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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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und öder um dich, immer lauter und voller in dir wird: desto weiter
dringet jedes Sargseil schneidend in dein Herz; ein Band des mit
Aether gefülten Geistes wird nach dem andern zerhauen und unser
besseres Selbst immer mehr von seinem Zug gegen die Erde erlöset --
der Trauernde wird zulezt ein Träumer -- der Trauerflor giebt der5
Nachbarschaft eine dämmernde ferne vergangne Gestalt und dan in
dieser Ueberhüllung des Innern entstehe nie die Frage im Bekümmerten:
wenn nun der lezte beste Freund gar stirbt -- Ich mag diese Frage weder
beschliessen noch beantworten -- der kleine noch in sein[er] Kulisse ver-
hülte Erdenschauspieler -- Hefte mir den Titular Hasenschwanz10
Kandidat wieder an, den du mir abgeschnitten hast. Der Briefträger
behielt den Brief -- deiner Anglisierung wegen -- 8 Tage lang in der
Tasche, wo er ihm eine Naturalisazionsakte verlieh. Seze auf dein
Schreiben

Seiner15
des Herrn Kandidaten Richter
HochEdelgeboren. --

Da der Mensch sogar die wirkliche Welt nur geniesset, indem er sie
in seinen Kopf versezt; da also sogar die Wirklichkeit nur durch die
destillatio per adscensum in der 4 Gehirnkammer Spiritus erhält20
und das Erdige im Niederschlag verliert: so macht eine Phantasie
Welt, die man nicht erst über den Helm zu ziehen braucht, noch
glüklicher: Kurz die Realdefinizion eines Glüklichen ist: seelig ist wer
studiert hat und schreibt was ihm einfält. -- Richte die herausfliegenden[11]
Briefe nicht nach der ästhetischen Regel des reinen Sazes, aber stelle25
die Mumien unter das Renzens[ier] Rekrutenmaas. -- Wir müssen
irgend ein Pläzgen im Reich der Wahrheit zu unserm Disputa[to]rium
und zum Fechtboden unsrer Kiele machen. -- Bring das Adjunkten
Hasenlangohr so weit, daß es Papier nimt und es brieflich [?] an mich
erlässet. Werfe dem Ohr nur vor etc. daß ich in diesem epistolarischen30
Wechselgesang ihm in seinem Neustädter Chore schon ordentlich ant-
worten und entgegensingen werde aus meinem Höfer. -- Mein lieber
Adoptivbruder und schau mit einem genesenen Herzen der kurzen Ent-
kleidung der Natur, der Flucht des Luftchors und dem Lichten der
gelbenden Gärten zu.35

2*

und öder um dich, immer lauter und voller in dir wird: deſto weiter
dringet jedes Sargſeil ſchneidend in dein Herz; ein Band des mit
Aether gefülten Geiſtes wird nach dem andern zerhauen und unſer
beſſeres Selbſt immer mehr von ſeinem Zug gegen die Erde erlöſet —
der Trauernde wird zulezt ein Träumer — der Trauerflor giebt der5
Nachbarſchaft eine dämmernde ferne vergangne Geſtalt und dan in
dieſer Ueberhüllung des Innern entſtehe nie die Frage im Bekümmerten:
wenn nun der lezte beſte Freund gar ſtirbt — Ich mag dieſe Frage weder
beſchlieſſen noch beantworten — der kleine noch in ſein[er] Kuliſſe ver-
hülte Erdenſchauſpieler — Hefte mir den Titular Haſenſchwanz10
Kandidat wieder an, den du mir abgeſchnitten haſt. Der Briefträger
behielt den Brief — deiner Angliſierung wegen — 8 Tage lang in der
Taſche, wo er ihm eine Naturaliſazionsakte verlieh. Seze auf dein
Schreiben

Seiner15
des Herrn Kandidaten Richter
HochEdelgeboren. —

Da der Menſch ſogar die wirkliche Welt nur genieſſet, indem er ſie
in ſeinen Kopf verſezt; da alſo ſogar die Wirklichkeit nur durch die
destillatio per adscensum in der 4 Gehirnkammer Spiritus erhält20
und das Erdige im Niederſchlag verliert: ſo macht eine Phantaſie
Welt, die man nicht erſt über den Helm zu ziehen braucht, noch
glüklicher: Kurz die Realdefinizion eines Glüklichen iſt: ſeelig iſt wer
ſtudiert hat und ſchreibt was ihm einfält. — Richte die herausfliegenden[11]
Briefe nicht nach der äſthetiſchen Regel des reinen Sazes, aber ſtelle25
die Mumien unter das Renzenſ[ier] Rekrutenmaas. — Wir müſſen
irgend ein Pläzgen im Reich der Wahrheit zu unſerm Diſputa[to]rium
und zum Fechtboden unſrer Kiele machen. — Bring das Adjunkten
Haſenlangohr ſo weit, daß es Papier nimt und es brieflich [?] an mich
erläſſet. Werfe dem Ohr nur vor ꝛc. daß ich in dieſem epiſtolariſchen30
Wechſelgeſang ihm in ſeinem Neuſtädter Chore ſchon ordentlich ant-
worten und entgegenſingen werde aus meinem Höfer. — Mein lieber
Adoptivbruder und ſchau mit einem geneſenen Herzen der kurzen Ent-
kleidung der Natur, der Flucht des Luftchors und dem Lichten der
gelbenden Gärten zu.35

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[19/0028] und öder um dich, immer lauter und voller in dir wird: deſto weiter dringet jedes Sargſeil ſchneidend in dein Herz; ein Band des mit Aether gefülten Geiſtes wird nach dem andern zerhauen und unſer beſſeres Selbſt immer mehr von ſeinem Zug gegen die Erde erlöſet — der Trauernde wird zulezt ein Träumer — der Trauerflor giebt der 5 Nachbarſchaft eine dämmernde ferne vergangne Geſtalt und dan in dieſer Ueberhüllung des Innern entſtehe nie die Frage im Bekümmerten: wenn nun der lezte beſte Freund gar ſtirbt — Ich mag dieſe Frage weder beſchlieſſen noch beantworten — der kleine noch in ſein[er] Kuliſſe ver- hülte Erdenſchauſpieler — Hefte mir den Titular Haſenſchwanz 10 Kandidat wieder an, den du mir abgeſchnitten haſt. Der Briefträger behielt den Brief — deiner Angliſierung wegen — 8 Tage lang in der Taſche, wo er ihm eine Naturaliſazionsakte verlieh. Seze auf dein Schreiben Seiner 15 des Herrn Kandidaten Richter HochEdelgeboren. — Da der Menſch ſogar die wirkliche Welt nur genieſſet, indem er ſie in ſeinen Kopf verſezt; da alſo ſogar die Wirklichkeit nur durch die destillatio per adscensum in der 4 Gehirnkammer Spiritus erhält 20 und das Erdige im Niederſchlag verliert: ſo macht eine Phantaſie Welt, die man nicht erſt über den Helm zu ziehen braucht, noch glüklicher: Kurz die Realdefinizion eines Glüklichen iſt: ſeelig iſt wer ſtudiert hat und ſchreibt was ihm einfält. — Richte die herausfliegenden Briefe nicht nach der äſthetiſchen Regel des reinen Sazes, aber ſtelle 25 die Mumien unter das Renzenſ[ier] Rekrutenmaas. — Wir müſſen irgend ein Pläzgen im Reich der Wahrheit zu unſerm Diſputa[to]rium und zum Fechtboden unſrer Kiele machen. — Bring das Adjunkten Haſenlangohr ſo weit, daß es Papier nimt und es brieflich [?] an mich erläſſet. Werfe dem Ohr nur vor ꝛc. daß ich in dieſem epiſtolariſchen 30 Wechſelgeſang ihm in ſeinem Neuſtädter Chore ſchon ordentlich ant- worten und entgegenſingen werde aus meinem Höfer. — Mein lieber Adoptivbruder und ſchau mit einem geneſenen Herzen der kurzen Ent- kleidung der Natur, der Flucht des Luftchors und dem Lichten der gelbenden Gärten zu. 35 [11] 2*

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/28>, abgerufen am 18.12.2024.