räthst, die 10 Bilder blos so unzusammenhängend gebraucht wie die Romanciers die chodowieckischen. Aber der Mensch verabscheuet sogar in Kleinigkeiten Wilkühr und hält auf den Saz des zureichenden Grundes: er erträgt keine Geschichte, die die 10 Dekalogus-Bilder nur nach Belieben nach grössern oder kleinern Zwischenräumen aufstelt und5 braucht. Ich hätte eine längere und leichtere Geschichte erfinden können, worin die Holzschnitte nur nach meinem Belieben aufgetreten wären: aber das leidet der Mensch nicht, er wil nothwendige Folge. Daher durfte in dieser Bettelhistorie keine Szene liegen, die nicht von den Holz- schnitten angefangen oder vorbereitet oder volendet wurde. Auch hätten10 mir im andern Falle die grösten Kritiker Deutschlands die Frage vor-[316] gelegt: woher ich die Sache hätte. Denn nach Home's Grundsäzen der Kritik darf auf dem Weimarschen Blatte nichts gelehret werden was nicht auf den Katechismus-Blättern zu errathen ist. Der Revisor konte keine confessions in Holz schnizen, die nicht, im Nothfal eine schrift-15 liche entbehren konten.
Das ist also der Grund zu deiner wahren Bemerkung, nicht aber deine Vermuthung des geniessenden Gefallens an der Arbeit. Ich mache alles schlechter, oder schlecht, was ich nicht mit Liebe oder viel- mehr Hofnung mache. Meine persönliche Stimmung hat längst ihren20 Einflus auf mein Schreiben verloren. -- Du sagtest, es sei nicht Licht in diesem italienischen Theater: das wäre ein fataler Fehler, den ein Autor selten erräth. --
Gegenwärtige Lieferung hättest du gleich mit der vorigen lesen sollen, weil man sonst die Foderung stat an das Ganze, an die Glieder25 macht. Das lezte Kapitel mag noch hingehen. -- Die Vorrede be- kömst du Morgen. -- Ich sehne mich nach Arbeiten, worin mir meine bisherigen Erfahrungen seit einem Jahre, helfen können. -- Ich werd' es dem Buchhändler ungemein schnel übermachen. -- Gieb dir nicht viele Mühe mit diesem Mockierspiele. Ich hätte auch deine bisherige30 gar nicht gelitten, wenn meine Sachen nicht der Anlas (nicht blos der Gegenstand) zu deinen Gedanken gewesen wären, die du immer rekla- mieren kanst und die der Mensch leichter bei einer Gelegenheit als ohne eine entwickelt. Daher bat ich immer den Wernlein, doch etwas zu be- haupten, was ich läugnete.35
R.
räthſt, die 10 Bilder blos ſo unzuſammenhängend gebraucht wie die Romanciers die chodowieckiſchen. Aber der Menſch verabſcheuet ſogar in Kleinigkeiten Wilkühr und hält auf den Saz des zureichenden Grundes: er erträgt keine Geſchichte, die die 10 Dekalogus-Bilder nur nach Belieben nach gröſſern oder kleinern Zwiſchenräumen aufſtelt und5 braucht. Ich hätte eine längere und leichtere Geſchichte erfinden können, worin die Holzſchnitte nur nach meinem Belieben aufgetreten wären: aber das leidet der Menſch nicht, er wil nothwendige Folge. Daher durfte in dieſer Bettelhiſtorie keine Szene liegen, die nicht von den Holz- ſchnitten angefangen oder vorbereitet oder volendet wurde. Auch hätten10 mir im andern Falle die gröſten Kritiker Deutſchlands die Frage vor-[316] gelegt: woher ich die Sache hätte. Denn nach Home’s Grundſäzen der Kritik darf auf dem Weimarſchen Blatte nichts gelehret werden was nicht auf den Katechiſmus-Blättern zu errathen iſt. Der Reviſor konte keine confessions in Holz ſchnizen, die nicht, im Nothfal eine ſchrift-15 liche entbehren konten.
