Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.Deinem Briefe über Fixlein werd' ich als einer Kritik blos mit 78. An Renate Wirth.25 Ihr Brief, gute Freundin, ist für mich der Frühlingsanfang und ich 79. An Wernlein in Neustadt a. d. Aisch. [Kopie][Hof, 22. März 1795. Sonntag]Den Wernlein änderst du nicht, er spasset selbst über seine Brief- Deinem Briefe über Fixlein werd’ ich als einer Kritik blos mit 78. An Renate Wirth.25 Ihr Brief, gute Freundin, iſt für mich der Frühlingsanfang und ich 79. An Wernlein in Neuſtadt a. d. Aiſch. [Kopie][Hof, 22. März 1795. Sonntag]Den Wernlein änderſt du nicht, er ſpaſſet ſelbſt über ſeine Brief- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0070" n="61"/> <p>Deinem Briefe über Fixlein werd’ ich als einer Kritik blos mit<lb/> Veränderungen antworten, wiewol ich nicht überal deine Meinung<lb/> (oder vielmehr blos deine Schlüſſe daraus) adoptieren oder vielmehr<lb/> (was die Haupturſache iſt) realiſieren kan. Aber er iſt noch etwas<lb/> höhers: ich wolte, ich übergäbe ſogleich den erſten Eindruk — der bei<lb n="5"/> mir allezeit gegen den 2<hi rendition="#sup">ten</hi> wie Sonne gegen Mond, abſticht bei allen<lb/> möglichen Büchern — dem Papier, damit du deine Freude an meiner<lb/> hätteſt. Es iſt aber ein[e] eigne Empfindung, zugleich ins Gefühl des<lb/> eignen und fremden Werths die bittere Empfindung des fremden<lb/> Kummers zu gieſſen, mit der du durch eine reſignierende Ergebung nur<lb n="10"/> deſto tiefer einſchneideſt; — aber ich wüſte keinen Troſt — nicht für<lb/> den, der es leidet, ſondern für den, der es lieſet — wenn ich nicht gewis<lb/> wüſte, daß einige Menſchen zu gut ſind, um unglüklich zu ſein — daß<lb/> ſie entweder poetiſche, oder feinere, oder träumende Schmerzen mit der<lb/> reiſſenden Gicht der armen andern Menſchen vermengen — daß in<lb n="15"/> einer Seele vol Licht, vol Wärme, vol tranſzendent[er] Hofnung, vol<lb/> Wahrheits-Sehnſucht nicht viel Plaz übrig bleibe für nur Eine<lb/> Wunde — und daß der, mein Lieber, der von Haus zu Haus geht und<lb/> immer nur <hi rendition="#g">Glüklichere</hi> findet, daß du mein Guter, deine ſtille Zu-<lb/> friedenheit eben ſo wenig tauſchen möchteſt wie deinen Werth. Irre<lb n="20"/> dich nicht durch Träume; es iſt aber das Schikſal des Menſchen, daß<lb/> das innere, ſelbſt erworbne Glük ſeine äuſſern Foderungen anſtat zu<lb/> mäſſigen erhöhet. Gute Nacht, mein Chriſtian, ſag mir alles was dir<note place="right"><ref target="1922_Bd2_55">[55]</ref></note><lb/> wehe thut, ſobald du denkſt, daß es dir dan leichter werde.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>78. An <hi rendition="#g">Renate Wirth.</hi><lb n="25"/> </head> <p>Ihr Brief, gute Freundin, iſt für mich der Frühlingsanfang und ich<lb/> konte die ſchönen bunten Geſchöpfe, die man ans Herz legt, nicht<lb/> ſchöner empfangen als von der theuern Perſon, die ihm ſo nahe iſt. —<lb/> Wir bleiben beiſammen und die Zeit, die Menſchen trent, nähert uns<lb/> einander nur und jede Stufe unſerer Veredlung wird eine neue Stufe<lb n="30"/> unſrer Freundſchaft werden.<date><hi rendition="#sameLine">[Hof] d. 21. März 1795.</hi></date></p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>79. An <hi rendition="#g">Wernlein in Neuſtadt a. d. Aiſch.</hi></head><lb/> <note type="editorial">[Kopie]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 22. März 1795. Sonntag]</hi> </dateline><lb/> <p>Den Wernlein änderſt du nicht, er ſpaſſet ſelbſt über ſeine Brief-<lb/> Ai-heit 〈Faulthierheit〉 um abzuwenden, daß andere Leute nicht dar-<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0070]
Deinem Briefe über Fixlein werd’ ich als einer Kritik blos mit
Veränderungen antworten, wiewol ich nicht überal deine Meinung
(oder vielmehr blos deine Schlüſſe daraus) adoptieren oder vielmehr
(was die Haupturſache iſt) realiſieren kan. Aber er iſt noch etwas
höhers: ich wolte, ich übergäbe ſogleich den erſten Eindruk — der bei 5
mir allezeit gegen den 2ten wie Sonne gegen Mond, abſticht bei allen
möglichen Büchern — dem Papier, damit du deine Freude an meiner
hätteſt. Es iſt aber ein[e] eigne Empfindung, zugleich ins Gefühl des
eignen und fremden Werths die bittere Empfindung des fremden
Kummers zu gieſſen, mit der du durch eine reſignierende Ergebung nur 10
deſto tiefer einſchneideſt; — aber ich wüſte keinen Troſt — nicht für
den, der es leidet, ſondern für den, der es lieſet — wenn ich nicht gewis
wüſte, daß einige Menſchen zu gut ſind, um unglüklich zu ſein — daß
ſie entweder poetiſche, oder feinere, oder träumende Schmerzen mit der
reiſſenden Gicht der armen andern Menſchen vermengen — daß in 15
einer Seele vol Licht, vol Wärme, vol tranſzendent[er] Hofnung, vol
Wahrheits-Sehnſucht nicht viel Plaz übrig bleibe für nur Eine
Wunde — und daß der, mein Lieber, der von Haus zu Haus geht und
immer nur Glüklichere findet, daß du mein Guter, deine ſtille Zu-
friedenheit eben ſo wenig tauſchen möchteſt wie deinen Werth. Irre 20
dich nicht durch Träume; es iſt aber das Schikſal des Menſchen, daß
das innere, ſelbſt erworbne Glük ſeine äuſſern Foderungen anſtat zu
mäſſigen erhöhet. Gute Nacht, mein Chriſtian, ſag mir alles was dir
wehe thut, ſobald du denkſt, daß es dir dan leichter werde.
[55]
78. An Renate Wirth. 25
Ihr Brief, gute Freundin, iſt für mich der Frühlingsanfang und ich
konte die ſchönen bunten Geſchöpfe, die man ans Herz legt, nicht
ſchöner empfangen als von der theuern Perſon, die ihm ſo nahe iſt. —
Wir bleiben beiſammen und die Zeit, die Menſchen trent, nähert uns
einander nur und jede Stufe unſerer Veredlung wird eine neue Stufe 30
unſrer Freundſchaft werden.[Hof] d. 21. März 1795.
79. An Wernlein in Neuſtadt a. d. Aiſch.
[Hof, 22. März 1795. Sonntag]
Den Wernlein änderſt du nicht, er ſpaſſet ſelbſt über ſeine Brief-
Ai-heit 〈Faulthierheit〉 um abzuwenden, daß andere Leute nicht dar- 35
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |