Gewölkes. Inzwischen macht eine solche Ehrenbezeugung der Natur ein wenig -- nas. Ich sehnte mich so sehr, wie ein Sohn von Ihnen, vom schönen Jena nach Weimar zurük. Mittags nahm H. von Knebel H. von Oertel und mich nach Tieffurth an den Mannatisch. Vergeben Sie, daß ich Ihnen das alles berichte: ich thu' es, um eine Gelegenheit5 zu haben, Ihnen und Ihrem geliebtesten H. Gemahl für zwei ver- gangne Einladungen mit dem erkentlichsten Herzen zu danken. Möge jede Rose, die Sie auf den Steig eines fremden Lebens werfen, ihren Blumensamen über den Ihrigen versäen und einen ganzen Rosengarten nachlassen!10
Jean Paul F. Richter
N. S. Fr. von Kalb gab mir die wärmsten Empfehlungen an Ihr Haus mit.
(*)345. An Charlotte von Kalb in Jena.
[Kopie, z. T. Konzept][Weimar, 28. Juni 1796]15
In den bunten Mondschein des Traumes fuhr der grelle Bliz und das niederbrechende Meer der Wolken überzog alle Blumen der Phantasie. Ich dachte, der Himmel reisse meine bisherigen Tage, in [217]denen ich aus einem Blumenkelch in den andern sank, mit dem Donner- keil ab und der Bliz lecke über unsre kleine Welt. -- Die Sehnsucht ist20 das die feine das Herz auseinander legende aqua toffana. Der Mensch bezahlt jede Freude mit einem doppelten Schmerz, dem der Sehnsucht und der Sättigung: nur mitten innen zwischen der Stunde, wo man das Sehnen fühlt, und der 2ten, wo man es befriedigt hat, liegt das Paradies, nämlich die 3te, wo man es befriedigt -- Die25 Erwägung unserer abbrevierten [oft] von der nächsten Minute beschlossenen Zeit, [unsers innern hohen Verlangens und der äussern Oede mögen diesen Gesinnungen in Ihrer Seele immer mehr Glanz bereiten und Sie zugleich ruhig und seelig machen! -- Das] ewige Wachsthum der Freuden, die die Aufopferung giebt, das fort-30 gehende Verdorren der Freuden, die die äussere Nachbarschaft verleiht, [möge in deinem Herzen den heitern Glanz der Gotheit immer mehr ausbreiten! Der Mondschein unsers Lebens liegt nahe am hellen Glanze des ewigen Morgens.]
Gewölkes. Inzwiſchen macht eine ſolche Ehrenbezeugung der Natur ein wenig — nas. Ich ſehnte mich ſo ſehr, wie ein Sohn von Ihnen, vom ſchönen Jena nach Weimar zurük. Mittags nahm H. von Knebel H. von Oertel und mich nach Tieffurth an den Mannatiſch. Vergeben Sie, daß ich Ihnen das alles berichte: ich thu’ es, um eine Gelegenheit5 zu haben, Ihnen und Ihrem geliebteſten H. Gemahl für zwei ver- gangne Einladungen mit dem erkentlichſten Herzen zu danken. Möge jede Roſe, die Sie auf den Steig eines fremden Lebens werfen, ihren Blumenſamen über den Ihrigen verſäen und einen ganzen Roſengarten nachlaſſen!10
Jean Paul F. Richter
N. S. Fr. von Kalb gab mir die wärmſten Empfehlungen an Ihr Haus mit.
(*)345. An Charlotte von Kalb in Jena.
[Kopie, z. T. Konzept][Weimar, 28. Juni 1796]15
In den bunten Mondſchein des Traumes fuhr der grelle Bliz und das niederbrechende Meer der Wolken überzog alle Blumen der Phantaſie. Ich dachte, der Himmel reiſſe meine bisherigen Tage, in [217]denen ich aus einem Blumenkelch in den andern ſank, mit dem Donner- keil ab und der Bliz lecke über unſre kleine Welt. — Die Sehnſucht iſt20 das 〈die〉 feine das Herz auseinander legende aqua toffana. Der Menſch bezahlt jede Freude mit einem doppelten Schmerz, dem der Sehnſucht und der Sättigung: nur mitten innen zwiſchen der Stunde, wo man das Sehnen fühlt, und der 2ten, wo man es befriedigt hat, liegt das Paradies, nämlich die 3te, wo man es befriedigt — Die25 Erwägung unſerer abbrevierten [oft] von der nächſten Minute beſchloſſenen Zeit, [unſers innern hohen Verlangens und der äuſſern Oede mögen dieſen Geſinnungen in Ihrer Seele immer mehr Glanz bereiten und Sie zugleich ruhig und ſeelig machen! — Das] ewige Wachsthum der Freuden, die die Aufopferung giebt, das fort-30 gehende Verdorren der Freuden, die die äuſſere Nachbarſchaft verleiht, [möge in deinem Herzen den heitern Glanz der Gotheit immer mehr ausbreiten! Der Mondſchein unſers Lebens liegt nahe am hellen Glanze des ewigen Morgens.]
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H. von Oertel und mich nach Tieffurth an den Mannatiſch. Vergeben
Sie, daß ich Ihnen das alles berichte: ich thu’ es, um eine Gelegenheit 5
zu haben, Ihnen und Ihrem geliebteſten H. Gemahl für zwei ver-
gangne Einladungen mit dem erkentlichſten Herzen zu danken. Möge
jede Roſe, die Sie auf den Steig eines fremden Lebens werfen, ihren
Blumenſamen über den Ihrigen verſäen und einen ganzen Roſengarten
nachlaſſen! 10
Jean Paul F. Richter
N. S. Fr. von Kalb gab mir die wärmſten Empfehlungen an Ihr
Haus mit.
(*)345. An Charlotte von Kalb in Jena.
[Weimar, 28. Juni 1796] 15
In den bunten Mondſchein des Traumes fuhr der grelle Bliz und
das niederbrechende Meer der Wolken überzog alle Blumen der
Phantaſie. Ich dachte, der Himmel reiſſe meine bisherigen Tage, in
denen ich aus einem Blumenkelch in den andern ſank, mit dem Donner-
keil ab und der Bliz lecke über unſre kleine Welt. — Die Sehnſucht iſt 20
das 〈die〉 feine das Herz auseinander legende aqua toffana. Der
Menſch bezahlt jede Freude mit einem doppelten Schmerz, dem der
Sehnſucht und der Sättigung: nur mitten innen zwiſchen der Stunde,
wo man das Sehnen fühlt, und der 2ten, wo man es befriedigt hat,
liegt das Paradies, nämlich die 3te, wo man es befriedigt — Die 25
Erwägung unſerer abbrevierten [oft] von der nächſten Minute
beſchloſſenen Zeit, [unſers innern hohen Verlangens und der äuſſern
Oede mögen dieſen Geſinnungen in Ihrer Seele immer mehr Glanz
bereiten und Sie zugleich ruhig und ſeelig machen! — Das] ewige
Wachsthum der Freuden, die die Aufopferung giebt, das fort- 30
gehende Verdorren der Freuden, die die äuſſere Nachbarſchaft verleiht,
[möge in deinem Herzen den heitern Glanz der Gotheit immer mehr
ausbreiten! Der Mondſchein unſers Lebens liegt nahe am hellen
Glanze des ewigen Morgens.]
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/232>, abgerufen am 21.11.2024.
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