Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

Bild:
<< vorherige Seite

Grundsäzen, wir in Empfindungen, jene geben ein kleines, diese ein
unstätes: es bleibt nichts übrig als ihre Vereinigung, die der Dauer
mit der Grösse.

471. An Christian Otto.
5

Das sind die ersten Folgen von neuen Büchern die ich ediere, daß
ich dich mit dem Einpacken für die nächste Leipziger Post beschwere.

(*)472. An Emanuel.

Mein unvergeslicher Emanuel!10

In diesen Minuten kommen mit den Schneeflocken meine Blumen-
stücke an und sie fliegen sogleich in Ihre Hand. Mögen sie nicht das
Schiksal ihrer Koätanen haben!

Das Schiksal führe mir noch so viele Freunde zu: es ist keiner dar-
unter, dem ich meine von meinen Zweigen kommenden und fallenden15
Blätter (Früchte trägt der Mensch wenig) lieber gebe als Ihnen.
Und Sie würden, gesezt ich bekomme Sie einmal in duplo, doch den
Vorzug der Anciennete behalten.

Ihre Briefe erhalt' ich am liebsten, weil ich doch etwas daraus
lerne. Ich bin kein Freund von den gewöhnlichen Briefen, wo mir20
einer jede Woche dokumentiert, er hasse mich nicht.

Gegenwärtiges Papier drehen Sie zu einem Billet und schicken es
samt dem einen Exemplare der Blumenstücke und dem blauen Buch
an Elrodt.

25

Noch ist alles da. -- Die rabbinische Geschichte der Thora ist der
feinste Umris ihres Zweks und ihrer Schranken. Geben Sie mir nur
in jedem Brief eine nachgedrukte halbe Seite Ihres Talmuds, zumal
über den Tod: -- endlich brauch' ich die ächte Ausgabe nicht.

Ich lieh vor einigen Jahren die Mumien der Renate, um sie Ihnen30
[277]zu schicken; da es mein leztes Exemplar und also das meinige für den
Gebrauch bei einer 2te Auflage ist und da ich mir immer eines borgen
mus, um zu sehen was mein 30 jähriges Ich anders dachte als das
33jährige: so bitt' ich Sie, im Falle Sie es ganz gelesen, mir es zu
senden. Nehmen Sie mir aber diese Autorbitte nicht übel.35

Grundſäzen, wir in Empfindungen, jene geben ein kleines, dieſe ein
unſtätes: es bleibt nichts übrig als ihre Vereinigung, die der Dauer
mit der Gröſſe.

471. An Chriſtian Otto.
5

Das ſind die erſten Folgen von neuen Büchern die ich ediere, daß
ich dich mit dem Einpacken für die nächſte Leipziger Poſt beſchwere.

(*)472. An Emanuel.

Mein unvergeslicher Emanuel!10

In dieſen Minuten kommen mit den Schneeflocken meine Blumen-
ſtücke an und ſie fliegen ſogleich in Ihre Hand. Mögen ſie nicht das
Schikſal ihrer Koätanen haben!

Das Schikſal führe mir noch ſo viele Freunde zu: es iſt keiner dar-
unter, dem ich meine von meinen Zweigen kommenden und fallenden15
Blätter (Früchte trägt der Menſch wenig) lieber gebe als Ihnen.
Und Sie würden, geſezt ich bekomme Sie einmal in duplo, doch den
Vorzug der Ancienneté behalten.

Ihre Briefe erhalt’ ich am liebſten, weil ich doch etwas daraus
lerne. Ich bin kein Freund von den gewöhnlichen Briefen, wo mir20
einer jede Woche dokumentiert, er haſſe mich nicht.

Gegenwärtiges Papier drehen Sie zu einem Billet und ſchicken es
ſamt dem einen Exemplare der Blumenſtücke und dem blauen Buch
an Elrodt.

25

Noch iſt alles da. — Die rabbiniſche Geſchichte der Thora iſt der
feinſte Umris ihres Zweks und ihrer Schranken. Geben Sie mir nur
in jedem Brief eine nachgedrukte halbe Seite Ihres Talmuds, zumal
über den Tod: — endlich brauch’ ich die ächte Ausgabe nicht.

Ich lieh vor einigen Jahren die Mumien der Renate, um ſie Ihnen30
[277]zu ſchicken; da es mein leztes Exemplar und alſo das meinige für den
Gebrauch bei einer 2te Auflage iſt und da ich mir immer eines borgen
mus, um zu ſehen was mein 30 jähriges Ich anders dachte als das
33jährige: ſo bitt’ ich Sie, im Falle Sie es ganz geleſen, mir es zu
ſenden. Nehmen Sie mir aber dieſe Autorbitte nicht übel.35

