[331]Septimus Fixlein, der mir das Gold geschikt. Denke dir meine Freude, daß ich diesem Greise ausser den litterarischen Freuden auch diese verdankte, um so mehr, da die Annahme einer anonymen Gabe viel mislicher ist als einer benanten, weil man seine Dankbarkeit dem Schlimsten wie dem Besten aufheben kan. --5
Sage deiner geliebten Friederike den Dank eines Herzens für ihren freundlichen sanften wohlwollenden Brief. Ich wäre beinahe zur Messe nach Leipzig gekommen. -- Der Buchhändler Hennings hatte schon Ordre, dir das Kampaner Thal schon auf der Messe zu über- geben, um mir das Packen zu ersparen. --10
Beigangs Vignette ist eben nicht übel: mache, daß er mir meine Freiexemplare und die Lesebücher bald schikt. Auch möcht ich fürs Geld 3 Kupferstiche von mir, fals ich gewis wäre, daß mir Pfenninger keine übermacht. --
Beiliegende Trauerprose macht' ich in Bayreuth auf den Tod der15 tugendhaften Mutter eines Freundes von mir, die 1/2 Jahr ohne Essen unter steter Kolik, Miserere, Windgeschwulst freudig gelitten hatte. Ihr Man war an einer immerwährenden Herzensangst, die vom Verwachsen des Herzens und Herzbeutels herkam, gestorben. Jezt wird dir die Dichtung deutlich sein.20
In Erlang lieset ein M. Hagen über meine sentimental[ischen] Auf- säze. -- Von Fichte bekomm' ich leider nichts zu sehen. --
Meine Abwesenheit theilt mir viele epistolarische und andere Ge- schäfte zu: nim also die Leerheit dieser Blätter nicht übel.
Ich wünschte, du bekämest meinen Verleger Matzdorf zu sehen und25 zu beurtheilen: eine lebendige Ansicht der lebendigen Gestalt ist ein besserer Hauptschlüssel zum ganzen Menschen als Briefe, die nur wächserne Schlüssel sind. Aus Briefen lernt man wie aus Büchern zwar den idealischen Theil der Verfasser kennen, aber nicht das Ver- hältnis desselben zum thierischen.30
Mögen bald deine Geschäfte Freuden Plaz machen und deine Unruhe dem stillern Leben! Ich liebe dich wie immer oder wenigstens stärker, mein guter Oertel!
Richter
Amöne schikt ihrem vorigen Briefe noch einen herzlichen Grus35 nach.
[331]Septimus Fixlein, der mir das Gold geſchikt. Denke dir meine Freude, daß ich dieſem Greiſe auſſer den litterariſchen Freuden auch dieſe verdankte, um ſo mehr, da die Annahme einer anonymen Gabe viel mislicher iſt als einer benanten, weil man ſeine Dankbarkeit dem Schlimſten wie dem Beſten aufheben kan. —5
Sage deiner geliebten Friederike den Dank eines Herzens für ihren freundlichen ſanften wohlwollenden Brief. Ich wäre beinahe zur Meſſe nach Leipzig gekommen. — Der Buchhändler Hennings hatte ſchon Ordre, dir das Kampaner Thal ſchon auf der Meſſe zu über- geben, um mir das Packen zu erſparen. —10
Beigangs Vignette iſt eben nicht übel: mache, daß er mir meine Freiexemplare und die Leſebücher bald ſchikt. Auch möcht ich fürs Geld 3 Kupferſtiche von mir, fals ich gewis wäre, daß mir Pfenninger keine übermacht. —
Beiliegende Trauerproſe macht’ ich in Bayreuth auf den Tod der15 tugendhaften Mutter eines Freundes von mir, die ½ Jahr ohne Eſſen unter ſteter Kolik, Miſerere, Windgeſchwulſt freudig gelitten hatte. Ihr Man war an einer immerwährenden Herzensangſt, die vom Verwachſen des Herzens und Herzbeutels herkam, geſtorben. Jezt wird dir die Dichtung deutlich ſein.20
In Erlang lieſet ein M. Hagen über meine ſentimental[iſchen] Auf- ſäze. — Von Fichte bekomm’ ich leider nichts zu ſehen. —
Meine Abweſenheit theilt mir viele epiſtolariſche und andere Ge- ſchäfte zu: nim alſo die Leerheit dieſer Blätter nicht übel.
