Cette langue est mon cachet, parceque je me defie des filles qui portent ce billet. Je n'aurai pas le plaisir de Vous voir parceque -- -- votre Soeur Vous le dira.5
51. An Renate Wirth.
[Hof, 1794? 1795?]
Ich wäre beinahe eher gekommen als die Nelke: denn heute abends komm' ich eine Stunde vor dem Gewitter. Ich möchte riechen und schreiben und danken zugleich. Ich wil nur das leztere thun. Leben Sie10 recht wol. Guter Mond! wenn scheinest du wieder?
Ihr Freund Richter
*52. In Amöne Herolds Tagebuch.
Hof d. 8 Jenn. 1795.15
Wenn nach 60, 70 Jahren -- weil das Blat, aus unsern Kleidern gemacht, doch länger dauert als die, die sie tragen -- irgend ein fremdes[38] Auge auf diese fremde Hand zu einer Zeit stösset, wo wir doch alle in unserm eignen Staube schlafen nicht mit zugedrükten, sondern aus- gehölten Augen, und wenn der Leser fraget, wer der Fremde ist: so20 sag ich ihm's hier: es war der warme zu sehr gerührte Freund der edlen Seele, deren magischer Wiederschein auf den vorigen Blättern sein Herz so sanft wie Abendroth bewegte -- es war Ihr Freund, Amöne, der's immer war und immer bleibt. Aber ich wünsche Ihnen nichts -- das grosse, stille, nicht blos Menschen- sondern Welten-25 freundliche Schiksal, das mit den kurzen Linien unsers kleinen Lebens die Zeichnung der grossen Welten-Zukunft macht, kan wol unsere engen Wünsche für fremde Freuden weder stillen noch billigen, die wir täglich thun, da wir doch wissen, daß [gerade der Schmerz im Menschen das Edlere wie] ein Erdbeben die Berge hervorhebt, und30 daß wir die Töne der zweiten Welt nicht im Lust-Getümmel, sondern in der dunkeln Stille des Grams vernehmen, wie die Mundharmonika sich am schönsten ohne Lichter in der Finsternis an unsere ungetheilte Seele legt. -- --
50. An Renate Wirth.
[Hof, 1794? 1795?]
Cette langue est mon cachet, parceque je me defie des filles qui portent ce billet. Je n’aurai pas le plaisir de Vous voir parceque — — votre Soeur Vous le dira.5
51. An Renate Wirth.
[Hof, 1794? 1795?]
Ich wäre beinahe eher gekommen als die Nelke: denn heute abends komm’ ich eine Stunde vor dem Gewitter. Ich möchte riechen und ſchreiben und danken zugleich. Ich wil nur das leztere thun. Leben Sie10 recht wol. Guter Mond! wenn ſcheineſt du wieder?
Ihr Freund Richter
*52. In Amöne Herolds Tagebuch.
Hof d. 8 Jenn. 1795.15
Wenn nach 60, 70 Jahren — weil das Blat, aus unſern Kleidern gemacht, doch länger dauert als die, die ſie tragen — irgend ein fremdes[38] Auge auf dieſe fremde Hand zu einer Zeit ſtöſſet, wo wir doch alle in unſerm eignen Staube ſchlafen nicht mit zugedrükten, ſondern aus- gehölten Augen, und wenn der Leſer fraget, wer der Fremde iſt: ſo20 ſag ich ihm’s hier: es war der warme zu ſehr gerührte Freund der edlen Seele, deren magiſcher Wiederſchein auf den vorigen Blättern ſein Herz ſo ſanft wie Abendroth bewegte — es war Ihr Freund, Amöne, der’s immer war und immer bleibt. Aber ich wünſche Ihnen nichts — das groſſe, ſtille, nicht blos Menſchen- ſondern Welten-25 freundliche Schikſal, das mit den kurzen Linien unſers kleinen Lebens die Zeichnung der groſſen Welten-Zukunft macht, kan wol unſere engen Wünſche für fremde Freuden weder ſtillen noch billigen, die wir täglich thun, da wir doch wiſſen, daß [gerade der Schmerz im Menſchen das Edlere wie] ein Erdbeben die Berge hervorhebt, und30 daß wir die Töne der zweiten Welt nicht im Luſt-Getümmel, ſondern in der dunkeln Stille des Grams vernehmen, wie die Mundharmonika ſich am ſchönſten ohne Lichter in der Finſternis an unſere ungetheilte Seele legt. — —
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50. An Renate Wirth.
[Hof, 1794? 1795?]
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portent ce billet. Je n’aurai pas le plaisir de Vous voir parceque
— — votre Soeur Vous le dira. 5
51. An Renate Wirth.
[Hof, 1794? 1795?]
Ich wäre beinahe eher gekommen als die Nelke: denn heute abends
komm’ ich eine Stunde vor dem Gewitter. Ich möchte riechen und
ſchreiben und danken zugleich. Ich wil nur das leztere thun. Leben Sie 10
recht wol. Guter Mond! wenn ſcheineſt du wieder?
Ihr
Freund Richter
*52. In Amöne Herolds Tagebuch.
Hof d. 8 Jenn. 1795. 15
Wenn nach 60, 70 Jahren — weil das Blat, aus unſern Kleidern
gemacht, doch länger dauert als die, die ſie tragen — irgend ein fremdes
Auge auf dieſe fremde Hand zu einer Zeit ſtöſſet, wo wir doch alle in
unſerm eignen Staube ſchlafen nicht mit zugedrükten, ſondern aus-
gehölten Augen, und wenn der Leſer fraget, wer der Fremde iſt: ſo 20
ſag ich ihm’s hier: es war der warme zu ſehr gerührte Freund der
edlen Seele, deren magiſcher Wiederſchein auf den vorigen Blättern
ſein Herz ſo ſanft wie Abendroth bewegte — es war Ihr Freund,
Amöne, der’s immer war und immer bleibt. Aber ich wünſche Ihnen
nichts — das groſſe, ſtille, nicht blos Menſchen- ſondern Welten- 25
freundliche Schikſal, das mit den kurzen Linien unſers kleinen Lebens
die Zeichnung der groſſen Welten-Zukunft macht, kan wol unſere
engen Wünſche für fremde Freuden weder ſtillen noch billigen, die
wir täglich thun, da wir doch wiſſen, daß [gerade der Schmerz im
Menſchen das Edlere wie] ein Erdbeben die Berge hervorhebt, und 30
daß wir die Töne der zweiten Welt nicht im Luſt-Getümmel, ſondern
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ſich am ſchönſten ohne Lichter in der Finſternis an unſere ungetheilte
Seele legt. — —
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/54>, abgerufen am 30.07.2024.
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