Menschen, der den Fus auf dieser Welt, und Kopf und Brust in der andern hat -- sein Wiegen der Arme, wenn ihn Gesang und Musik auflösen, und sein trunknes schwimmendes Auge -- sein Erfassen aller Zweige des Baumes der Erkentnis -- wiewohl er nur Massen, nicht Theile ergreift und stat des Baumes den Boden schüttelt, worauf5 dieser steht. Ich habe schon oft abends mit Thränen Abschied ge- nommen; und er liebt mich gewis. -- Er schreibt nächstens eine Metakritik Kants, der sich, wie er sagt, vor Haman tief gebogen haben sol.
Apropos ich war auch bei Goethe, der mich mit ganz stärkerer Ver-10 bindlichkeit und Freundlichkeit aufnahm als das erstemal: ich war dafür freier, kühner und weniger vol Liebe und darum in mich gegründeter. Er fragte mich nach der Art meiner Arbeiten, weil es völlig seinen Kreis überschreite, -- wie mir Fichte gefallen. Auf lezteres: "es ist der gröste neue Scholastiker -- zum Poeten wird man geboren, aber15 zum Philosophen kan man sich machen, wenn man irgend eine Idee zur transzendenten fixen macht -- die Neuern machen das Licht zum Gegenstand, den es doch nur zeigen sol" -- Er wird nach 4 Monaten den Faust volenden; er sagt, "er könne 6 Monate seine Arbeit vor- "aussagen, weil er sich zu einer solchen Stimmung der Stimmung20 "durch geistliche und leibliche Diätetik vorbereite." -- Schiller säuft [103]6 Loth Kaffee auf 1 Tasse und braucht Malaga und alles -- nicht jeder ist in Kaffee so mässig als ich.
Auch bei der schönen, malenden und malerischen und dichterischen Imhof war ich, so bei Corona Schroeter -- Bei der Herzogin Mutter25 as ich einmal Mittags, die unbefangen ist und macht. Sie und ihre Hofdamen lesen meine Sachen; ich machte viel Spas über Schlegel und sie hätte gern, daß ich ernsthaft gegen ihn schriebe. --
Morgen ess ich bei dem zurükgekehrten Böttiger. Ich war bei Wieland das zweitemal und liebte sein leichtes spielendes, bescheidenes30 und doch selbstrühmendes Wesen immer mehr und sagte ihm die Ant- wort: ich würde nämlich im Winter, oft in 14 Tagen 1mal zu ihm kommen.
"Wie, was, wenn?" sagst du. Ich ziehe nämlich hieher, im Oktober. Daher besah ich Gotha gar nicht. Ich müste des Teufels und des35 Henkers sein, wenn ich in der plat getretenen Leipziger Gegend und unter sonst lieben Menschen, worunter ich aber bei keinem eine An-
Menſchen, der den Fus auf dieſer Welt, und Kopf und Bruſt in der andern hat — ſein Wiegen der Arme, wenn ihn Geſang und Muſik auflöſen, und ſein trunknes ſchwimmendes Auge — ſein Erfaſſen aller Zweige des Baumes der Erkentnis — wiewohl er nur Maſſen, nicht Theile ergreift und ſtat des Baumes den Boden ſchüttelt, worauf5 dieſer ſteht. Ich habe ſchon oft abends mit Thränen Abſchied ge- nommen; und er liebt mich gewis. — Er ſchreibt nächſtens eine Metakritik Kants, der ſich, wie er ſagt, vor Haman tief gebogen haben ſol.
Apropos ich war auch bei Goethe, der mich mit ganz ſtärkerer Ver-10 bindlichkeit und Freundlichkeit aufnahm als das erſtemal: ich war dafür freier, kühner und weniger vol Liebe und darum in mich gegründeter. Er fragte mich nach der Art meiner Arbeiten, weil es völlig ſeinen Kreis überſchreite, — wie mir Fichte gefallen. Auf lezteres: „es iſt der gröſte neue Scholaſtiker — zum Poeten wird man geboren, aber15 zum Philoſophen kan man ſich machen, wenn man irgend eine Idee zur transzendenten fixen macht — die Neuern machen das Licht zum Gegenſtand, den es doch nur zeigen ſol“ — Er wird nach 4 Monaten den Fauſt volenden; er ſagt, „er könne 6 Monate ſeine Arbeit vor- „ausſagen, weil er ſich zu einer ſolchen Stimmung der Stimmung20 „durch geiſtliche und leibliche Diätetik vorbereite.“ — Schiller ſäuft [103]6 Loth Kaffee auf 1 Taſſe und braucht Malaga und alles — nicht jeder iſt in Kaffee ſo mäſſig als ich.
