am Hofe mit vielen Kosten kauft, und im gemeinen Stande unter [dem] Namen Langweile fürchtet.
A [?] eskhata, prota -- Ich wil beim Ende Ihres Briefs an- fangen, und vorher mit Ihnen über die Rechtschreibung des H's über- einkommen. Sie geben zwei Gründe an, warum man das H behalten5 sol 1) weil es in andern Wörtern vorkomt, 2) und weil es mit Ch einerlei Beschaffenheit hat. Mir scheint beides anders zu sein. Das H ist nichts als die starke Adspirazion, mit der man einen Vokal aus- spricht; es ist kein Konsonant*), es ist kein Vokal, sondern ein starkes Herausstossen des Athems vor dem Vokal. Es kan also am Anfang10 einer Sylbe, vor dem Vokal stehen; allein es kan nicht nach dem Vokal z. B. wie in wahr, nah stehen, weil es nicht ausgesprochen werden kan. Es kan nicht nach dem Konsonanten stehen, z. B. nach dem T. Kan ichs aussprechen, wie die Sachsen hier [?] scheinen zu können, so ist das eigentlich nur die Aussprache des T im Unterschied15 von D. Das harte T mus auch hart ohne H pronunzirt werden. Weil es eine starke Adspirazion des Vokals verursacht, so kan es recht gut in den Wörtern stehen, wo zwei Vokale durch die Abänderung des Tons sollen verschieden ausgesprochen werden, wie in dem von Ihnen an- gefürten Worte gehen. -- Das Ch hat gar keine Änlichkeit mit dem20 H; H ist kein Teil von ihm; es ist kein zusammengesezter Buchstabe, wie es die falsche Bezeichnung vermuten liesse; sondern es ist der einfache Laut (khi). Ich weis überhaupt nicht, warum man im Deutschen und Lateinischen für einfache Laute zusammen[gesezte] Buch[staben], und für zusammengesezte einfache wält, z. B. für ph ph,[für] kh ch, und im25 Gegenteil für ks[und]ts x und z u. s. w. ..... Sprachrichtig ist's nicht. Ich würde Ihnen gern den Anstos, den meine Recht[schreibung] [28]Ihren Augen macht, vermindert haben, wenn ich nicht so sehr [daran] gewönt wäre, und oft das H auch ohne meinen Willen auslassen würde. Ich würde nachher hineinkorrigiren müssen -- und dan bekäme mein30 Brief wieder dies[elbe] wid[rige] Gestalt, die ich vermeiden wolte.
Ernesti war ein verehrungswürdiger Man, und sein Tod beklagens- wert für Teutschland. Der gröste Teil der Leipziger Studenten schäzzen ihn; dies bewiesen sie durch ihre zalreiche Versamlung bei
*) weil es, wider die Beschaffenheit der übrigen, mit ieder beliebigen Modi-35 fikazion des Sprachwerkzeugs kan ausgesprochen werden.
am Hofe mit vielen Koſten kauft, und im gemeinen Stande unter [dem] Namen Langweile fürchtet.
Ἃ [?] ἔσχατα, πρῶτα — Ich wil beim Ende Ihres Briefs an- fangen, und vorher mit Ihnen über die Rechtſchreibung des H’s über- einkommen. Sie geben zwei Gründe an, warum man das H behalten5 ſol 1) weil es in andern Wörtern vorkomt, 2) und weil es mit Ch einerlei Beſchaffenheit hat. Mir ſcheint beides anders zu ſein. Das H iſt nichts als die ſtarke Adſpirazion, mit der man einen Vokal aus- ſpricht; es iſt kein Konſonant*), es iſt kein Vokal, ſondern ein ſtarkes Herausſtoſſen des Athems vor dem Vokal. Es kan alſo am Anfang10 einer Sylbe, vor dem Vokal ſtehen; allein es kan nicht nach dem Vokal z. B. wie in wahr, nah ſtehen, weil es nicht ausgeſprochen werden kan. Es kan nicht nach dem Konſonanten ſtehen, z. B. nach dem T. Kan ichs ausſprechen, wie die Sachſen hier [?] ſcheinen zu können, ſo iſt das eigentlich nur die Ausſprache des T im Unterſchied15 von D. Das harte T mus auch hart ohne H pronunzirt werden. Weil es eine ſtarke Adſpirazion des Vokals verurſacht, ſo kan es recht gut in den Wörtern ſtehen, wo zwei Vokale durch die Abänderung des Tons ſollen verſchieden ausgeſprochen werden, wie in dem von Ihnen an- gefürten Worte gehen. — Das Ch hat gar keine Änlichkeit mit dem20 H; H iſt kein Teil von ihm; es iſt kein zuſammengeſezter Buchſtabe, wie es die falſche Bezeichnung vermuten lieſſe; ſondern es iſt der einfache Laut (χι). Ich weis überhaupt nicht, warum man im Deutſchen und Lateiniſchen für einfache Laute zuſammen[geſezte] Buch[ſtaben], und für zuſammengeſezte einfache wält, z. B. für φ ph,[für] χ ch, und im25 Gegenteil für ks[und]ts x und z u. ſ. w. ..... Sprachrichtig iſt’s nicht. Ich würde Ihnen gern den Anſtos, den meine Recht[ſchreibung] [28]Ihren Augen macht, vermindert haben, wenn ich nicht ſo ſehr [daran] gewönt wäre, und oft das H auch ohne meinen Willen auslaſſen würde. Ich würde nachher hineinkorrigiren müſſen — und dan bekäme mein30 Brief wieder dieſ[elbe] wid[rige] Geſtalt, die ich vermeiden wolte.
