Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

Bild:
<< vorherige Seite

treibe, daß ich nach Leimiz um 21/4 Uhr gelange. -- Ich wil dir einmal
auch alle deine Briefe, chronologisch gereihet, vorstrecken, um dir die
sonderbare Empfindung bei einer solchen papiernen Vergangenheit
auch zu geben.

248. An Wernlein in Neustadt a. d. Aisch.5
[Kopie]

Nach so viel Jahren vol Veränderungen in und ausser meinem
Herzen. Wärst du in B[ayreuth]: mir würde der Weg hinaus kürzer
vorkommen als dir herein; das vorigemal lag zwischen mir und dir
nicht die Siriusweite*) von 6 Meilen sondern der stürmende Himmel.10
-- Das Leben gehe dir in sanften Sternbildern vorüber, aus denen in
der Nähe Sonnen herausfallen.

249. An Christian Otto.

Der Appendix folgt zur Hälfte. Dasmal war die Geschichte nur15
Dienerin, also zuweilen vernachlässigt. Du must also einigen Locker-
heiten nachsehen, denen ich nur auf Kosten des ohnehin verschwendeten
Papiers hätte nachhelfen können. -- Ich komme vor dem Essen. --
Der gute Oertel wird noch machen, daß ich nicht das Herz habe, seine
schönen Illusionen zu -- endigen; aber doch gewint man innerlich20
mehr, durch die Uebertreibung des fremden Lobes als Tadels, und
jenes nimt Irthümer, die oft dieser geben kan. -- Schicke mir den
Brief jezt.

250. An Christian Otto.
25

Ich habe ein wenig darin geblättert -- denn ich durfte, weil ichs
doch gedrukt hätte auch durchblättern dürfen -- und fand es anders;
gieb mir es (einmal) wieder. Das Avertissement wurde nicht meinet-
wegen, sondern für den Verfasser der zurükkommenden Rezension[158]

*) Zur Sonne mus eine Kanonenkugel soviel Jahre haben als ein Mensch zur30
Majorennität, du brauchst aber bei deiner Eile vielleicht kaum das 1/4 vom Jahr,
um aus dem Unterland heraufzufliegen zum Gestirn, das dich wärmt.

treibe, daß ich nach Leimiz um 2¼ Uhr gelange. — Ich wil dir einmal
auch alle deine Briefe, chronologiſch gereihet, vorſtrecken, um dir die
ſonderbare Empfindung bei einer ſolchen papiernen Vergangenheit
auch zu geben.

248. An Wernlein in Neuſtadt a. d. Aiſch.5
[Kopie]

Nach ſo viel Jahren vol Veränderungen in und auſſer meinem
Herzen. Wärſt du in B[ayreuth]: mir würde der Weg hinaus kürzer
vorkommen als dir herein; das vorigemal lag zwiſchen mir und dir
nicht die Siriusweite*) von 6 Meilen ſondern der ſtürmende Himmel.10
— Das Leben gehe dir in ſanften Sternbildern vorüber, aus denen in
der Nähe Sonnen herausfallen.

249. An Chriſtian Otto.

Der Appendix folgt zur Hälfte. Dasmal war die Geſchichte nur15
Dienerin, alſo zuweilen vernachläſſigt. Du muſt alſo einigen Locker-
heiten nachſehen, denen ich nur auf Koſten des ohnehin verſchwendeten
Papiers hätte nachhelfen können. — Ich komme vor dem Eſſen. —
Der gute Oertel wird noch machen, daß ich nicht das Herz habe, ſeine
ſchönen Illuſionen zu — endigen; aber doch gewint man innerlich20
mehr, durch die Uebertreibung des fremden Lobes als Tadels, und
jenes nimt Irthümer, die oft dieſer geben kan. — Schicke mir den
Brief jezt.

250. An Chriſtian Otto.
25

Ich habe ein wenig darin geblättert — denn ich durfte, weil ichs
doch gedrukt hätte auch durchblättern dürfen — und fand es anders;
gieb mir es (einmal) wieder. Das Avertiſſement wurde nicht meinet-
wegen, ſondern für den Verfaſſer der zurükkommenden Rezenſion[158]

