Diese Lieferung wird wahrscheinlich die lezte schriftstellerische Plage sein, die ich dir in diesem Jahre mache. Du gehst dan einem langen Sabbathsjahr entgegen. Thu' es also, sei so gut, eilig ab,5 damit ichs den Dienstag abends, oder Mitwochs früh schon wieder habe, weil ich allemal nach einer kleinen Abwesenheit das meiste hineinzusezen finde. -- Dein voriges Blätgen hat, Einmal aus- genommen, überal Recht gehabt, im Errathen und im Beweisen. Ich wolte den vierten Manipel besonders machen -- als lezten -- und10 weil ich Zeit hatte -- und weil 7 rtl. für den Bogen viel ist u. s. f. Nach dem Lesen deines Urtheils fällete ich das nämliche beim Lesen des 4. M. -- Das obige Einmal bezieht sich auf deine Konjektur über die Hochzeitrede: sie fiel mir erst vier Zeilen nach ihrem Anfang ein -- wenige Einfälle ausgenommen, fuhr mir die Rede wie sie ist15 heraus -- sie wurde mir so leicht, daß ich sie (und natürlich, da der Stof so gros ist wie die ganze alg[emeine] Weltgeschichte) nicht das Herz hatte, umzugiessen, aus Angst, sie werde noch einmal so dik -- und für den Leibgeber kan wegen der künftigen grossen Kardinal- Biographie nichts tol genug sein, ob er dort gleich nur ein[e] Neben-20 rolle bekömt -- und das Gefühl eines Humoristen wie Er sein sol, drükt sich weniger bei einzelnen Fällen als bei der Übersicht des ganzen Geschlechtes richtig aus. --
Ich mus eilen: die Kinder sizen schon vor mir. -- Das weisse Papier im Epilog ist kein Urtheil darüber wie sonst. --25
Helfe dir auf einmal heraus und schaffe mir zugleich einen Beutel, ein Barometer (für 1 pr. rtl.) und folgendes Informat: schreibe mir nämlich den spizbübischen Gang des Siebenkäsischen Prozesses blos kurz bis etwan zur Appellazion an die Reichsgerichte -- und bescheere der Krähe einen Schwanz.30
Ich mögte dir recht danken für jedes geschriebne Wort, und weis nicht wie.
Dein alter Freund Richter35
[122]190. An Chriſtian Otto.
Hof d. 9 Nov. 95 [Montag].
Dieſe Lieferung wird wahrſcheinlich die lezte ſchriftſtelleriſche Plage ſein, die ich dir in dieſem Jahre mache. Du gehſt dan einem langen Sabbathsjahr entgegen. Thu’ es alſo, ſei ſo gut, eilig ab,5 damit ichs den Dienſtag abends, oder Mitwochs früh ſchon wieder habe, weil ich allemal nach einer kleinen Abweſenheit das meiſte hineinzuſezen finde. — Dein voriges Blätgen hat, Einmal aus- genommen, überal Recht gehabt, im Errathen und im Beweiſen. Ich wolte den vierten Manipel beſonders machen — als lezten — und10 weil ich Zeit hatte — und weil 7 rtl. für den Bogen viel iſt u. ſ. f. Nach dem Leſen deines Urtheils fällete ich das nämliche beim Leſen des 4. M. — Das obige Einmal bezieht ſich auf deine Konjektur über die Hochzeitrede: ſie fiel mir erſt vier Zeilen nach ihrem Anfang ein — wenige Einfälle ausgenommen, fuhr mir die Rede wie ſie iſt15 heraus — ſie wurde mir ſo leicht, daß ich ſie (und natürlich, da der Stof ſo gros iſt wie die ganze alg[emeine] Weltgeſchichte) nicht das Herz hatte, umzugieſſen, aus Angſt, ſie werde noch einmal ſo dik — und für den Leibgeber kan wegen der künftigen groſſen Kardinal- Biographie nichts tol genug ſein, ob er dort gleich nur ein[e] Neben-20 rolle bekömt — und das Gefühl eines Humoriſten wie Er ſein ſol, drükt ſich weniger bei einzelnen Fällen als bei der Überſicht des ganzen Geſchlechtes richtig aus. —
Ich mus eilen: die Kinder ſizen ſchon vor mir. — Das weiſſe Papier im Epilog iſt kein Urtheil darüber wie ſonſt. —25
Helfe dir auf einmal heraus und ſchaffe mir zugleich einen Beutel, ein Barometer (für 1 pr. rtl.) und folgendes Informat: ſchreibe mir nämlich den ſpizbübiſchen Gang des Siebenkäſiſchen Prozeſſes blos kurz bis etwan zur Appellazion an die Reichsgerichte — und beſcheere der Krähe einen Schwanz.30
Ich mögte dir recht danken für jedes geſchriebne Wort, und weis nicht wie.
Dein alter Freund Richter35
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190. An Chriſtian Otto.
Hof d. 9 Nov. 95 [Montag].
Dieſe Lieferung wird wahrſcheinlich die lezte ſchriftſtelleriſche
Plage ſein, die ich dir in dieſem Jahre mache. Du gehſt dan einem
langen Sabbathsjahr entgegen. Thu’ es alſo, ſei ſo gut, eilig ab, 5
damit ichs den Dienſtag abends, oder Mitwochs früh ſchon wieder
habe, weil ich allemal nach einer kleinen Abweſenheit das meiſte
hineinzuſezen finde. — Dein voriges Blätgen hat, Einmal aus-
genommen, überal Recht gehabt, im Errathen und im Beweiſen. Ich
wolte den vierten Manipel beſonders machen — als lezten — und 10
weil ich Zeit hatte — und weil 7 rtl. für den Bogen viel iſt u. ſ. f.
Nach dem Leſen deines Urtheils fällete ich das nämliche beim Leſen
des 4. M. — Das obige Einmal bezieht ſich auf deine Konjektur
über die Hochzeitrede: ſie fiel mir erſt vier Zeilen nach ihrem Anfang
ein — wenige Einfälle ausgenommen, fuhr mir die Rede wie ſie iſt 15
heraus — ſie wurde mir ſo leicht, daß ich ſie (und natürlich, da der
Stof ſo gros iſt wie die ganze alg[emeine] Weltgeſchichte) nicht das
Herz hatte, umzugieſſen, aus Angſt, ſie werde noch einmal ſo dik —
und für den Leibgeber kan wegen der künftigen groſſen Kardinal-
Biographie nichts tol genug ſein, ob er dort gleich nur ein[e] Neben- 20
rolle bekömt — und das Gefühl eines Humoriſten wie Er ſein ſol,
drükt ſich weniger bei einzelnen Fällen als bei der Überſicht des
ganzen Geſchlechtes richtig aus. —
Ich mus eilen: die Kinder ſizen ſchon vor mir. — Das weiſſe Papier
im Epilog iſt kein Urtheil darüber wie ſonſt. — 25
Helfe dir auf einmal heraus und ſchaffe mir zugleich einen Beutel,
ein Barometer (für 1 pr. rtl.) und folgendes Informat: ſchreibe mir
nämlich den ſpizbübiſchen Gang des Siebenkäſiſchen Prozeſſes
blos kurz bis etwan zur Appellazion an die Reichsgerichte — und
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alter Freund
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/137>, abgerufen am 07.07.2024.
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