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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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transßendente Portraitmalerin der Individuen; dies verstehen
Franzosen, aber keine Deutsche. Sie sind in diesem Punkte keine.]

Ein mänliches Herz ist der Tummel- und Zimmerplaz der ganzen
Welt, das Kampffeld der politischen Verhältnisse und die Grotte der
Freundschaft. -- Der in so viele Arme zertheilte Strom der Liebe geht5
dan freilich nicht so tief und breit dahin als der, der unzerlegt aus einem
weiblichen Herzen fliesset, das selten mehr umfängt als das, was es ge-[271]
heirathet und was es geboren hat. -- Eine Seele, die [der] Guyon
Herz in ihre Brust zu ziehen und zu fassen weis, täuscht sich über das
Misverhältnis zwischen ihrem Werthe und ihrem Glauben, sie ist10
grösser und geistiger als ihr Glaubensbekentnis. -- [Schillers]
Furien Almanach hat mehr Salz als Farben: alles darin ist klein, aus-
genommen das Kleine [die Epigramme. Ich werde nie etwas darüber
sagen, so sehr die Mishandlung eines Reichard, Hermes etc. einen
Bluträcher aufruft; aber] der genialische Egoismus, der heftigste15
[unter allen], verdient [im Algemeinen] äzende Farben und breite
Striche. [Doch habe ich gegen Göthe und Schiller eben so viele Liebe
als eigentliches Mitleid mit ihren eingeäscherten Herzen. -- Warum
hör' ich nichts von meinen geliebten Herders, die wie Jugend- und
Heiligenbilder vor meiner Sehnsucht stehen, und von den andern, be-20
sonders von Knebel, den ich zugleich liebe und bekämpfe. -- Ach Sie
halten mich für so veränderlich und ich habe noch keinen einzigen
Menschen aus Weimar vergessen, wie viel weniger Sie, aber] Ihre
Hand drükt seltener meine Hand als mein Herz und presset dieses blutig.
[Ersparen Sie mir jeden Argwohn. -- Ich werde Ihnen lange nicht25
schreiben, aber oft an Sie denken.] -- In Ihr weites glühendes Herz
senke das Geschik immer die Flammen Nahrung.

457. An Christian Otto.

Wenn du jezt nicht an Vossens Tafel sizest: so lasse mir ein wenig30
deinen Stuhl. Heute noch hast du den Kalender wieder.

458. An Christian Otto.

Nim die spätere Ankunft des Kalenders nicht übel: die der H[erol-
dischen]
gestern abends hinderte mich, ihn zu bringen.35

transſzendente Portraitmalerin der Individuen; dies verſtehen
Franzoſen, aber keine Deutſche. Sie ſind in dieſem Punkte keine.]

Ein mänliches Herz iſt der Tummel- und Zimmerplaz der ganzen
Welt, das Kampffeld der politiſchen Verhältniſſe und die Grotte der
Freundſchaft. — Der in ſo viele Arme zertheilte Strom der Liebe geht5
dan freilich nicht ſo tief und breit dahin als der, der unzerlegt aus einem
weiblichen Herzen flieſſet, das ſelten mehr umfängt als das, was es ge-[271]
heirathet und was es geboren hat. — Eine Seele, die [der] Guyon
Herz in ihre Bruſt zu ziehen und zu faſſen weis, täuſcht ſich über das
Misverhältnis zwiſchen ihrem Werthe und ihrem Glauben, ſie iſt10
gröſſer und geiſtiger als ihr Glaubensbekentnis. — [Schillers]
Furien Almanach hat mehr Salz als Farben: alles darin iſt klein, aus-
genommen das Kleine [die Epigramme. Ich werde nie etwas darüber
ſagen, ſo ſehr die Mishandlung eines Reichard, Hermes ꝛc. einen
Bluträcher aufruft; aber] der genialiſche Egoiſmus, der heftigſte15
[unter allen], verdient [im Algemeinen] äzende Farben und breite
Striche. [Doch habe ich gegen Göthe und Schiller eben ſo viele Liebe
als eigentliches Mitleid mit ihren eingeäſcherten Herzen. — Warum
hör’ ich nichts von meinen geliebten Herders, die wie Jugend- und
Heiligenbilder vor meiner Sehnſucht ſtehen, und von den andern, be-20
ſonders von Knebel, den ich zugleich liebe und bekämpfe. — Ach Sie
halten mich für ſo veränderlich und ich habe noch keinen einzigen
Menſchen aus Weimar vergeſſen, wie viel weniger Sie, aber] Ihre
Hand drükt ſeltener meine Hand als mein Herz und preſſet dieſes blutig.
[Erſparen Sie mir jeden Argwohn. — Ich werde Ihnen lange nicht25
ſchreiben, aber oft an Sie denken.] — In Ihr weites glühendes Herz
ſenke das Geſchik immer die Flammen Nahrung.