Ich wünſchte, du bekämeſt meinen Verleger Matzdorf zu ſehen und25 zu beurtheilen: eine lebendige Anſicht der lebendigen Geſtalt iſt ein beſſerer Hauptſchlüſſel zum ganzen Menſchen als Briefe, die nur wächſerne Schlüſſel ſind. Aus Briefen lernt man wie aus Büchern zwar den idealiſchen Theil der Verfaſſer kennen, aber nicht das Ver- hältnis deſſelben zum thieriſchen.30
Mögen bald deine Geſchäfte Freuden Plaz machen und deine Unruhe dem ſtillern Leben! Ich liebe dich wie immer oder wenigſtens ſtärker, mein guter Oertel!
Richter
Amöne ſchikt ihrem vorigen Briefe noch einen herzlichen Grus35 nach.
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[330/0346]
Septimus Fixlein, der mir das Gold geſchikt. Denke dir meine Freude,
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verdankte, um ſo mehr, da die Annahme einer anonymen Gabe viel
mislicher iſt als einer benanten, weil man ſeine Dankbarkeit dem
Schlimſten wie dem Beſten aufheben kan. — 5
[331]Sage deiner geliebten Friederike den Dank eines Herzens für ihren
freundlichen ſanften wohlwollenden Brief. Ich wäre beinahe zur
Meſſe nach Leipzig gekommen. — Der Buchhändler Hennings hatte
ſchon Ordre, dir das Kampaner Thal ſchon auf der Meſſe zu über-
geben, um mir das Packen zu erſparen. — 10
Beigangs Vignette iſt eben nicht übel: mache, daß er mir meine
Freiexemplare und die Leſebücher bald ſchikt. Auch möcht ich fürs
Geld 3 Kupferſtiche von mir, fals ich gewis wäre, daß mir Pfenninger
keine übermacht. —
Beiliegende Trauerproſe macht’ ich in Bayreuth auf den Tod der 15
tugendhaften Mutter eines Freundes von mir, die ½ Jahr ohne
Eſſen unter ſteter Kolik, Miſerere, Windgeſchwulſt freudig gelitten
hatte. Ihr Man war an einer immerwährenden Herzensangſt, die
vom Verwachſen des Herzens und Herzbeutels herkam, geſtorben.
Jezt wird dir die Dichtung deutlich ſein. 20
In Erlang lieſet ein M. Hagen über meine ſentimental[iſchen] Auf-
ſäze. — Von Fichte bekomm’ ich leider nichts zu ſehen. —
Meine Abweſenheit theilt mir viele epiſtolariſche und andere Ge-
ſchäfte zu: nim alſo die Leerheit dieſer Blätter nicht übel.
Ich wünſchte, du bekämeſt meinen Verleger Matzdorf zu ſehen und 25
zu beurtheilen: eine lebendige Anſicht der lebendigen Geſtalt iſt ein
beſſerer Hauptſchlüſſel zum ganzen Menſchen als Briefe, die nur
wächſerne Schlüſſel ſind. Aus Briefen lernt man wie aus Büchern
zwar den idealiſchen Theil der Verfaſſer kennen, aber nicht das Ver-
hältnis deſſelben zum thieriſchen. 30
Mögen bald deine Geſchäfte Freuden Plaz machen und deine
Unruhe dem ſtillern Leben! Ich liebe dich wie immer oder wenigſtens
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/346>, abgerufen am 16.02.2025.
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