Liebe nicht mehr ertragen. In Hoffek war deine Anmerkung über mich und G[eorg] schädlich, aufreizend, und auch für mich zu stark. A. hatte mich vorher mit mehreren Nadeln gestochen und mein Inneres war also vol Wundenblut. Leider zogen allemal meine nothwendigen Kreuzzüge gegen A. Verkennungen zwischen uns beiden nach sich.5 Meine Liebe zu dir ist nicht einmal irgend einer von 2en Änderungen fähig; aber deine kan ich nie gewis genug haben, und ich bin so eifer- süchtig als einer in der andern Liebe. Übrigens hast du öfter (moralisch) Recht und ich mehr Liebe, oft leider auf Kosten des Rechts. Sonderbar schonest du oft alle, mich nicht. Da ich noch keinen Menschen in der Welt10 so geliebt und so liebe wie dich, so must du mir, zumal meiner mit lauter aufbrausenden Welten gefülten Seele, wohl manches nachsehen. -- Ich komme vielleicht Montags zu dir, vielleicht nicht. Es ist vorbei, und alle Güte und Liebe bleibt. Aber thue mir nichts mehr! Ach es wird euch allen zu leicht, mich nicht zu haben! --15
N. S. An A. hab' ich geschrieben, nicht mit der Bitterkeit des Herzens sondern der Wahrheiten.
652. An Christian Otto.
[Hof, 26. Juni 1797]
Guter Otto! Ich habe nie eine Minute dich so herunter -- zählen20 können. Ich habe nichts dabei gemeint. Wenn ichs einmal thun könte oder würde: so wil ichs gleich heute zurükgenommen haben. Meine Mutter ist seit 8 Tagen unheilbar schlim geworden.
[348]653. An die Gräfin Nauendorff in Zedtwitz.
[Kopie][Hof, 27. Juni 1797]25
[Das] Wetterglas ist gefallen, aber meine Freude ist gestiegen. -- Der Genius bewache alle zarte wunde Stellen Ihres Herzens gegen den Schmerz! Und kein Schnee falle in Ihre Maiblüte [?] des Lebens. Und wenn Sie einmal zurükblicken in die durchlebte Vergangenheit, komme sie Ihnen wie ein Garten im Mondschein vor.30
654. An L. Th. Kosegarten in Altenkirchen auf Rügen.
[Kopie][Hof, 28. Juni 1797]
Ich bin froh, daß wir unsre Hände durch das Medium des Papiers vereinen und wenigstens einerlei berühren. Sie solten diesem Buch eine
Liebe nicht mehr ertragen. In Hoffek war deine Anmerkung über mich und G[eorg] ſchädlich, aufreizend, und auch für mich zu ſtark. A. hatte mich vorher mit mehreren Nadeln geſtochen und mein Inneres war alſo vol Wundenblut. Leider zogen allemal meine nothwendigen Kreuzzüge gegen A. Verkennungen zwiſchen uns beiden nach ſich.5 Meine Liebe zu dir iſt nicht einmal irgend einer von 2en Änderungen fähig; aber deine kan ich nie gewis genug haben, und ich bin ſo eifer- ſüchtig als einer in der andern Liebe. Übrigens haſt du öfter (moraliſch) Recht und ich mehr Liebe, oft leider auf Koſten des Rechts. Sonderbar ſchoneſt du oft alle, mich nicht. Da ich noch keinen Menſchen in der Welt10 ſo geliebt und ſo liebe wie dich, ſo muſt du mir, zumal meiner mit lauter aufbrauſenden Welten gefülten Seele, wohl manches nachſehen. — Ich komme vielleicht Montags zu dir, vielleicht nicht. Es iſt vorbei, und alle Güte und Liebe bleibt. Aber thue mir nichts mehr! Ach es wird euch allen zu leicht, mich nicht zu haben! —15
N. S. An A. hab’ ich geſchrieben, nicht mit der Bitterkeit des Herzens ſondern der Wahrheiten.
652. An Chriſtian Otto.
[Hof, 26. Juni 1797]
Guter Otto! Ich habe nie eine Minute dich ſo herunter — zählen20 können. Ich habe nichts dabei gemeint. Wenn ichs einmal thun könte oder würde: ſo wil ichs gleich heute zurükgenommen haben. Meine Mutter iſt ſeit 8 Tagen unheilbar ſchlim geworden.
[348]653. An die Gräfin Nauendorff in Zedtwitz.
[Kopie][Hof, 27. Juni 1797]25
[Das] Wetterglas iſt gefallen, aber meine Freude iſt geſtiegen. — Der Genius bewache alle zarte wunde Stellen Ihres Herzens gegen den Schmerz! Und kein Schnee falle in Ihre Maiblüte [?] des Lebens. Und wenn Sie einmal zurükblicken in die durchlebte Vergangenheit, komme ſie Ihnen wie ein Garten im Mondſchein vor.30
