1. N. S. Die verhülte Pallas hat noch einen leichtern Weg, zu[151] meinen Briefen zu kommen, noch dazu eh' sie erbrochen sind, -- nämlich ihre Adresse und ihre Erlaubnis.
Ich kenne -- das Brieflesen ausgenommen -- kein grösseres Ver- gnügen als das Briefschreiben, das ich leider jezt einem andern5 Schreiben aufzuopfern gezwungen bin.
2. N. S. Das Geld für die viel zu wolfeile Schürze packe ich be- quemer dem künftigen Buche bei.
*232. An Hofrat Schäfer in Bayreuth.
Hof d. 9 Febr. 1796.10
Innigst geliebter Freund,
Sie schicken mir in das eiserne Bette der Monarchie den holden Traum der platonischen Republik; aber in diesem Traume, der wie alle Träume nur ein freier Abdruk der Wirklichkeit sein mus, steht Gleich- heit der Güter voran; und diese fält bei unserm Troquieren meiner und15 Ihrer Bücher hinweg. Wie kommen Sie, bester Freund, der so sehr mein Gläubiger ist, dazu, mich für meine litterarischen Meteore so zu beschämen, die Sie dem Autor und dem Freunde schon genugsam ver- gelten, wenn Sie sie anschauen, ich meine -- lesen. Ich war in meinem ganzen Leben selten so glüklich, irgend jemand etwas geben zu können;20 und es befriedigt daher jezt meine Seele sanft, daß ich doch wenigstens meine opuscula geben kan. Darum nehmen Sie nicht diesem Ver- gnügen sein kleines Verdienst.
Unser Band der Freundschaft wirret sich immer für Sie zu gordischen Knoten; ein solcher ist die Sache des Theodorus; --25 ich bins nicht. -- Aber sogar der Zufal sucht noch zu meinem monte di pieta und zu meiner Debitmasse bei Ihnen zuzutragen und auf- zuhäufen.
Ihr kleiner Infant und Dauphin möge sich an [das] Versprechen erinnern, daß er im Frühjahr dem Frühjahr gleichen wolle.30
In acht Tagen kan ich Ihrer Nachsicht wieder einen neuen Gegen- stand schicken, ein neues Buch. Alles was ein Herz vol Freundschaft für Ihre Gattin, für Sie und den Prinzen in Gestalt der Wünsche ent- halten kan, bewahrt das meinige für Sie alle.
Richter35
1. N. S. Die verhülte Pallas hat noch einen leichtern Weg, zu[151] meinen Briefen zu kommen, noch dazu eh’ ſie erbrochen ſind, — nämlich ihre Adreſſe und ihre Erlaubnis.
Ich kenne — das Briefleſen ausgenommen — kein gröſſeres Ver- gnügen als das Briefſchreiben, das ich leider jezt einem andern5 Schreiben aufzuopfern gezwungen bin.
2. N. S. Das Geld für die viel zu wolfeile Schürze packe ich be- quemer dem künftigen Buche bei.
*232. An Hofrat Schäfer in Bayreuth.
Hof d. 9 Febr. 1796.10
Innigſt geliebter Freund,
Sie ſchicken mir in das eiſerne Bette der Monarchie den holden Traum der platoniſchen Republik; aber in dieſem Traume, der wie alle Träume nur ein freier Abdruk der Wirklichkeit ſein mus, ſteht Gleich- heit der Güter voran; und dieſe fält bei unſerm Troquieren meiner und15 Ihrer Bücher hinweg. Wie kommen Sie, beſter Freund, der ſo ſehr mein Gläubiger iſt, dazu, mich für meine litterariſchen Meteore ſo zu beſchämen, die Sie dem Autor und dem Freunde ſchon genugſam ver- gelten, wenn Sie ſie anſchauen, ich meine — leſen. Ich war in meinem ganzen Leben ſelten ſo glüklich, irgend jemand etwas geben zu können;20 und es befriedigt daher jezt meine Seele ſanft, daß ich doch wenigſtens meine opuscula geben kan. Darum nehmen Sie nicht dieſem Ver- gnügen ſein kleines Verdienſt.
Unſer Band der Freundſchaft wirret ſich immer für Sie zu gordiſchen Knoten; ein ſolcher iſt die Sache des Theodorus; —25 ich bins nicht. — Aber ſogar der Zufal ſucht noch zu meinem monte di pietà und zu meiner Debitmaſſe bei Ihnen zuzutragen und auf- zuhäufen.
Ihr kleiner Infant und Dauphin möge ſich an [das] Verſprechen erinnern, daß er im Frühjahr dem Frühjahr gleichen wolle.30
In acht Tagen kan ich Ihrer Nachſicht wieder einen neuen Gegen- ſtand ſchicken, ein neues Buch. Alles was ein Herz vol Freundſchaft für Ihre Gattin, für Sie und den Prinzen in Geſtalt der Wünſche ent- halten kan, bewahrt das meinige für Sie alle.
Richter35
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[153/0164]
1. N. S. Die verhülte Pallas hat noch einen leichtern Weg, zu
meinen Briefen zu kommen, noch dazu eh’ ſie erbrochen ſind, —
nämlich ihre Adreſſe und ihre Erlaubnis.
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Ich kenne — das Briefleſen ausgenommen — kein gröſſeres Ver-
gnügen als das Briefſchreiben, das ich leider jezt einem andern 5
Schreiben aufzuopfern gezwungen bin.
2. N. S. Das Geld für die viel zu wolfeile Schürze packe ich be-
quemer dem künftigen Buche bei.
*232. An Hofrat Schäfer in Bayreuth.
Hof d. 9 Febr. 1796. 10
Innigſt geliebter Freund,
Sie ſchicken mir in das eiſerne Bette der Monarchie den holden
Traum der platoniſchen Republik; aber in dieſem Traume, der wie alle
Träume nur ein freier Abdruk der Wirklichkeit ſein mus, ſteht Gleich-
heit der Güter voran; und dieſe fält bei unſerm Troquieren meiner und 15
Ihrer Bücher hinweg. Wie kommen Sie, beſter Freund, der ſo ſehr
mein Gläubiger iſt, dazu, mich für meine litterariſchen Meteore ſo zu
beſchämen, die Sie dem Autor und dem Freunde ſchon genugſam ver-
gelten, wenn Sie ſie anſchauen, ich meine — leſen. Ich war in meinem
ganzen Leben ſelten ſo glüklich, irgend jemand etwas geben zu können; 20
und es befriedigt daher jezt meine Seele ſanft, daß ich doch wenigſtens
meine opuscula geben kan. Darum nehmen Sie nicht dieſem Ver-
gnügen ſein kleines Verdienſt.
Unſer Band der Freundſchaft wirret ſich immer für Sie zu
gordiſchen Knoten; ein ſolcher iſt die Sache des Theodorus; — 25
ich bins nicht. — Aber ſogar der Zufal ſucht noch zu meinem monte
di pietà und zu meiner Debitmaſſe bei Ihnen zuzutragen und auf-
zuhäufen.
Ihr kleiner Infant und Dauphin möge ſich an [das] Verſprechen
erinnern, daß er im Frühjahr dem Frühjahr gleichen wolle. 30
In acht Tagen kan ich Ihrer Nachſicht wieder einen neuen Gegen-
ſtand ſchicken, ein neues Buch. Alles was ein Herz vol Freundſchaft für
Ihre Gattin, für Sie und den Prinzen in Geſtalt der Wünſche ent-
halten kan, bewahrt das meinige für Sie alle.
Richter 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/164>, abgerufen am 16.02.2025.
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