Auch bei der ſchönen, malenden und maleriſchen und dichteriſchen Imhof war ich, ſo bei Corona Schroeter — Bei der Herzogin Mutter25 as ich einmal Mittags, die unbefangen iſt und macht. Sie und ihre Hofdamen leſen meine Sachen; ich machte viel Spas über Schlegel und ſie hätte gern, daß ich ernſthaft gegen ihn ſchriebe. —
Morgen eſſ ich bei dem zurükgekehrten Böttiger. Ich war bei Wieland das zweitemal und liebte ſein leichtes ſpielendes, beſcheidenes30 und doch ſelbſtrühmendes Weſen immer mehr und ſagte ihm die Ant- wort: ich würde nämlich im Winter, oft in 14 Tagen 1mal zu ihm kommen.
„Wie, was, wenn?“ ſagſt du. Ich ziehe nämlich hieher, im Oktober. Daher beſah ich Gotha gar nicht. Ich müſte des Teufels und des35 Henkers ſein, wenn ich in der plat getretenen Leipziger Gegend und unter ſonſt lieben Menſchen, worunter ich aber bei keinem eine An-
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Menſchen, der den Fus auf dieſer Welt, und Kopf und Bruſt in der
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Zweige des Baumes der Erkentnis — wiewohl er nur Maſſen, nicht
Theile ergreift und ſtat des Baumes den Boden ſchüttelt, worauf 5
dieſer ſteht. Ich habe ſchon oft abends mit Thränen Abſchied ge-
nommen; und er liebt mich gewis. — Er ſchreibt nächſtens eine
Metakritik Kants, der ſich, wie er ſagt, vor Haman tief gebogen haben
ſol.
Apropos ich war auch bei Goethe, der mich mit ganz ſtärkerer Ver- 10
bindlichkeit und Freundlichkeit aufnahm als das erſtemal: ich war dafür
freier, kühner und weniger vol Liebe und darum in mich gegründeter.
Er fragte mich nach der Art meiner Arbeiten, weil es völlig ſeinen
Kreis überſchreite, — wie mir Fichte gefallen. Auf lezteres: „es iſt
der gröſte neue Scholaſtiker — zum Poeten wird man geboren, aber 15
zum Philoſophen kan man ſich machen, wenn man irgend eine Idee
zur transzendenten fixen macht — die Neuern machen das Licht zum
Gegenſtand, den es doch nur zeigen ſol“ — Er wird nach 4 Monaten
den Fauſt volenden; er ſagt, „er könne 6 Monate ſeine Arbeit vor-
„ausſagen, weil er ſich zu einer ſolchen Stimmung der Stimmung 20
„durch geiſtliche und leibliche Diätetik vorbereite.“ — Schiller ſäuft
6 Loth Kaffee auf 1 Taſſe und braucht Malaga und alles — nicht
jeder iſt in Kaffee ſo mäſſig als ich.
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Auch bei der ſchönen, malenden und maleriſchen und dichteriſchen
Imhof war ich, ſo bei Corona Schroeter — Bei der Herzogin Mutter 25
as ich einmal Mittags, die unbefangen iſt und macht. Sie und
ihre Hofdamen leſen meine Sachen; ich machte viel Spas über
Schlegel und ſie hätte gern, daß ich ernſthaft gegen ihn ſchriebe. —
Morgen eſſ ich bei dem zurükgekehrten Böttiger. Ich war bei
Wieland das zweitemal und liebte ſein leichtes ſpielendes, beſcheidenes 30
und doch ſelbſtrühmendes Weſen immer mehr und ſagte ihm die Ant-
wort: ich würde nämlich im Winter, oft in 14 Tagen 1mal zu ihm
kommen.
„Wie, was, wenn?“ ſagſt du. Ich ziehe nämlich hieher, im Oktober.
Daher beſah ich Gotha gar nicht. Ich müſte des Teufels und des 35
Henkers ſein, wenn ich in der plat getretenen Leipziger Gegend und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/103>, abgerufen am 09.11.2024.
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