457. An Chriſtian Otto.

Wenn du jezt nicht an Voſſens Tafel ſizeſt: ſo laſſe mir ein wenig30
deinen Stuhl. Heute noch haſt du den Kalender wieder.

458. An Chriſtian Otto.

Nim die ſpätere Ankunft des Kalenders nicht übel: die der H[erol-
dischen]
geſtern abends hinderte mich, ihn zu bringen.35

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[271/0286] transſzendente Portraitmalerin der Individuen; dies verſtehen Franzoſen, aber keine Deutſche. Sie ſind in dieſem Punkte keine.] Ein mänliches Herz iſt der Tummel- und Zimmerplaz der ganzen Welt, das Kampffeld der politiſchen Verhältniſſe und die Grotte der Freundſchaft. — Der in ſo viele Arme zertheilte Strom der Liebe geht 5 dan freilich nicht ſo tief und breit dahin als der, der unzerlegt aus einem weiblichen Herzen flieſſet, das ſelten mehr umfängt als das, was es ge- heirathet und was es geboren hat. — Eine Seele, die [der] Guyon Herz in ihre Bruſt zu ziehen und zu faſſen weis, täuſcht ſich über das Misverhältnis zwiſchen ihrem Werthe und ihrem Glauben, ſie iſt 10 gröſſer und geiſtiger als ihr Glaubensbekentnis. — [Schillers] Furien Almanach hat mehr Salz als Farben: alles darin iſt klein, aus- genommen das Kleine [die Epigramme. Ich werde nie etwas darüber ſagen, ſo ſehr die Mishandlung eines Reichard, Hermes ꝛc. einen Bluträcher aufruft; aber] der genialiſche Egoiſmus, der heftigſte 15 [unter allen], verdient [im Algemeinen] äzende Farben und breite Striche. [Doch habe ich gegen Göthe und Schiller eben ſo viele Liebe als eigentliches Mitleid mit ihren eingeäſcherten Herzen. — Warum hör’ ich nichts von meinen geliebten Herders, die wie Jugend- und Heiligenbilder vor meiner Sehnſucht ſtehen, und von den andern, be- 20 ſonders von Knebel, den ich zugleich liebe und bekämpfe. — Ach Sie halten mich für ſo veränderlich und ich habe noch keinen einzigen Menſchen aus Weimar vergeſſen, wie viel weniger Sie, aber] Ihre Hand drükt ſeltener meine Hand als mein Herz und preſſet dieſes blutig. [Erſparen Sie mir jeden Argwohn. — Ich werde Ihnen lange nicht 25 ſchreiben, aber oft an Sie denken.] — In Ihr weites glühendes Herz ſenke das Geſchik immer die Flammen Nahrung. [271] 457. An Chriſtian Otto. [Hof, 10. Nov. 1796] Wenn du jezt nicht an Voſſens Tafel ſizeſt: ſo laſſe mir ein wenig 30 deinen Stuhl. Heute noch haſt du den Kalender wieder. 458. An Chriſtian Otto. [Hof, 11. Nov. 1796] Nim die ſpätere Ankunft des Kalenders nicht übel: die der H[erol- dischen] geſtern abends hinderte mich, ihn zu bringen. 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/286>, abgerufen am 24.11.2024.