Die andere Hälfte schick' ich morgen. Durchblätter' es nur, da ich es am Donnerstag, um nichts aufzuhalten, schicken mus.
647. An Matzdorff in Berlin.5
[Kopie][Hof, 21. Juni 1797]
daß das unfreundliche Geschik in die grosse Wunde des beraubten Bruderherzens meinen kleinen Nordwind richtete -- Das Verhäng- nis reich' Ihnen in irgend einem Freudenkelche Lethe gegen die Ver- gangenheit.10
648. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
Hof d. 21 Jun. 97.
Ich beklage dich, Lieber, daß du zu einer Zeit, wo deine Hand etwas Schöneres zu halten hat als Papier und Feder, zu meinem Vortheil auf Kosten des deinigen schreiben must. -- Ich wolte, die Berlepsch15 bliebe einen Abend hier: sonst lohnt es kaum der Mühe. Ich weis voraus, sie wird mich zu sehr einnehmen. Das doppelte Lesegeld gäb' ich darum, hätt' ich nur eines ihrer Werke gelesen oder wüste die Titel- blätter auswendig. Über die Klasse der Krüdner -- wozu, nur mit neuen Fehlern, auch Amöne gehört -- bin ich mit dir in Rüksicht der20 Beobachtungen (deine in einem Briefe an Amöne darüber sind vor- treflich und erschöpfend) mehr einig als du meinst, nur nicht in Rük- sicht der Schlüsse daraus. Kurz es ist die Klasse der poetischen Genies, [346]und am andern Geschlecht fallen die egoistischen Mängel nur mehr auf. Mein 1/2 Titan streitet gegen diese Götter und Göttinnen: eben diesem25 Titan verdank' ich eine Aufklärung und einen ewigen Ruhepunkt, der meiner Seele bisher fehlte. --
Aber o Oertel, wie kontest du in deinem vorvorigen Briefe mich so kränken? Kenst du dich und mich so wenig? 1) Hat jene äusserliche Affek- tazion Amandas nur die geringste Ähnlichkeit mit Krüdn. Fehlern? und30 also dein Urtheil über diese die geringste mit den Urtheilen über jene?
2) Ist nicht der Grim gegen Affektazion bei allen Menschen al- gemein?
3) Und könt' ich je gegen andere Fehler als gegen die der Gattung schreiben? je gegen die eines Individuums? Noch dazu ist es nicht der35
646. An Chriſtian Otto.
[Hof, 20. Juni 1797. Dienstag]
Die andere Hälfte ſchick’ ich morgen. Durchblätter’ es nur, da ich es am Donnerſtag, um nichts aufzuhalten, ſchicken mus.
647. An Matzdorff in Berlin.5
[Kopie][Hof, 21. Juni 1797]
daß das unfreundliche Geſchik in die groſſe Wunde des beraubten Bruderherzens meinen kleinen Nordwind richtete — Das Verhäng- nis reich’ Ihnen in irgend einem Freudenkelche Lethe gegen die Ver- gangenheit.10
648. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
Hof d. 21 Jun. 97.
