Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.222. An Christian Otto. [Hof, 19. Jan. 1796]Ich stand an, ob ich den so schönen Brief dir geben solte, weil ein 223. An Christian Otto. Bayreuth 1796 Sonabends [23. Jan.].10Anteskript. Den Brief an Amöne schicke an meine Mutter. Eben hab' ich Schillers Musenalmanach, worin 102 irdische Ge- Ich habe mir vorgenommen, mich um keine Ordnung zu kümmern:20 222. An Chriſtian Otto. [Hof, 19. Jan. 1796]Ich ſtand an, ob ich den ſo ſchönen Brief dir geben ſolte, weil ein 223. An Chriſtian Otto. Bayreuth 1796 Sonabends [23. Jan.].10Anteſkript. Den Brief an Amöne ſchicke an meine Mutter. Eben hab’ ich Schillers Muſenalmanach, worin 102 irdiſche Ge- Ich habe mir vorgenommen, mich um keine Ordnung zu kümmern:20 <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0155" n="144"/> <div type="letter" n="1"> <head>222. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 19. Jan. 1796]</hi> </dateline><lb/> <p>Ich ſtand an, ob ich den ſo ſchönen Brief dir geben ſolte, weil ein<lb/> bange machendes Supra-Lob darin iſt, das der innere äſthetiſche und<lb/> moraliſche Richter halb in Demüthigung verwandelt. — Die Muſik<lb n="5"/> ſchikſt du mir mit dem Brief: ſie iſt vortreflich und der Text auch, dem<lb/> Plan nach, aber nicht überal der Kürze nach. Wegen meiner <hi rendition="#aq">Bayreu-<lb/> th[er]</hi> Reiſe könteſt du mir wol die „zerſtreuten Aufſäze“ heute laſſen.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>223. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> 1796 Sonabends [23. Jan.].</hi> </dateline> <lb n="10"/> <p>Anteſkript. Den Brief an Amöne ſchicke an meine Mutter.</p><lb/> <p>Eben hab’ ich Schillers Muſenalmanach, worin 102 irdiſche Ge-<lb/> dichte von Goethe und 30 himliſche von Schiller ſind und ungefähr<lb/> 50 neue bunte Welten, um ſie auf die nakte drauſſen zu decken, eben<lb/> hab’ ich, ſag’ ich, dieſen Almanach hinaus. Ich kan auch nicht genug<lb n="15"/> belohnet werden für mein ewiges Lauern unterweges, daß die ſpiz-<lb/> bübiſche Sonne — und der einfältige Mond macht es eben ſo — den<lb/> Wolkentabaksrauch um ſich gar wegblieſe: ſie thats nicht. Um 7¼<lb/> gieng ich in Hof, um 6¾ kam ich hier an, müder wie ein Hund.</p><lb/> <p>Ich habe mir vorgenommen, mich um keine Ordnung zu kümmern:<lb n="20"/> ich vergeſſe ſonſt die Hälfte ... Ich muſte jezt, weil nichts da iſt, meine<lb/> Feder an der Nachtmüze abſtreifen, um ſie zu beſſern. — Auf Mittag<lb/> geh ich und Schäfer zum Eſſen nach Leinek, wo ein <hi rendition="#aq">concert spirituel</hi><lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd2_142">[142]</ref></note>anzutreffen ſein ſol. — Emanuel bittet mich, der Advokat für ihn zu<lb/> ſein bei dir, damit du es wieder bei deinem Bruder würdeſt, um dieſen<lb n="25"/> zu überreden, daß er ſeiner würde. Er wil ſeinen jezigen zum Henker<lb/> ſchicken, welches nicht weit ſein kan. — Drauſſen funkelt und flamt<lb/> alles um mich, — in mir auch — aber ich weis nicht, ſol ich ſchreiben<lb/> oder laufen. Auch hab ich einen andern elenden Kampf, wie ich meine<lb/> Neuigkeiten eintheile, ob ich ſie ſchon hier einſchlage oder ſelber mit-<lb n="30"/> bringe. Am beſten und beſcheidenſten iſts, ich bringe beſonders die,<lb/> die meine Wenigkeit angehen, zu Papier. Ich könte hier, wenn ich Zeit<lb/> hätte, herumgezeigt und herumgeführt werden wie ein Haifiſch oder<lb/> ſonſtiges Unthier: ſie haben mich alle geleſen und wollen alſo den<lb/> Kupferſtich.... (eben hab’ ich mich 6 Minuten mit einem kurzen<lb n="35"/> Dentiſten herumbeiſſen müſſen, der mir wie einem Pferd aus Gebis<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0155]
222. An Chriſtian Otto.
[Hof, 19. Jan. 1796]
Ich ſtand an, ob ich den ſo ſchönen Brief dir geben ſolte, weil ein
bange machendes Supra-Lob darin iſt, das der innere äſthetiſche und
moraliſche Richter halb in Demüthigung verwandelt. — Die Muſik 5
ſchikſt du mir mit dem Brief: ſie iſt vortreflich und der Text auch, dem
Plan nach, aber nicht überal der Kürze nach. Wegen meiner Bayreu-
th[er] Reiſe könteſt du mir wol die „zerſtreuten Aufſäze“ heute laſſen.
223. An Chriſtian Otto.
Bayreuth 1796 Sonabends [23. Jan.]. 10
Anteſkript. Den Brief an Amöne ſchicke an meine Mutter.
Eben hab’ ich Schillers Muſenalmanach, worin 102 irdiſche Ge-
dichte von Goethe und 30 himliſche von Schiller ſind und ungefähr
50 neue bunte Welten, um ſie auf die nakte drauſſen zu decken, eben
hab’ ich, ſag’ ich, dieſen Almanach hinaus. Ich kan auch nicht genug 15
belohnet werden für mein ewiges Lauern unterweges, daß die ſpiz-
bübiſche Sonne — und der einfältige Mond macht es eben ſo — den
Wolkentabaksrauch um ſich gar wegblieſe: ſie thats nicht. Um 7¼
gieng ich in Hof, um 6¾ kam ich hier an, müder wie ein Hund.
Ich habe mir vorgenommen, mich um keine Ordnung zu kümmern: 20
ich vergeſſe ſonſt die Hälfte ... Ich muſte jezt, weil nichts da iſt, meine
Feder an der Nachtmüze abſtreifen, um ſie zu beſſern. — Auf Mittag
geh ich und Schäfer zum Eſſen nach Leinek, wo ein concert spirituel
anzutreffen ſein ſol. — Emanuel bittet mich, der Advokat für ihn zu
ſein bei dir, damit du es wieder bei deinem Bruder würdeſt, um dieſen 25
zu überreden, daß er ſeiner würde. Er wil ſeinen jezigen zum Henker
ſchicken, welches nicht weit ſein kan. — Drauſſen funkelt und flamt
alles um mich, — in mir auch — aber ich weis nicht, ſol ich ſchreiben
oder laufen. Auch hab ich einen andern elenden Kampf, wie ich meine
Neuigkeiten eintheile, ob ich ſie ſchon hier einſchlage oder ſelber mit- 30
bringe. Am beſten und beſcheidenſten iſts, ich bringe beſonders die,
die meine Wenigkeit angehen, zu Papier. Ich könte hier, wenn ich Zeit
hätte, herumgezeigt und herumgeführt werden wie ein Haifiſch oder
ſonſtiges Unthier: ſie haben mich alle geleſen und wollen alſo den
Kupferſtich.... (eben hab’ ich mich 6 Minuten mit einem kurzen 35
Dentiſten herumbeiſſen müſſen, der mir wie einem Pferd aus Gebis
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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