Ich hoffe, daß das sandige Arabien, wo Sie nun den Mockakaffee trinken, auch das glükliche für Sie sei. Wahrscheinlich wird das kleine Stük vom Flusse der Zeit, das vom November bis zum Mai5 verläuft, mich in die Gewässer der Spree und in die Wohnung ziehen etc. Wenn Sie bisher einen Auxiliar Genius hatten: so haben Sie in den Berliner Strudeln und Ir-Klüften auf [der] rechten und linken Seite einen nöthig. In grossen Städten kan man alles leicht werden, gelehrt, reich und froh -- nur nicht gros und gut. Das gute Schiksal bedecke10 Sie gegen den moralischen Gassenkot, der so leicht in grossen Städten an uns sprizt -- Die wenigsten Mädgen haben eine Mutter. -- Sie scheinen der Gellertschen Regel, daß ein Brief ein Gespräch mit Abwesenden sei, darin zu folgen, daß Sie Ihre Ortographie [!] nach der Aussprache modeln. Schreiben Sie nur jede Woche 14 Wörter15 recht. Zum Rechtschreiben gehört langsam schreiben.
192. An Matzdorff in Berlin.
[Kopie][Hof, 12. Nov. 1795]
Ihr Brief ist eine Vor Antwort auf meine Nach Frage. -- die titu- larische Symmetrie -- Ich male mir nie den Frühling und seine20 fliehenden Szenen heller und öfter als im November und Dezember -- und nie weniger als im August und September. Und eine von jenen eiligen Szenen hat kein andres Theater als Ihren Sand und den auf -- Ihrer Diele. Ich male mir es jeden Abend auf dem Kopfkissen, mit welcher Freude ich, zumal unter dem Getümmel des Frühlings, unter25 die Ihrigen und an Sie eilen werde. Dan werde ich schöner als jezt [sagen], daß ich bin etc.
193. An Emanuel.
Hof d. 17 Nov. 1795 [Dienstag].
Mein theuerer Freund,30
Dieser Brief ist keiner, sondern nur ein Vorreiter und Anzeiger, daß Sie in der nächsten Woche gewis einen langen auf Ihr schönes Brief-Triumvirat und frisches grünendes Kleeblat erhalten werden.
191. An Rolſch in Berlin.[123]
[Kopie][Hof, 12. Nov. 1795]
Ich hoffe, daß das ſandige Arabien, wo Sie nun den Mockakaffee trinken, auch das glükliche für Sie ſei. Wahrſcheinlich wird das kleine Stük vom Fluſſe der Zeit, das vom November bis zum Mai5 verläuft, mich in die Gewäſſer der Spree und in die Wohnung ziehen ꝛc. Wenn Sie bisher einen Auxiliar Genius hatten: ſo haben Sie in den Berliner Strudeln und Ir-Klüften auf [der] rechten und linken Seite einen nöthig. In groſſen Städten kan man alles leicht werden, gelehrt, reich und froh — nur nicht gros und gut. Das gute Schikſal bedecke10 Sie gegen den moraliſchen Gaſſenkot, der ſo leicht in groſſen Städten an uns ſprizt — Die wenigſten Mädgen haben eine Mutter. — Sie ſcheinen der Gellertſchen Regel, daß ein Brief ein Geſpräch mit Abweſenden ſei, darin zu folgen, daß Sie Ihre Ortographie [!] nach der Ausſprache modeln. Schreiben Sie nur jede Woche 14 Wörter15 recht. Zum Rechtſchreiben gehört langſam ſchreiben.
192. An Matzdorff in Berlin.
[Kopie][Hof, 12. Nov. 1795]
Ihr Brief iſt eine Vor Antwort auf meine Nach Frage. — die titu- lariſche Symmetrie — Ich male mir nie den Frühling und ſeine20 fliehenden Szenen heller und öfter als im November und Dezember — und nie weniger als im Auguſt und September. Und eine von jenen eiligen Szenen hat kein andres Theater als Ihren Sand und den auf — Ihrer Diele. Ich male mir es jeden Abend auf dem Kopfkiſſen, mit welcher Freude ich, zumal unter dem Getümmel des Frühlings, unter25 die Ihrigen und an Sie eilen werde. Dan werde ich ſchöner als jezt [ſagen], daß ich bin ꝛc.
193. An Emanuel.
Hof d. 17 Nov. 1795 [Dienstag].
Mein theuerer Freund,30
Dieſer Brief iſt keiner, ſondern nur ein Vorreiter und Anzeiger, daß Sie in der nächſten Woche gewis einen langen auf Ihr ſchönes Brief-Triumvirat und friſches grünendes Kleeblat erhalten werden.
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[127/0138]
191. An Rolſch in Berlin.
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Ich hoffe, daß das ſandige Arabien, wo Sie nun den Mockakaffee
trinken, auch das glükliche für Sie ſei. Wahrſcheinlich wird das
kleine Stük vom Fluſſe der Zeit, das vom November bis zum Mai 5
verläuft, mich in die Gewäſſer der Spree und in die Wohnung ziehen ꝛc.
Wenn Sie bisher einen Auxiliar Genius hatten: ſo haben Sie in den
Berliner Strudeln und Ir-Klüften auf [der] rechten und linken Seite
einen nöthig. In groſſen Städten kan man alles leicht werden, gelehrt,
reich und froh — nur nicht gros und gut. Das gute Schikſal bedecke 10
Sie gegen den moraliſchen Gaſſenkot, der ſo leicht in groſſen Städten
an uns ſprizt — Die wenigſten Mädgen haben eine Mutter. — Sie
ſcheinen der Gellertſchen Regel, daß ein Brief ein Geſpräch mit
Abweſenden ſei, darin zu folgen, daß Sie Ihre Ortographie [!] nach
der Ausſprache modeln. Schreiben Sie nur jede Woche 14 Wörter 15
recht. Zum Rechtſchreiben gehört langſam ſchreiben.
192. An Matzdorff in Berlin.
[Hof, 12. Nov. 1795]
Ihr Brief iſt eine Vor Antwort auf meine Nach Frage. — die titu-
lariſche Symmetrie — Ich male mir nie den Frühling und ſeine 20
fliehenden Szenen heller und öfter als im November und Dezember —
und nie weniger als im Auguſt und September. Und eine von jenen
eiligen Szenen hat kein andres Theater als Ihren Sand und den auf
— Ihrer Diele. Ich male mir es jeden Abend auf dem Kopfkiſſen, mit
welcher Freude ich, zumal unter dem Getümmel des Frühlings, unter 25
die Ihrigen und an Sie eilen werde. Dan werde ich ſchöner als jezt
[ſagen], daß ich bin ꝛc.
193. An Emanuel.
Hof d. 17 Nov. 1795 [Dienstag].
Mein theuerer Freund, 30
Dieſer Brief iſt keiner, ſondern nur ein Vorreiter und Anzeiger,
daß Sie in der nächſten Woche gewis einen langen auf Ihr
ſchönes Brief-Triumvirat und friſches grünendes Kleeblat erhalten
werden.
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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