nichts in der Welt ungeschikter -- das Tanzen ausgenommen -- als zu solchen schönen Spielen: ich besorge, meine Einfälle sind noch [196]dümmer als ich selber. Sie haben aber einen so langen und schönen Szepter über mich ausgestrekt, daß ich für Sie nicht blos die rühm- lichsten Handlungen begehen könte, sondern auch die sonderbarsten.5
Ich schrieb Ihnen das vorigemal früher als ich meinen Otto ge- sehen hatte: er konte also erst heute die Güte Ihres melodischen Herzens mit dem Echo des seinigen erwiedern und Ihnen für den Antheil sogar an unsichtbaren Freunden danken.
Ich gehe nach Weimar den 30ten Mai abends. Sie sezen blos10 meinen Namen und die Worte auf den Brief: abzugeben bei Fr. von Kalb gebohrne v. Marschalk. Ich hoffe Ihnen noch einmal zu schreiben. Der A[hlefeldsche] Brief war mir eine ofne Himmelsthür ins Eden einer tugendhaften Seele.
Der Ihrigen gebe in der kurzen Nacht des Lebens das Schiksal schöne15 helle Gestirne und Nachtviolen!
Ihr innigster Freund Richter
*319. An Hofrat Schäfer in Bayreuth.20
Hof d. 25 Mai 1796.
Nachsichtigster Freund!
Denn leider können Sie nicht der meinige sein, ohne jenes zu sein. -- Hier send' ich Ihnen vor Ablauf der peremptorischen Frist und vor dem meinigen nach Weimar die elenden Kupferplatten-Kartons, die25 Sie für Werke des Zufals auf den sandigen Scheiben Chladni's halten sollen. -- Da der Fürst höchstens die exekutive und die Themis oder das Volk die legislatorische Gewalt haben solte: so könte man die Themis vorstellen, wie sie ihr Schwert dem König giebt, und diesen, wie er ihr die Wage giebt (die sie leider jezt von den Königen erst30 bekömt, die doch auf ihr gewogen werden solten). Ich glaube nicht, daß Sie hinter dem Rücken der Themis die Kammer postieren werden, die ihr die Binde von den Augen nimt und sie um den Hals anknüpft zum Strangulieren. -- Oder Sie könten den Konsul Brutus vorstellen lassen, der seine Söhne dem Geseze opfert; -- oder jenen35 [197]Sparter, dessen Kopf erst gekränzt wurde für seinen Sieg, dan ab-
nichts in der Welt ungeſchikter — das Tanzen ausgenommen — als zu ſolchen ſchönen Spielen: ich beſorge, meine Einfälle ſind noch [196]dümmer als ich ſelber. Sie haben aber einen ſo langen und ſchönen Szepter über mich ausgeſtrekt, daß ich für Sie nicht blos die rühm- lichſten Handlungen begehen könte, ſondern auch die ſonderbarſten.5
Ich ſchrieb Ihnen das vorigemal früher als ich meinen Otto ge- ſehen hatte: er konte alſo erſt heute die Güte Ihres melodiſchen Herzens mit dem Echo des ſeinigen erwiedern und Ihnen für den Antheil ſogar an unſichtbaren Freunden danken.
Ich gehe nach Weimar den 30ten Mai abends. Sie ſezen blos10 meinen Namen und die Worte auf den Brief: abzugeben bei Fr. von Kalb gebohrne v. Marschalk. Ich hoffe Ihnen noch einmal zu ſchreiben. Der A[hlefeldſche] Brief war mir eine ofne Himmelsthür ins Eden einer tugendhaften Seele.
Der Ihrigen gebe in der kurzen Nacht des Lebens das Schikſal ſchöne15 helle Geſtirne und Nachtviolen!
Ihr innigſter Freund Richter
*319. An Hofrat Schäfer in Bayreuth.20
Hof d. 25 Mai 1796.
Nachſichtigſter Freund!
Denn leider können Sie nicht der meinige ſein, ohne jenes zu ſein. — Hier ſend’ ich Ihnen vor Ablauf der peremptoriſchen Friſt und vor dem meinigen nach Weimar die elenden Kupferplatten-Kartons, die25 Sie für Werke des Zufals auf den ſandigen Scheiben Chladni’s halten ſollen. — Da der Fürſt höchſtens die exekutive und die Themis oder das Volk die legislatoriſche Gewalt haben ſolte: ſo könte man die Themis vorſtellen, wie ſie ihr Schwert dem König giebt, und dieſen, wie er ihr die Wage giebt (die ſie leider jezt von den Königen erſt30 bekömt, die doch auf ihr gewogen werden ſolten). Ich glaube nicht, daß Sie hinter dem Rücken der Themis die Kammer poſtieren werden, die ihr die Binde von den Augen nimt und ſie um den Hals anknüpft zum Strangulieren. — Oder Sie könten den Konſul Brutus vorſtellen laſſen, der ſeine Söhne dem Geſeze opfert; — oder jenen35 [197]Sparter, deſſen Kopf erſt gekränzt wurde für ſeinen Sieg, dan ab-
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nichts in der Welt ungeſchikter — das Tanzen ausgenommen —
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Szepter über mich ausgeſtrekt, daß ich für Sie nicht blos die rühm-
lichſten Handlungen begehen könte, ſondern auch die ſonderbarſten. 5
[196]Ich ſchrieb Ihnen das vorigemal früher als ich meinen Otto ge-
ſehen hatte: er konte alſo erſt heute die Güte Ihres melodiſchen
Herzens mit dem Echo des ſeinigen erwiedern und Ihnen für den
Antheil ſogar an unſichtbaren Freunden danken.
Ich gehe nach Weimar den 30ten Mai abends. Sie ſezen blos 10
meinen Namen und die Worte auf den Brief: abzugeben bei Fr.
von Kalb gebohrne v. Marschalk. Ich hoffe Ihnen noch einmal zu
ſchreiben. Der A[hlefeldſche] Brief war mir eine ofne Himmelsthür
ins Eden einer tugendhaften Seele.
Der Ihrigen gebe in der kurzen Nacht des Lebens das Schikſal ſchöne 15
helle Geſtirne und Nachtviolen!
Ihr
innigſter Freund
Richter
*319. An Hofrat Schäfer in Bayreuth. 20
Hof d. 25 Mai 1796.
Nachſichtigſter Freund!
Denn leider können Sie nicht der meinige ſein, ohne jenes zu ſein.
— Hier ſend’ ich Ihnen vor Ablauf der peremptoriſchen Friſt und vor
dem meinigen nach Weimar die elenden Kupferplatten-Kartons, die 25
Sie für Werke des Zufals auf den ſandigen Scheiben Chladni’s halten
ſollen. — Da der Fürſt höchſtens die exekutive und die Themis oder
das Volk die legislatoriſche Gewalt haben ſolte: ſo könte man die
Themis vorſtellen, wie ſie ihr Schwert dem König giebt, und dieſen,
wie er ihr die Wage giebt (die ſie leider jezt von den Königen erſt 30
bekömt, die doch auf ihr gewogen werden ſolten). Ich glaube nicht,
daß Sie hinter dem Rücken der Themis die Kammer poſtieren
werden, die ihr die Binde von den Augen nimt und ſie um den Hals
anknüpft zum Strangulieren. — Oder Sie könten den Konſul Brutus
vorſtellen laſſen, der ſeine Söhne dem Geſeze opfert; — oder jenen 35
Sparter, deſſen Kopf erſt gekränzt wurde für ſeinen Sieg, dan ab-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/211>, abgerufen am 30.07.2024.
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