Das iſt alſo der Grund zu deiner wahren Bemerkung, nicht aber deine Vermuthung des genieſſenden Gefallens an der Arbeit. Ich mache alles ſchlechter, oder ſchlecht, was ich nicht mit Liebe oder viel- mehr Hofnung mache. Meine perſönliche Stimmung hat längſt ihren20 Einflus auf mein Schreiben verloren. — Du ſagteſt, es ſei nicht Licht in dieſem italieniſchen Theater: das wäre ein fataler Fehler, den ein Autor ſelten erräth. —
Gegenwärtige Lieferung hätteſt du gleich mit der vorigen leſen ſollen, weil man ſonſt die Foderung ſtat an das Ganze, an die Glieder25 macht. Das lezte Kapitel mag noch hingehen. — Die Vorrede be- kömſt du Morgen. — Ich ſehne mich nach Arbeiten, worin mir meine bisherigen Erfahrungen ſeit einem Jahre, helfen können. — Ich werd’ es dem Buchhändler ungemein ſchnel übermachen. — Gieb dir nicht viele Mühe mit dieſem Mockierſpiele. Ich hätte auch deine bisherige30 gar nicht gelitten, wenn meine Sachen nicht der Anlas (nicht blos der Gegenſtand) zu deinen Gedanken geweſen wären, die du immer rekla- mieren kanſt und die der Menſch leichter bei einer Gelegenheit als ohne eine entwickelt. Daher bat ich immer den Wernlein, doch etwas zu be- haupten, was ich läugnete.35
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[315/0330]
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nach Belieben nach gröſſern oder kleinern Zwiſchenräumen aufſtelt und 5
braucht. Ich hätte eine längere und leichtere Geſchichte erfinden können,
worin die Holzſchnitte nur nach meinem Belieben aufgetreten wären:
aber das leidet der Menſch nicht, er wil nothwendige Folge. Daher
durfte in dieſer Bettelhiſtorie keine Szene liegen, die nicht von den Holz-
ſchnitten angefangen oder vorbereitet oder volendet wurde. Auch hätten 10
mir im andern Falle die gröſten Kritiker Deutſchlands die Frage vor-
gelegt: woher ich die Sache hätte. Denn nach Home’s Grundſäzen der
Kritik darf auf dem Weimarſchen Blatte nichts gelehret werden was
nicht auf den Katechiſmus-Blättern zu errathen iſt. Der Reviſor konte
keine confessions in Holz ſchnizen, die nicht, im Nothfal eine ſchrift- 15
liche entbehren konten.
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Das iſt alſo der Grund zu deiner wahren Bemerkung, nicht aber
deine Vermuthung des genieſſenden Gefallens an der Arbeit. Ich
mache alles ſchlechter, oder ſchlecht, was ich nicht mit Liebe oder viel-
mehr Hofnung mache. Meine perſönliche Stimmung hat längſt ihren 20
Einflus auf mein Schreiben verloren. — Du ſagteſt, es ſei nicht Licht
in dieſem italieniſchen Theater: das wäre ein fataler Fehler, den ein
Autor ſelten erräth. —
Gegenwärtige Lieferung hätteſt du gleich mit der vorigen leſen
ſollen, weil man ſonſt die Foderung ſtat an das Ganze, an die Glieder 25
macht. Das lezte Kapitel mag noch hingehen. — Die Vorrede be-
kömſt du Morgen. — Ich ſehne mich nach Arbeiten, worin mir meine
bisherigen Erfahrungen ſeit einem Jahre, helfen können. — Ich werd’
es dem Buchhändler ungemein ſchnel übermachen. — Gieb dir nicht
viele Mühe mit dieſem Mockierſpiele. Ich hätte auch deine bisherige 30
gar nicht gelitten, wenn meine Sachen nicht der Anlas (nicht blos der
Gegenſtand) zu deinen Gedanken geweſen wären, die du immer rekla-
mieren kanſt und die der Menſch leichter bei einer Gelegenheit als ohne
eine entwickelt. Daher bat ich immer den Wernlein, doch etwas zu be-
haupten, was ich läugnete. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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