Erneſti war ein verehrungswürdiger Man, und ſein Tod beklagens- wert für Teutſchland. Der gröſte Teil der Leipziger Studenten ſchäzzen ihn; dies bewieſen ſie durch ihre zalreiche Verſamlung bei
*) weil es, wider die Beſchaffenheit der übrigen, mit ieder beliebigen Modi-35 fikazion des Sprachwerkzeugs kan ausgeſprochen werden.
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[26/0049]
am Hofe mit vielen Koſten kauft, und im gemeinen Stande unter
[dem] Namen Langweile fürchtet.
Ἃ [?] ἔσχατα, πρῶτα — Ich wil beim Ende Ihres Briefs an-
fangen, und vorher mit Ihnen über die Rechtſchreibung des H’s über-
einkommen. Sie geben zwei Gründe an, warum man das H behalten 5
ſol 1) weil es in andern Wörtern vorkomt, 2) und weil es mit Ch
einerlei Beſchaffenheit hat. Mir ſcheint beides anders zu ſein. Das H
iſt nichts als die ſtarke Adſpirazion, mit der man einen Vokal aus-
ſpricht; es iſt kein Konſonant *), es iſt kein Vokal, ſondern ein ſtarkes
Herausſtoſſen des Athems vor dem Vokal. Es kan alſo am Anfang 10
einer Sylbe, vor dem Vokal ſtehen; allein es kan nicht nach dem
Vokal z. B. wie in wahr, nah ſtehen, weil es nicht ausgeſprochen
werden kan. Es kan nicht nach dem Konſonanten ſtehen, z. B. nach
dem T. Kan ichs ausſprechen, wie die Sachſen hier [?] ſcheinen zu
können, ſo iſt das eigentlich nur die Ausſprache des T im Unterſchied 15
von D. Das harte T mus auch hart ohne H pronunzirt werden. Weil
es eine ſtarke Adſpirazion des Vokals verurſacht, ſo kan es recht gut in
den Wörtern ſtehen, wo zwei Vokale durch die Abänderung des Tons
ſollen verſchieden ausgeſprochen werden, wie in dem von Ihnen an-
gefürten Worte gehen. — Das Ch hat gar keine Änlichkeit mit dem 20
H; H iſt kein Teil von ihm; es iſt kein zuſammengeſezter Buchſtabe, wie
es die falſche Bezeichnung vermuten lieſſe; ſondern es iſt der einfache
Laut (χι). Ich weis überhaupt nicht, warum man im Deutſchen und
Lateiniſchen für einfache Laute zuſammen[geſezte] Buch[ſtaben], und
für zuſammengeſezte einfache wält, z. B. für φ ph, [für] χ ch, und im 25
Gegenteil für ks [und] ts x und z u. ſ. w. ..... Sprachrichtig iſt’s
nicht. Ich würde Ihnen gern den Anſtos, den meine Recht[ſchreibung]
Ihren Augen macht, vermindert haben, wenn ich nicht ſo ſehr [daran]
gewönt wäre, und oft das H auch ohne meinen Willen auslaſſen würde.
Ich würde nachher hineinkorrigiren müſſen — und dan bekäme mein 30
Brief wieder dieſ[elbe] wid[rige] Geſtalt, die ich vermeiden wolte.
[28]
Erneſti war ein verehrungswürdiger Man, und ſein Tod beklagens-
wert für Teutſchland. Der gröſte Teil der Leipziger Studenten
ſchäzzen ihn; dies bewieſen ſie durch ihre zalreiche Verſamlung bei
*) weil es, wider die Beſchaffenheit der übrigen, mit ieder beliebigen Modi- 35
fikazion des Sprachwerkzeugs kan ausgeſprochen werden.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/49>, abgerufen am 04.07.2024.
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