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0291" n="276"/>
Grund&#x017F;äzen, wir in Empfindungen, jene geben ein kleines, die&#x017F;e ein<lb/>
un&#x017F;tätes: es bleibt nichts übrig als ihre Vereinigung, die der Dauer<lb/>
mit der Grö&#x017F;&#x017F;e.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>471. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 1. Dez. 1796]</hi> </dateline>
        <lb n="5"/>
        <p>Das &#x017F;ind die er&#x017F;ten Folgen von neuen Büchern die ich ediere, daß<lb/>
ich dich mit dem Einpacken für die näch&#x017F;te Leipziger Po&#x017F;t be&#x017F;chwere.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>(*)472. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">Hof d. 29 Nov. 1796.</hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Mein unvergeslicher Emanuel!<lb n="10"/>
</hi> </salute>
        </opener>
        <p>In die&#x017F;en Minuten kommen mit den Schneeflocken meine Blumen-<lb/>
&#x017F;tücke an und &#x017F;ie fliegen &#x017F;ogleich in Ihre Hand. Mögen &#x017F;ie nicht das<lb/>
Schik&#x017F;al ihrer Koätanen haben!</p><lb/>
        <p>Das Schik&#x017F;al führe mir noch &#x017F;o viele Freunde zu: es i&#x017F;t keiner dar-<lb/>
unter, dem ich meine von meinen Zweigen kommenden und fallenden<lb n="15"/> <hi rendition="#g">Blätter</hi> (Früchte trägt der Men&#x017F;ch wenig) lieber gebe als Ihnen.<lb/>
Und Sie würden, ge&#x017F;ezt ich bekomme Sie einmal <hi rendition="#aq">in duplo,</hi> doch den<lb/>
Vorzug der <hi rendition="#aq">Ancienneté</hi> behalten.</p><lb/>
        <p>Ihre Briefe erhalt&#x2019; ich am lieb&#x017F;ten, weil ich doch etwas daraus<lb/>
lerne. Ich bin kein Freund von den gewöhnlichen Briefen, wo mir<lb n="20"/>
einer jede Woche dokumentiert, er ha&#x017F;&#x017F;e mich nicht.</p><lb/>
        <p>Gegenwärtiges Papier drehen Sie zu einem Billet und &#x017F;chicken es<lb/>
&#x017F;amt dem einen Exemplare der Blumen&#x017F;tücke und dem blauen Buch<lb/>
an Elrodt.</p><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">d. 2 Dez. 1796.</hi> </dateline>
          <lb n="25"/>
          <p>Noch i&#x017F;t alles da. &#x2014; Die rabbini&#x017F;che Ge&#x017F;chichte der Thora i&#x017F;t der<lb/>
fein&#x017F;te Umris ihres Zweks und ihrer Schranken. Geben Sie mir nur<lb/>
in jedem Brief eine nachgedrukte halbe Seite Ihres Talmuds, zumal<lb/>
über den Tod: &#x2014; endlich brauch&#x2019; ich die ächte Ausgabe nicht.</p><lb/>
          <p>Ich lieh vor einigen Jahren die <hi rendition="#aq">Mumien</hi> der Renate, um &#x017F;ie Ihnen<lb n="30"/>
<note place="left"><ref target="1922_Bd2_277">[277]</ref></note>zu &#x017F;chicken; da es mein leztes Exemplar und al&#x017F;o das meinige für den<lb/>
Gebrauch bei einer 2<hi rendition="#sup">te</hi> Auflage i&#x017F;t und da ich mir immer eines borgen<lb/>
mus, um zu &#x017F;ehen was mein 30 jähriges Ich anders dachte als das<lb/>
33jährige: &#x017F;o bitt&#x2019; ich Sie, im Falle Sie es ganz gele&#x017F;en, mir es zu<lb/>
&#x017F;enden. Nehmen Sie mir aber die&#x017F;e Autorbitte nicht übel.<lb n="35"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0291] Grundſäzen, wir in Empfindungen, jene geben ein kleines, dieſe ein unſtätes: es bleibt nichts übrig als ihre Vereinigung, die der Dauer mit der Gröſſe. 471. An Chriſtian Otto. [Hof, 1. Dez. 1796] 5 Das ſind die erſten Folgen von neuen Büchern die ich ediere, daß ich dich mit dem Einpacken für die nächſte Leipziger Poſt beſchwere. (*)472. An Emanuel. Hof d. 29 Nov. 1796. Mein unvergeslicher Emanuel! 10 In dieſen Minuten kommen mit den Schneeflocken meine Blumen- ſtücke an und ſie fliegen ſogleich in Ihre Hand. Mögen ſie nicht das Schikſal ihrer Koätanen haben! Das Schikſal führe mir noch ſo viele Freunde zu: es iſt keiner dar- unter, dem ich meine von meinen Zweigen kommenden und fallenden 15 Blätter (Früchte trägt der Menſch wenig) lieber gebe als Ihnen. Und Sie würden, geſezt ich bekomme Sie einmal in duplo, doch den Vorzug der Ancienneté behalten. Ihre Briefe erhalt’ ich am liebſten, weil ich doch etwas daraus lerne. Ich bin kein Freund von den gewöhnlichen Briefen, wo mir 20 einer jede Woche dokumentiert, er haſſe mich nicht. Gegenwärtiges Papier drehen Sie zu einem Billet und ſchicken es ſamt dem einen Exemplare der Blumenſtücke und dem blauen Buch an Elrodt. d. 2 Dez. 1796. 25 Noch iſt alles da. — Die rabbiniſche Geſchichte der Thora iſt der feinſte Umris ihres Zweks und ihrer Schranken. Geben Sie mir nur in jedem Brief eine nachgedrukte halbe Seite Ihres Talmuds, zumal über den Tod: — endlich brauch’ ich die ächte Ausgabe nicht. Ich lieh vor einigen Jahren die Mumien der Renate, um ſie Ihnen 30 zu ſchicken; da es mein leztes Exemplar und alſo das meinige für den Gebrauch bei einer 2te Auflage iſt und da ich mir immer eines borgen mus, um zu ſehen was mein 30 jähriges Ich anders dachte als das 33jährige: ſo bitt’ ich Sie, im Falle Sie es ganz geleſen, mir es zu ſenden. Nehmen Sie mir aber dieſe Autorbitte nicht übel. 35 [277]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/291
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/291>, abgerufen am 02.05.2024.