Verklärung durch Auferstehung gönnen, indem Sie blos gewisse irdische Theile in der Erde liessen. -- Nicht blos wegweisende, auch tragende Arme -- Kant ist ein Bayle, Jakobi [ein] Leibniz, jener hat mehr Dialektik, dieser mehr Meta-physik, jener macht uns sein unbekantes X für ein U des Realen vor, dieser giebt uns5 dieses. -- Nicht dem Werthe des Gesangs, sondern des Gegenstandes must' er [Schiller] die Stelle Ihrer andern Gedichte versagen. -- Nicht bei sondern aus mir herausgekomme Werke. -- Meine Seele schlingt sich jezt mit Armen und Flügeln an den Titan an, der wenigstens typographisch einer ist: nun fühl' ich die Stösse des Erde-10 schifs nicht mehr und sehe nichts als das, was ich male. -- Mit dem Frühling fieng ich mich an. -- Im Wasser der elterlichen Thränen wird Ihnen der Stab, worauf Sie sich lehnen, gebrochen vor- kommen. Möge diese Seele -- da eine weibliche nicht wie wir den Bliz des Schmerzes durch Bücher ableitet -- sich an der festern Brust15 entladen und möge sie immer lang an Ihnen weinen, nur nicht so bitter.
655. An Christian Otto.
[Hof, 30. Juni 1797]
Ich danke dir sehr dafür. Was ich von dir brauchte, würd ich dich20 auch bitten. Jezt geb' ich ihr mit Wissen des D. Rheinwein. Meine Sache ist jezt, mehr für ihren Gaumen als Magen zu sorgen: denn ich errathe das Schiksal -- Kömst du abends mit Schiller zu Herold zum Essen wie ich?
656. An Christian Otto.[349]25
[Hof, 2. Juli 1797. Sonntag]
Ich bitte dich, es nicht übel zu nehmen, daß ich darum nicht zum Essen komme, weil ich zu einem Doktor aus Jena, der mich gestern um 9 Uhr baarfus und mit <in> nichts als im Hemd und Überrok antraf, bei Puphka zum Essen sol. Ich lernt' ihn in Jena am schönsten Tage30 kennen und verstrit einen Abend mit ihm, weis aber nicht mehr, wie er sich schreibt.
Verklärung durch Auferſtehung gönnen, indem Sie blos gewiſſe irdiſche Theile in der Erde lieſſen. — Nicht blos wegweiſende, auch tragende Arme — Kant iſt ein Bayle, Jakobi [ein] Leibniz, jener hat mehr Dialektik, dieſer mehr Meta-phyſik, jener macht uns ſein unbekantes X für ein U des Realen vor, dieſer giebt uns5 dieſes. — Nicht dem Werthe des Geſangs, ſondern des Gegenſtandes muſt’ er [Schiller] die Stelle Ihrer andern Gedichte verſagen. — Nicht bei ſondern aus mir herausgekomme Werke. — Meine Seele ſchlingt ſich jezt mit Armen und Flügeln an den Titan an, der wenigſtens typographiſch einer iſt: nun fühl’ ich die Stöſſe des Erde-10 ſchifs nicht mehr und ſehe nichts als das, was ich male. — Mit dem Frühling fieng ich mich an. — Im Waſſer der elterlichen Thränen wird Ihnen der Stab, worauf Sie ſich lehnen, gebrochen vor- kommen. Möge dieſe Seele — da eine weibliche nicht wie wir den Bliz des Schmerzes durch Bücher ableitet — ſich an der feſtern Bruſt15 entladen und möge ſie immer lang an Ihnen weinen, nur nicht ſo bitter.
655. An Chriſtian Otto.
[Hof, 30. Juni 1797]
Ich danke dir ſehr dafür. Was ich von dir brauchte, würd ich dich20 auch bitten. Jezt geb’ ich ihr mit Wiſſen des D. Rheinwein. Meine Sache iſt jezt, mehr für ihren Gaumen als Magen zu ſorgen: denn ich errathe das Schikſal — Kömſt du abends mit Schiller zu Herold zum Eſſen wie ich?
656. An Chriſtian Otto.[349]25
[Hof, 2. Juli 1797. Sonntag]
Ich bitte dich, es nicht übel zu nehmen, daß ich darum nicht zum Eſſen komme, weil ich zu einem Doktor aus Jena, der mich geſtern um 9 Uhr baarfus und mit <in> nichts als im Hemd und Überrok antraf, bei Puphka zum Eſſen ſol. Ich lernt’ ihn in Jena am ſchönſten Tage30 kennen und verſtrit einen Abend mit ihm, weis aber nicht mehr, wie er ſich ſchreibt.
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[347/0363]
Verklärung durch Auferſtehung gönnen, indem Sie blos gewiſſe
irdiſche Theile in der Erde lieſſen. — Nicht blos wegweiſende, auch
tragende Arme — Kant iſt ein Bayle, Jakobi [ein] Leibniz, jener
hat mehr Dialektik, dieſer mehr Meta-phyſik, jener macht uns
ſein unbekantes X für ein U des Realen vor, dieſer giebt uns 5
dieſes. — Nicht dem Werthe des Geſangs, ſondern des Gegenſtandes
muſt’ er [Schiller] die Stelle Ihrer andern Gedichte verſagen. —
Nicht bei ſondern aus mir herausgekomme Werke. — Meine Seele
ſchlingt ſich jezt mit Armen und Flügeln an den Titan an, der
wenigſtens typographiſch einer iſt: nun fühl’ ich die Stöſſe des Erde- 10
ſchifs nicht mehr und ſehe nichts als das, was ich male. — Mit dem
Frühling fieng ich mich an. — Im Waſſer der elterlichen Thränen
wird Ihnen der Stab, worauf Sie ſich lehnen, gebrochen vor-
kommen. Möge dieſe Seele — da eine weibliche nicht wie wir den
Bliz des Schmerzes durch Bücher ableitet — ſich an der feſtern Bruſt 15
entladen und möge ſie immer lang an Ihnen weinen, nur nicht ſo
bitter.
655. An Chriſtian Otto.
[Hof, 30. Juni 1797]
Ich danke dir ſehr dafür. Was ich von dir brauchte, würd ich dich 20
auch bitten. Jezt geb’ ich ihr mit Wiſſen des D. Rheinwein. Meine
Sache iſt jezt, mehr für ihren Gaumen als Magen zu ſorgen: denn
ich errathe das Schikſal — Kömſt du abends mit Schiller zu Herold
zum Eſſen wie ich?
656. An Chriſtian Otto. 25
[Hof, 2. Juli 1797. Sonntag]
Ich bitte dich, es nicht übel zu nehmen, daß ich darum nicht zum
Eſſen komme, weil ich zu einem Doktor aus Jena, der mich geſtern um
9 Uhr baarfus und mit <in> nichts als im Hemd und Überrok antraf,
bei Puphka zum Eſſen ſol. Ich lernt’ ihn in Jena am ſchönſten Tage 30
kennen und verſtrit einen Abend mit ihm, weis aber nicht mehr, wie er
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/363>, abgerufen am 16.02.2025.
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