als wär ich
darin mit ausgebrütet worden. — Das ſind kaum die Kartons, die
ich einmal bei dir mit der Zunge zu Deckenſtücken ausmalen wil oder 25
zu Doſenſtücken.
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Sonabends.
Ich danke dir für deine ſcharfſinnigen Noten und Fragen, die theils
der Plan, theils die ſchon entworfnen theils künftige Änderungen
beantworten. Eine davon machte mir auch die Berlepsch. — Wielands 30
*) Doch [hat] er Kanten oft halb vergeſſen: z. B. anfangs ſtuzte [er] (und be-
jahete es ſpäter) da ich ſagte, daß Kant ſogar die mathematiſchen Wahrheiten für
möglich irrige Säze bei andern Weſen erklärt. Übrigens hatt’ ich bei ihm eine
geiſtreiche frohe Stunde.
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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