Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958."und brennend und verstummend reden." -- O jedes Zeichen der An- -- -- Ich habe mich in Flammen geschrieben über Dinge, wo ich5 Richter *103. An Matzdorff. Hof. d. 27 Apr. 95.15Theuerster Freund! Sie werden dieses Blätgen später bekommen, aber auch von bessern Wenn Sie den kleinen Briefträger hier vor Ihnen kenten, so braucht' Das wars, was ich Ihnen zu erzählen hatte; -- was ich Sie zu bitten Ich mus aufhören; eine Turteltaube, die auf meinem Tische herum-35 „und brennend und verſtummend reden.“ — O jedes Zeichen der An- — — Ich habe mich in Flammen geſchrieben über Dinge, wo ich5 Richter *103. An Matzdorff. Hof. d. 27 Apr. 95.15Theuerſter Freund! Sie werden dieſes Blätgen ſpäter bekommen, aber auch von beſſern Wenn Sie den kleinen Briefträger hier vor Ihnen kenten, ſo braucht’ Das wars, was ich Ihnen zu erzählen hatte; — was ich Sie zu bitten Ich mus aufhören; eine Turteltaube, die auf meinem Tiſche herum-35 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" n="79"/> „und brennend und verſtummend reden.“ — O jedes Zeichen der An-<lb/> dacht iſt ehrwürdig, unter jedem Volk — wir haben alle daſſelbe Herz<lb/> und denſelben Gott, und unſere kleinen Verſchiedenheiten ſind gewislich<lb/> dieſem ewigen Geiſte nur — Aehnlichkeiten.</p><lb/> <p>— — Ich habe mich in Flammen geſchrieben über Dinge, wo ich<lb n="5"/> ſtat Zeilen Bogen brauchte, wie über mehrere Dinge Ihres lieblichen<lb/> Briefes. Leben Sie wol, liebe tugendhafte Seele! — Ich werde jezt zu<lb/> unſerer ſanften Freundin R[enate] gehen und ſie fragen: „ſol ich denn<lb/> „keinen Grus von Ihnen an unſern Liebling mitſchreiben“ und ſie wird<lb/> mit froh-ſchimmernden Augen ſagen: „Richter, alle meine Grüſſe ſind<lb n="10"/> „ſchon in Ihrem Herzen und ſchicken Sie ſie nur alle hinaus.“ — Und<lb/> da ſind ſie! —</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute> </closer> </div> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>*103. An <hi rendition="#g">Matzdorff.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof. d. 27 Apr.</hi> 95.</hi> </dateline> <lb n="15"/> <opener> <salute> <hi rendition="#et">Theuerſter Freund!</hi> </salute> </opener><lb/> <p>Sie werden dieſes Blätgen ſpäter bekommen, aber auch von beſſern<lb/> Händen als den gemietheten Poſthänden.</p><lb/> <p>Wenn Sie den kleinen Briefträger hier vor Ihnen kenten, ſo braucht’<lb/> ich — kein Wort mehr. Seinetwegen plag’ ich Sie. Sie wiſſen nämlich<lb n="20"/> noch nicht, daß er ein beſcheidener, ſtiller Jüngling vol Blütenknoſpen<lb/> iſt — daß er Weimar verlaſſen hat, um in Berlin einen Fechtboden der<note place="right"><ref target="1922_Bd2_73">[73]</ref></note><lb/> geiſtigen Uebungen, und ein Zuckerfeld der geiſtigen Koſt zu finden —<lb/> daß er eben ſo viel Gefühl und Wiz als Blatternarben hat, und daß ihm<lb/> weiter nichts fehlt als — Geld. Er war oft bei mir und an meinem<lb n="25"/> Barte (er iſt ein chirurgiſcher Kadet), und ich ſchnit oft (während er die<lb/> Fechſer meines Kinnes wegnahm) mit meinem Federmeſſer manche<lb/> Waſſerſchöslinge dieſes guten Gewächſes ab und pelzte beſſere darauf.