beigelegt. -- Kretschman begieng die Unschiklichkeit, es ohne Couvert zu schicken. Ich riethe dir etwas für Göttingen zu machen -- oder dieses sogar zu schicken.
251. An Christian Otto.
[Hof, 29. Febr. 1796]5
Du hast mir mit deiner Frage meine erspart. Ich möchte wol, da ich mich heute zur Baurede aufs Dach meines biographischen Spar- werks sezen wil, erst nach dem Essen hingehen. Wilst du also: so komm' ich um 71/2 Uhr zu dir.
(*)252. An Hans Georg von Ahlefeldt in Berlin.10
Hof d. 1 März 1796.
Zu voller und Guter,
Dein Brief gab mir die Palingenesie unserer ersten Stunde und jene heissen Stiche, die ich allemal bei grosser Freude in der Gegend des Herzens fühle. Warum hast du mir die Stunde nicht eher gegeben15 und auf mich gewartet, indes ich auf dich wartete. Aber du liebst deinen neuen Bruder zu sehr. Ich habe noch nichts für dich gethan und werde es nie können und ach! es ist so wenig, was der Mensch dem andern reichen kan. Deine Gefühle für mich müssen sich selbst in deinem Busen belohnen, ehe sie aus ihm kommen: meiner kan sie nur er-20 wiedern, nie vergelten. -- Hüte dich aber vor deiner Phantasie, die dir Gestalten stat Bilder zuschikt und dem Gewölke stat Abendfarben Abendschreklarven eindrükt. Sie mus nur die Farben unsers Himmels, nicht unsrer Hölle höher malen, und sich in unsre trüben Tage gar nicht mischen. Deine ist aber eine Sonne, in der die helsten Sterne,25 der Merkur und der Morgenstern, wenn sie daran vorübergehen, zu dunkeln Punkten werden. -- Suche etwas, eine Art Arbeit, woran du ihre Funken entlädst. Für die meinige, die mich eben so wenig be- glücken würde, ist der Schreibtisch der Auslader. --
Zu deiner Klotilde hatt' ich, da ich in Bayreuth war, troz aller30 Sehnsucht nicht -- weil ich nicht wuste, ob du mich ihr schon präsen- [159]tieret hättest -- den Muth. Aber mein erster Flug ist nach Bayreuth -- und mein zweiter zu ihr.
O wenn du und ich einmal in Bayreuth Sie -- und ausser Bayreuth die zwei elysischen Felder und Rosenthäler sehen werden -- und wenn35
beigelegt. — Kretſchman begieng die Unſchiklichkeit, es ohne Couvert zu ſchicken. Ich riethe dir etwas für Göttingen zu machen — oder dieſes ſogar zu ſchicken.
251. An Chriſtian Otto.
[Hof, 29. Febr. 1796]5
Du haſt mir mit deiner Frage meine erſpart. Ich möchte wol, da ich mich heute zur Baurede aufs Dach meines biographiſchen Spar- werks ſezen wil, erſt nach dem Eſſen hingehen. Wilſt du alſo: ſo komm’ ich um 7½ Uhr zu dir.
(*)252. An Hans Georg von Ahlefeldt in Berlin.10
Hof d. 1 März 1796.