654. An L. Th. Koſegarten in Altenkirchen auf Rügen.
[Kopie][Hof, 28. Juni 1797]
Ich bin froh, daß wir unſre Hände durch das Medium des Papiers vereinen und wenigſtens einerlei berühren. Sie ſolten dieſem Buch eine
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0362"n="346"/>
Liebe nicht mehr ertragen. In Hoffek war deine Anmerkung über mich<lb/>
und G[eorg] ſchädlich, aufreizend, und auch für mich zu ſtark. A. hatte<lb/>
mich vorher mit mehreren Nadeln geſtochen und mein Inneres war<lb/>
alſo vol Wundenblut. Leider zogen allemal meine <hirendition="#g">nothwendigen</hi><lb/>
Kreuzzüge gegen A. Verkennungen zwiſchen uns beiden nach ſich.<lbn="5"/>
Meine Liebe zu dir iſt nicht einmal irgend einer von 2en Änderungen<lb/>
fähig; aber deine kan ich nie gewis genug haben, und ich bin ſo eifer-<lb/>ſüchtig als einer in der andern Liebe. Übrigens haſt du öfter (moraliſch)<lb/>
Recht und ich mehr Liebe, oft leider auf Koſten des Rechts. Sonderbar<lb/>ſchoneſt du oft alle, mich nicht. Da ich noch keinen Menſchen in der Welt<lbn="10"/>ſo geliebt und ſo liebe wie dich, ſo muſt du mir, zumal meiner mit lauter<lb/>
aufbrauſenden Welten gefülten Seele, wohl manches nachſehen. —<lb/>
Ich komme vielleicht Montags zu dir, vielleicht nicht. Es iſt vorbei, und<lb/>
alle Güte und Liebe bleibt. Aber thue mir nichts mehr! Ach es wird<lb/>
euch allen zu leicht, mich nicht zu haben! —<lbn="15"/></p><postscript><p>N. S. An A. hab’ ich geſchrieben, nicht mit der Bitterkeit des<lb/>
Herzens ſondern der Wahrheiten.</p></postscript></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>652. An <hirendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right">[Hof, 26. Juni 1797]</hi></dateline><lb/><p>Guter Otto! Ich habe nie eine Minute dich ſo herunter — zählen<lbn="20"/>
können. Ich habe nichts dabei gemeint. Wenn ichs einmal thun könte<lb/>
oder würde: ſo wil ichs gleich heute zurükgenommen haben. Meine<lb/>
Mutter iſt ſeit 8 Tagen unheilbar ſchlim geworden.</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd2_348">[348]</ref></note>653. An <hirendition="#g">die Gräfin Nauendorff in Zedtwitz.</hi></head><lb/><notetype="editorial">[Kopie]</note><dateline><hirendition="#right">[Hof, 27. Juni 1797]</hi></dateline><lbn="25"/><p>[Das] Wetterglas iſt gefallen, aber meine Freude iſt geſtiegen. —<lb/>
Der Genius bewache alle zarte wunde Stellen Ihres Herzens gegen<lb/>
den Schmerz! Und kein Schnee falle in Ihre Maiblüte [?] des Lebens.<lb/>
Und wenn Sie einmal zurükblicken in die durchlebte Vergangenheit,<lb/>
komme ſie Ihnen wie ein Garten im Mondſchein vor.<lbn="30"/></p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>654. An L. <hirendition="#g">Th. Koſegarten in Altenkirchen auf Rügen.</hi></head><lb/><notetype="editorial">[Kopie]</note><dateline><hirendition="#right">[Hof, 28. Juni 1797]</hi></dateline><lb/><p>Ich bin froh, daß wir unſre Hände durch das Medium des Papiers<lb/>
vereinen und wenigſtens einerlei berühren. Sie ſolten dieſem Buch eine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[346/0362]
Liebe nicht mehr ertragen. In Hoffek war deine Anmerkung über mich
und G[eorg] ſchädlich, aufreizend, und auch für mich zu ſtark. A. hatte
mich vorher mit mehreren Nadeln geſtochen und mein Inneres war
alſo vol Wundenblut. Leider zogen allemal meine nothwendigen
Kreuzzüge gegen A. Verkennungen zwiſchen uns beiden nach ſich. 5
Meine Liebe zu dir iſt nicht einmal irgend einer von 2en Änderungen
fähig; aber deine kan ich nie gewis genug haben, und ich bin ſo eifer-
ſüchtig als einer in der andern Liebe. Übrigens haſt du öfter (moraliſch)
Recht und ich mehr Liebe, oft leider auf Koſten des Rechts. Sonderbar
ſchoneſt du oft alle, mich nicht. Da ich noch keinen Menſchen in der Welt 10
ſo geliebt und ſo liebe wie dich, ſo muſt du mir, zumal meiner mit lauter
aufbrauſenden Welten gefülten Seele, wohl manches nachſehen. —
Ich komme vielleicht Montags zu dir, vielleicht nicht. Es iſt vorbei, und
alle Güte und Liebe bleibt. Aber thue mir nichts mehr! Ach es wird
euch allen zu leicht, mich nicht zu haben! — 15
N. S. An A. hab’ ich geſchrieben, nicht mit der Bitterkeit des
Herzens ſondern der Wahrheiten.
652. An Chriſtian Otto.
[Hof, 26. Juni 1797]
Guter Otto! Ich habe nie eine Minute dich ſo herunter — zählen 20
können. Ich habe nichts dabei gemeint. Wenn ichs einmal thun könte
oder würde: ſo wil ichs gleich heute zurükgenommen haben. Meine
Mutter iſt ſeit 8 Tagen unheilbar ſchlim geworden.
653. An die Gräfin Nauendorff in Zedtwitz.
[Hof, 27. Juni 1797] 25
[Das] Wetterglas iſt gefallen, aber meine Freude iſt geſtiegen. —
Der Genius bewache alle zarte wunde Stellen Ihres Herzens gegen
den Schmerz! Und kein Schnee falle in Ihre Maiblüte [?] des Lebens.
Und wenn Sie einmal zurükblicken in die durchlebte Vergangenheit,
komme ſie Ihnen wie ein Garten im Mondſchein vor. 30
654. An L. Th. Koſegarten in Altenkirchen auf Rügen.
[Hof, 28. Juni 1797]
Ich bin froh, daß wir unſre Hände durch das Medium des Papiers
vereinen und wenigſtens einerlei berühren. Sie ſolten dieſem Buch eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/362>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.