</p><lb/> <p>Das wars, was ich Ihnen zu erzählen hatte; — was ich Sie zu bitten<lb/> habe, iſt, daß Sie dem guten, den Aeſten ſeines Neſtes kaum entflogenen<lb n="30"/> Jüngling etwan eine gute d. h. lehrreiche Kondizion anweiſen oder vor-<lb/> ſchlagen, oder daß Sie gar meine Empfehlung in Ihre verwandeln<lb/> mögen. Ich bin gewis, Sie werden es meiner Menſchenliebe nicht ver-<lb/> argen, daß ſie die Ihrige ins Spiel gezogen. — —</p><lb/> <p>Ich mus aufhören; eine Turteltaube, die auf meinem Tiſche herum-<lb n="35"/> laufen darf, ſchreitet auf dieſem Briefe auf und ab und pikt nach dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0088]
„und brennend und verſtummend reden.“ — O jedes Zeichen der An-
dacht iſt ehrwürdig, unter jedem Volk — wir haben alle daſſelbe Herz
und denſelben Gott, und unſere kleinen Verſchiedenheiten ſind gewislich
dieſem ewigen Geiſte nur — Aehnlichkeiten.
— — Ich habe mich in Flammen geſchrieben über Dinge, wo ich 5
ſtat Zeilen Bogen brauchte, wie über mehrere Dinge Ihres lieblichen
Briefes. Leben Sie wol, liebe tugendhafte Seele! — Ich werde jezt zu
unſerer ſanften Freundin R[enate] gehen und ſie fragen: „ſol ich denn
„keinen Grus von Ihnen an unſern Liebling mitſchreiben“ und ſie wird
mit froh-ſchimmernden Augen ſagen: „Richter, alle meine Grüſſe ſind 10
„ſchon in Ihrem Herzen und ſchicken Sie ſie nur alle hinaus.“ — Und
da ſind ſie! —
Richter
*103. An Matzdorff.
Hof. d. 27 Apr. 95. 15
Theuerſter Freund!
Sie werden dieſes Blätgen ſpäter bekommen, aber auch von beſſern
Händen als den gemietheten Poſthänden.
Wenn Sie den kleinen Briefträger hier vor Ihnen kenten, ſo braucht’
ich — kein Wort mehr. Seinetwegen plag’ ich Sie. Sie wiſſen nämlich 20
noch nicht, daß er ein beſcheidener, ſtiller Jüngling vol Blütenknoſpen
iſt — daß er Weimar verlaſſen hat, um in Berlin einen Fechtboden der
geiſtigen Uebungen, und ein Zuckerfeld der geiſtigen Koſt zu finden —
daß er eben ſo viel Gefühl und Wiz als Blatternarben hat, und daß ihm
weiter nichts fehlt als — Geld. Er war oft bei mir und an meinem 25
Barte (er iſt ein chirurgiſcher Kadet), und ich ſchnit oft (während er die
Fechſer meines Kinnes wegnahm) mit meinem Federmeſſer manche
Waſſerſchöslinge dieſes guten Gewächſes ab und pelzte beſſere darauf.
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Das wars, was ich Ihnen zu erzählen hatte; — was ich Sie zu bitten
habe, iſt, daß Sie dem guten, den Aeſten ſeines Neſtes kaum entflogenen 30
Jüngling etwan eine gute d. h. lehrreiche Kondizion anweiſen oder vor-
ſchlagen, oder daß Sie gar meine Empfehlung in Ihre verwandeln
mögen. Ich bin gewis, Sie werden es meiner Menſchenliebe nicht ver-
argen, daß ſie die Ihrige ins Spiel gezogen. — —
Ich mus aufhören; eine Turteltaube, die auf meinem Tiſche herum- 35
laufen darf, ſchreitet auf dieſem Briefe auf und ab und pikt nach dem
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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