Zu voller und Guter,
Dein Brief gab mir die Palingeneſie unſerer erſten Stunde und jene heiſſen Stiche, die ich allemal bei groſſer Freude in der Gegend des Herzens fühle. Warum haſt du mir die Stunde nicht eher gegeben15 und auf mich gewartet, indes ich auf dich wartete. Aber du liebſt deinen neuen Bruder zu ſehr. Ich habe noch nichts für dich gethan und werde es nie können und ach! es iſt ſo wenig, was der Menſch dem andern reichen kan. Deine Gefühle für mich müſſen ſich ſelbſt in deinem Buſen belohnen, ehe ſie aus ihm kommen: meiner kan ſie nur er-20 wiedern, nie vergelten. — Hüte dich aber vor deiner Phantaſie, die dir Geſtalten ſtat Bilder zuſchikt und dem Gewölke ſtat Abendfarben Abendſchreklarven eindrükt. Sie mus nur die Farben unſers Himmels, nicht unſrer Hölle höher malen, und ſich in unſre trüben Tage gar nicht miſchen. Deine iſt aber eine Sonne, in der die helſten Sterne,25 der Merkur und der Morgenſtern, wenn ſie daran vorübergehen, zu dunkeln Punkten werden. — Suche etwas, eine Art Arbeit, woran du ihre Funken entlädſt. Für die meinige, die mich eben ſo wenig be- glücken würde, iſt der Schreibtiſch der Auslader. —
Zu deiner Klotilde hatt’ ich, da ich in Bayreuth war, troz aller30 Sehnſucht nicht — weil ich nicht wuſte, ob du mich ihr ſchon präſen- [159]tieret hätteſt — den Muth. Aber mein erſter Flug iſt nach Bayreuth — und mein zweiter zu ihr.
O wenn du und ich einmal in Bayreuth Sie — und auſſer Bayreuth die zwei elyſiſchen Felder und Roſenthäler ſehen werden — und wenn35
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dieſes ſogar zu ſchicken.
251. An Chriſtian Otto.
[Hof, 29. Febr. 1796] 5
Du haſt mir mit deiner Frage meine erſpart. Ich möchte wol, da
ich mich heute zur Baurede aufs Dach meines biographiſchen Spar-
werks ſezen wil, erſt nach dem Eſſen hingehen. Wilſt du alſo: ſo komm’
ich um 7½ Uhr zu dir.
(*)252. An Hans Georg von Ahlefeldt in Berlin. 10
Hof d. 1 März 1796.
Zu voller und Guter,
Dein Brief gab mir die Palingeneſie unſerer erſten Stunde und
jene heiſſen Stiche, die ich allemal bei groſſer Freude in der Gegend
des Herzens fühle. Warum haſt du mir die Stunde nicht eher gegeben 15
und auf mich gewartet, indes ich auf dich wartete. Aber du liebſt
deinen neuen Bruder zu ſehr. Ich habe noch nichts für dich gethan und
werde es nie können und ach! es iſt ſo wenig, was der Menſch dem
andern reichen kan. Deine Gefühle für mich müſſen ſich ſelbſt in deinem
Buſen belohnen, ehe ſie aus ihm kommen: meiner kan ſie nur er- 20
wiedern, nie vergelten. — Hüte dich aber vor deiner Phantaſie, die dir
Geſtalten ſtat Bilder zuſchikt und dem Gewölke ſtat Abendfarben
Abendſchreklarven eindrükt. Sie mus nur die Farben unſers Himmels,
nicht unſrer Hölle höher malen, und ſich in unſre trüben Tage gar
nicht miſchen. Deine iſt aber eine Sonne, in der die helſten Sterne, 25
der Merkur und der Morgenſtern, wenn ſie daran vorübergehen, zu
dunkeln Punkten werden. — Suche etwas, eine Art Arbeit, woran du
ihre Funken entlädſt. Für die meinige, die mich eben ſo wenig be-
glücken würde, iſt der Schreibtiſch der Auslader. —
Zu deiner Klotilde hatt’ ich, da ich in Bayreuth war, troz aller 30
Sehnſucht nicht — weil ich nicht wuſte, ob du mich ihr ſchon präſen-
tieret hätteſt — den Muth. Aber mein erſter Flug iſt nach Bayreuth —
und mein zweiter zu ihr.
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O wenn du und ich einmal in Bayreuth Sie — und auſſer Bayreuth
die zwei elyſiſchen Felder und Roſenthäler ſehen werden — und wenn 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/171>, abgerufen am 16.02.2025.
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