Ich beklage dich, Lieber, daß du zu einer Zeit, wo deine Hand etwas Schöneres zu halten hat als Papier und Feder, zu meinem Vortheil auf Koſten des deinigen ſchreiben muſt. — Ich wolte, die Berlepsch15 bliebe einen Abend hier: ſonſt lohnt es kaum der Mühe. Ich weis voraus, ſie wird mich zu ſehr einnehmen. Das doppelte Leſegeld gäb’ ich darum, hätt’ ich nur eines ihrer Werke geleſen oder wüſte die Titel- blätter auswendig. Über die Klaſſe der Krüdner — wozu, nur mit neuen Fehlern, auch Amöne gehört — bin ich mit dir in Rükſicht der20 Beobachtungen (deine in einem Briefe an Amöne darüber ſind vor- treflich und erſchöpfend) mehr einig als du meinſt, nur nicht in Rük- ſicht der Schlüſſe daraus. Kurz es iſt die Klaſſe der poetiſchen Genies, [346]und am andern Geſchlecht fallen die egoiſtiſchen Mängel nur mehr auf. Mein ½ Titan ſtreitet gegen dieſe Götter und Göttinnen: eben dieſem25 Titan verdank’ ich eine Aufklärung und einen ewigen Ruhepunkt, der meiner Seele bisher fehlte. —
Aber o Oertel, wie konteſt du in deinem vorvorigen Briefe mich ſo kränken? Kenſt du dich und mich ſo wenig? 1) Hat jene äuſſerliche Affek- tazion Amandas nur die geringſte Ähnlichkeit mit Krüdn. Fehlern? und30 alſo dein Urtheil über dieſe die geringſte mit den Urtheilen über jene?
2) Iſt nicht der Grim gegen Affektazion bei allen Menſchen al- gemein?
3) Und könt’ ich je gegen andere Fehler als gegen die der Gattung ſchreiben? je gegen die eines Individuums? Noch dazu iſt es nicht der35
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646. An Chriſtian Otto.
[Hof, 20. Juni 1797. Dienstag]
Die andere Hälfte ſchick’ ich morgen. Durchblätter’ es nur, da ich es
am Donnerſtag, um nichts aufzuhalten, ſchicken mus.
647. An Matzdorff in Berlin. 5
[Hof, 21. Juni 1797]
daß das unfreundliche Geſchik in die groſſe Wunde des beraubten
Bruderherzens meinen kleinen Nordwind richtete — Das Verhäng-
nis reich’ Ihnen in irgend einem Freudenkelche Lethe gegen die Ver-
gangenheit. 10
648. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
Hof d. 21 Jun. 97.
Ich beklage dich, Lieber, daß du zu einer Zeit, wo deine Hand etwas
Schöneres zu halten hat als Papier und Feder, zu meinem Vortheil
auf Koſten des deinigen ſchreiben muſt. — Ich wolte, die Berlepsch 15
bliebe einen Abend hier: ſonſt lohnt es kaum der Mühe. Ich weis
voraus, ſie wird mich zu ſehr einnehmen. Das doppelte Leſegeld gäb’
ich darum, hätt’ ich nur eines ihrer Werke geleſen oder wüſte die Titel-
blätter auswendig. Über die Klaſſe der Krüdner — wozu, nur mit
neuen Fehlern, auch Amöne gehört — bin ich mit dir in Rükſicht der 20
Beobachtungen (deine in einem Briefe an Amöne darüber ſind vor-
treflich und erſchöpfend) mehr einig als du meinſt, nur nicht in Rük-
ſicht der Schlüſſe daraus. Kurz es iſt die Klaſſe der poetiſchen Genies,
und am andern Geſchlecht fallen die egoiſtiſchen Mängel nur mehr auf.
Mein ½ Titan ſtreitet gegen dieſe Götter und Göttinnen: eben dieſem 25
Titan verdank’ ich eine Aufklärung und einen ewigen Ruhepunkt, der
meiner Seele bisher fehlte. —
[346]
Aber o Oertel, wie konteſt du in deinem vorvorigen Briefe mich ſo
kränken? Kenſt du dich und mich ſo wenig? 1) Hat jene äuſſerliche Affek-
tazion Amandas nur die geringſte Ähnlichkeit mit Krüdn. Fehlern? und 30
alſo dein Urtheil über dieſe die geringſte mit den Urtheilen über jene?
2) Iſt nicht der Grim gegen Affektazion bei allen Menſchen al-
gemein?
3) Und könt’ ich je gegen andere Fehler als gegen die der Gattung
ſchreiben? je gegen die eines Individuums? Noch dazu iſt es nicht der 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/360>, abgerufen am 16.02.2025.
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