Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.bisherigen mündlichen, oder heutigen schriftlichen Klagen schreiben, Gieb mir blos "die Magie der Phantasie" bald, beurtheilet, zurük:25 R. 83. An Christian Otto. [Hof, 29. März 1795. Sonntag]Ich wünsche, daß du eben so lustig als spät zurükgekommen -- Schicke30 5 Jean Paul Briefe. II.
bisherigen mündlichen, oder heutigen ſchriftlichen Klagen ſchreiben, Gieb mir blos „die Magie der Phantaſie“ bald, beurtheilet, zurük:25 R. 83. An Chriſtian Otto. [Hof, 29. März 1795. Sonntag]Ich wünſche, daß du eben ſo luſtig als ſpät zurükgekommen — Schicke30 5 Jean Paul Briefe. II.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="65"/> bisherigen mündlichen, oder heutigen ſchriftlichen Klagen ſchreiben,<lb/> die du alle leicht erräthſt; aber da alle dieſe Drückungen ſtündlich wachſen<lb/> und da ſie wenig mehr hat als das, was ſie <hi rendition="#g">über</hi> der Thürſchwelle<lb/> drauſſen findet und da ihr auch das genommen werden ſol, ſobald ihre<lb/> Beſuche nicht mehr durch deine erwiedert werden: ſo darf ich dir wol<lb n="5"/> die ganze Sache vorſtellen, damit du nämlich nur <hi rendition="#g">Einmal</hi> hinunter-<lb/> geheſt. Dein Verſchwinden mus ſie mit Vorwürfen büſſen: denn auf<lb/> eine auch nur von weitem erträgliche 〈vernünftige〉 Interpretazion<lb/> deiner Abweſenheit rechne drunten nicht. Du kanſt ja immer die<lb/> Zwiſchenräume deiner Beſuche weiter machen. Ich geſtehe dir gern<lb n="10"/> den ſchwülen Gewitterdruk, den du wenn du dieſe Woche hinunter-<lb/> geheſt, auf dich nehmen muſt; aber liegt er denn auf einer andern Perſon<lb/> nicht noch viel ſchwerer? Und wilſt du denn nicht mit 2 verſäuerten<lb/> Stunden 2, 3 bittere Wochen von ſchwächern, ſiechenden Menſchen ab-<lb/> wenden? — Du wirſt doch in 3 Wochen 3 Stunden zu verlieren haben,<lb n="15"/> die du auf keine moraliſchere Art verwenden kanſt als zu dieſer Auf-<lb/> opferung? — Ich ſchor mich geſtern den Henker um alles und um-<lb/> ſchlos mein Ich mit meinem Bewuſtſein und lies den Alten in der Strafe<lb/> des ſeinigen ſtehen. Du kanſt mir glauben, es iſt mir eben ſo peinlich,<note place="right"><ref target="1922_Bd2_58">[58]</ref></note><lb/><hi rendition="#g">mit</hi> dir hinunterzugehen, weil ich mich in dich hineinfühle; ich thue es<lb n="20"/> aber doch gern. — Erfülleſt du meine fragende Bitte nicht: ſo haſt du<lb/> andere Urſachen als ich beſtreite und du kanſt kühn, im Vertrauen auf<lb/> meinen Glauben an deine Berechtigung, gänzlich darüber ſchweigen;<lb/> du kanſt mir nichts ſagen, was ich nicht vorausſeze. — Verzeihs fein.</p><lb/> <p>Gieb mir blos „die Magie der Phantaſie“ bald, beurtheilet, zurük:<lb n="25"/> ich arbeite ſie um. Gute Nacht.</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">R.</hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>83. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 29. März 1795. Sonntag]</hi> </dateline><lb/> <p>Ich wünſche, daß du eben ſo luſtig als ſpät zurükgekommen — Schicke<lb n="30"/> mir doch das Program vom Rektor, das mir die Einzugspredigt des<lb/> Spitaleſeleins erſezen ſol. — Lieb wäre mirs — weil mir ſonſt die<lb/> Pracht mit Hoſen und Weſten vergeblich in den Käſten liegt — wenn<lb/> du mir, fals es dich nicht geniert, nach einigen Stunden oder wenn du<lb/> wilſt, 2 Paar rechte gute Strümpfe ſchickeſt, die die Fortſezung des<lb n="35"/> Schimmers des übrigen Torſo ſein müſſen. Wähle <hi rendition="#g">du</hi> ſie für mich.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="sig">5 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">II.</hi></fw><lb/> </body> </text> </TEI> [65/0074]
bisherigen mündlichen, oder heutigen ſchriftlichen Klagen ſchreiben,
die du alle leicht erräthſt; aber da alle dieſe Drückungen ſtündlich wachſen
und da ſie wenig mehr hat als das, was ſie über der Thürſchwelle
drauſſen findet und da ihr auch das genommen werden ſol, ſobald ihre
Beſuche nicht mehr durch deine erwiedert werden: ſo darf ich dir wol 5
die ganze Sache vorſtellen, damit du nämlich nur Einmal hinunter-
geheſt. Dein Verſchwinden mus ſie mit Vorwürfen büſſen: denn auf
eine auch nur von weitem erträgliche 〈vernünftige〉 Interpretazion
deiner Abweſenheit rechne drunten nicht. Du kanſt ja immer die
Zwiſchenräume deiner Beſuche weiter machen. Ich geſtehe dir gern 10
den ſchwülen Gewitterdruk, den du wenn du dieſe Woche hinunter-
geheſt, auf dich nehmen muſt; aber liegt er denn auf einer andern Perſon
nicht noch viel ſchwerer? Und wilſt du denn nicht mit 2 verſäuerten
Stunden 2, 3 bittere Wochen von ſchwächern, ſiechenden Menſchen ab-
wenden? — Du wirſt doch in 3 Wochen 3 Stunden zu verlieren haben, 15
die du auf keine moraliſchere Art verwenden kanſt als zu dieſer Auf-
opferung? — Ich ſchor mich geſtern den Henker um alles und um-
ſchlos mein Ich mit meinem Bewuſtſein und lies den Alten in der Strafe
des ſeinigen ſtehen. Du kanſt mir glauben, es iſt mir eben ſo peinlich,
mit dir hinunterzugehen, weil ich mich in dich hineinfühle; ich thue es 20
aber doch gern. — Erfülleſt du meine fragende Bitte nicht: ſo haſt du
andere Urſachen als ich beſtreite und du kanſt kühn, im Vertrauen auf
meinen Glauben an deine Berechtigung, gänzlich darüber ſchweigen;
du kanſt mir nichts ſagen, was ich nicht vorausſeze. — Verzeihs fein.
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Gieb mir blos „die Magie der Phantaſie“ bald, beurtheilet, zurük: 25
ich arbeite ſie um. Gute Nacht.
R.
83. An Chriſtian Otto.
[Hof, 29. März 1795. Sonntag]
Ich wünſche, daß du eben ſo luſtig als ſpät zurükgekommen — Schicke 30
mir doch das Program vom Rektor, das mir die Einzugspredigt des
Spitaleſeleins erſezen ſol. — Lieb wäre mirs — weil mir ſonſt die
Pracht mit Hoſen und Weſten vergeblich in den Käſten liegt — wenn
du mir, fals es dich nicht geniert, nach einigen Stunden oder wenn du
wilſt, 2 Paar rechte gute Strümpfe ſchickeſt, die die Fortſezung des 35
Schimmers des übrigen Torſo ſein müſſen. Wähle du ſie für mich.
5 Jean Paul Briefe. II.
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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