*) Zur Sonne mus eine Kanonenkugel ſoviel Jahre haben als ein Menſch zur30
Majorennität, du brauchſt aber bei deiner Eile vielleicht kaum das ¼ vom Jahr,
um aus dem Unterland heraufzufliegen zum Geſtirn, das dich wärmt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="159"/>
treibe, daß ich nach Leimiz um 2¼ Uhr gelange. &#x2014; Ich wil dir einmal<lb/>
auch alle deine Briefe, chronologi&#x017F;ch gereihet, vor&#x017F;trecken, um dir die<lb/>
&#x017F;onderbare Empfindung bei einer &#x017F;olchen papiernen Vergangenheit<lb/>
auch zu geben.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>248. An <hi rendition="#g">Wernlein in Neu&#x017F;tadt a. d. Ai&#x017F;ch.</hi><lb n="5"/>
</head>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 28. Febr. 1796]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Nach &#x017F;o viel Jahren vol Veränderungen in und au&#x017F;&#x017F;er meinem<lb/>
Herzen. Wär&#x017F;t du in <hi rendition="#aq">B[ayreuth]:</hi> mir würde der Weg hinaus kürzer<lb/>
vorkommen als dir herein; das vorigemal lag zwi&#x017F;chen mir und dir<lb/>
nicht die Siriusweite<note place="foot" n="*)">Zur Sonne mus eine Kanonenkugel &#x017F;oviel Jahre haben als ein Men&#x017F;ch zur<lb n="30"/>
Majorennität, du brauch&#x017F;t aber bei deiner Eile vielleicht kaum das ¼ vom Jahr,<lb/>
um aus dem Unterland heraufzufliegen zum Ge&#x017F;tirn, das dich wärmt.</note> von 6 Meilen &#x017F;ondern der &#x017F;türmende Himmel.<lb n="10"/>
&#x2014; Das Leben gehe dir in &#x017F;anften Sternbildern vorüber, aus denen in<lb/>
der Nähe Sonnen herausfallen.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>249. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 28. Febr. 1796. Sonntag]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Der Appendix folgt zur Hälfte. Dasmal war die Ge&#x017F;chichte nur<lb n="15"/>
Dienerin, al&#x017F;o zuweilen vernachlä&#x017F;&#x017F;igt. Du mu&#x017F;t al&#x017F;o einigen Locker-<lb/>
heiten nach&#x017F;ehen, denen ich nur auf Ko&#x017F;ten des ohnehin ver&#x017F;chwendeten<lb/>
Papiers hätte nachhelfen können. &#x2014; Ich komme vor dem E&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Der gute Oertel wird noch machen, daß ich nicht das Herz habe, &#x017F;eine<lb/>
&#x017F;chönen Illu&#x017F;ionen zu &#x2014; endigen; aber doch gewint man innerlich<lb n="20"/>
mehr, durch die Uebertreibung des fremden Lobes als Tadels, und<lb/>
jenes nimt Irthümer, die oft die&#x017F;er geben kan. &#x2014; Schicke mir den<lb/>
Brief jezt.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>250. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 29. Febr. 1796]</hi> </dateline>
        <lb n="25"/>
        <p>Ich habe ein wenig darin geblättert &#x2014; denn ich durfte, weil ichs<lb/>
doch gedrukt hätte auch durchblättern dürfen &#x2014; und fand es anders;<lb/>
gieb mir es (einmal) wieder. Das Averti&#x017F;&#x017F;ement wurde nicht meinet-<lb/>
wegen, &#x017F;ondern für den Verfa&#x017F;&#x017F;er der zurükkommenden Rezen&#x017F;ion<note place="right"><ref target="1922_Bd2_158">[158]</ref></note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0170] treibe, daß ich nach Leimiz um 2¼ Uhr gelange. — Ich wil dir einmal auch alle deine Briefe, chronologiſch gereihet, vorſtrecken, um dir die ſonderbare Empfindung bei einer ſolchen papiernen Vergangenheit auch zu geben. 248. An Wernlein in Neuſtadt a. d. Aiſch. 5 [Hof, 28. Febr. 1796] Nach ſo viel Jahren vol Veränderungen in und auſſer meinem Herzen. Wärſt du in B[ayreuth]: mir würde der Weg hinaus kürzer vorkommen als dir herein; das vorigemal lag zwiſchen mir und dir nicht die Siriusweite *) von 6 Meilen ſondern der ſtürmende Himmel. 10 — Das Leben gehe dir in ſanften Sternbildern vorüber, aus denen in der Nähe Sonnen herausfallen. 249. An Chriſtian Otto. [Hof, 28. Febr. 1796. Sonntag] Der Appendix folgt zur Hälfte. Dasmal war die Geſchichte nur 15 Dienerin, alſo zuweilen vernachläſſigt. Du muſt alſo einigen Locker- heiten nachſehen, denen ich nur auf Koſten des ohnehin verſchwendeten Papiers hätte nachhelfen können. — Ich komme vor dem Eſſen. — Der gute Oertel wird noch machen, daß ich nicht das Herz habe, ſeine ſchönen Illuſionen zu — endigen; aber doch gewint man innerlich 20 mehr, durch die Uebertreibung des fremden Lobes als Tadels, und jenes nimt Irthümer, die oft dieſer geben kan. — Schicke mir den Brief jezt. 250. An Chriſtian Otto. [Hof, 29. Febr. 1796] 25 Ich habe ein wenig darin geblättert — denn ich durfte, weil ichs doch gedrukt hätte auch durchblättern dürfen — und fand es anders; gieb mir es (einmal) wieder. Das Avertiſſement wurde nicht meinet- wegen, ſondern für den Verfaſſer der zurükkommenden Rezenſion [158] *) Zur Sonne mus eine Kanonenkugel ſoviel Jahre haben als ein Menſch zur 30 Majorennität, du brauchſt aber bei deiner Eile vielleicht kaum das ¼ vom Jahr, um aus dem Unterland heraufzufliegen zum Geſtirn, das dich wärmt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/170
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/170>, abgerufen am 21.11.2024.