Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.[418]Korrekturen wil ich dir nicht ansinnen, weil ich weis, wie schwer sie 1. Ob die Geschichte als Geschichte ein Interesse hat (im 2ten Theil hat sie's) und wo es sich unterbricht. 2. d. 1 August [Donnerstag].20 Ich mache zuviel Hünergeschrei um mein Nest. Also kurz mein Wenn du hinausgelesen -- zumal das was im Januar und Februar [418]Korrekturen wil ich dir nicht anſinnen, weil ich weis, wie ſchwer ſie 1. Ob die Geſchichte als Geſchichte ein Intereſſe hat (im 2ten Theil hat ſie’s) und wo es ſich unterbricht. 2. d. 1 August [Donnerstag].20 Ich mache zuviel Hünergeſchrei um mein Neſt. Alſo kurz mein Wenn du hinausgeleſen — zumal das was im Januar und Februar <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0426" n="398"/><note place="left"><ref target="1922_Bd#_418">[418]</ref></note>Korrekturen wil ich dir nicht anſinnen, weil ich weis, wie ſchwer ſie<lb/> einem im Fluge des Leſens werden. — Länger kont’ ich weder deinen<lb/> Tadel noch deinen Beifal entbehren, um jenen als Lenkſeil und dieſen<lb/> als Sporn bei den andern Theilen zu nüzen, weil ich ſonſt ermüde. —<lb/> Meine ganze <hi rendition="#g">gegenwärtige</hi> Seele iſt mit allem Inneren, was mich<lb n="5"/> glüklich und nicht glüklich macht, und was du nicht mit dem äuſſeren<lb/> kleinen Bürgerleben und meinem äuſſern Schein vermengen darfſt,<lb/> dieſe iſt ſo wie die Wirkungen der Tage, durch die ich gieng, in dieſe<lb/> Blätter und in die künftigen hineingedrükt; ich fühle aber täglich mehr,<lb/> wie jeder Bogen, den ich ſchreibe, mich fähiger macht, entweder<lb n="10"/> glüklicher oder bekümmerter zu werden. Der Tod Moriz iſt am meiſten<lb/> ſchuld, daß ich dir das Buch gebe, damit du mir wieder Luſt zum Fort-<lb/> ſezen giebſt — zumal da mich eine Perſon im Buche beſtändig an ihn<lb/> erinnert. — Sei ſo gut und ſage mir (faſt ohne Gründe, um dir Mühe<lb/> zu erſparen und weil ich ſie ſchon ſelber finden wil) nur im Algemeinen<lb n="15"/> Folgendes:</p><lb/> <list> <item>1. Ob die Geſchichte als Geſchichte ein Intereſſe hat (im 2<hi rendition="#sup">ten</hi> Theil<lb/> hat ſie’s) und wo es ſich unterbricht.</item><lb/> <item>2.<lb/><date><hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">d. 1 August</hi><metamark>[</metamark>Donnerstag<metamark>]</metamark>.<lb n="20"/></hi></date> <p>Ich mache zuviel Hünergeſchrei um mein Neſt. Alſo kurz mein<lb/> Petitum: ſage mir deine Meinung über die Karaktere, von denen aber<lb/> freilich im 1<hi rendition="#sup">ten</hi> Heftlein noch kaum die erſten 5 Punkte gemacht ſind —<lb/> über alles und mache zu meiner Quekſilberröhre die Skala, die mir<lb/> wenigſtens den Siedpunkt und unten die Kugel angiebt (nämlich das<lb n="25"/> Beſte und Schlimſte darin) — Ich bitte dich ſehr, es in 8 Tagen durch-<lb/> zuhaben, da du zumal nichts anders jezt haſt. Den Sontag bring ich<lb/> dir die rükſtändige Hälfte des Manuſkripts.</p><lb/><p>Wenn du hinausgeleſen — zumal das was im Januar und Februar<lb/> geſchrieben iſt, wo mich Entſchlus und Schikſal in einer ſteten Er-<lb n="30"/> ſchütterung erhielt — ſo wirſt du mit einem, den ſeine innere Lage in<lb/> immer gröſſeres Misverhältnis mit den meiſten äuſſern bringt, und<lb/> deſſen Seelen Nerven jezt blos liegen, weil er ſich die Haut davon<lb/> wegſchreibt, ſo wirſt du mit einem ſolchen vielleicht eine gelindere<lb/> Rechnung halten als er ſelber mit ſich halten ſolte. Auch dieſes wird<lb n="35"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd#_419">[419]</ref></note>vorübergehen und wenn man ſich weich ſchreiben kan, wird man ſich<lb/> auch wieder hart ſchreiben können. Lebe recht wol, mein lieber theuer-<lb/></p></item> </list> </div> </body> </text> </TEI> [398/0426]
Korrekturen wil ich dir nicht anſinnen, weil ich weis, wie ſchwer ſie
einem im Fluge des Leſens werden. — Länger kont’ ich weder deinen
Tadel noch deinen Beifal entbehren, um jenen als Lenkſeil und dieſen
als Sporn bei den andern Theilen zu nüzen, weil ich ſonſt ermüde. —
Meine ganze gegenwärtige Seele iſt mit allem Inneren, was mich 5
glüklich und nicht glüklich macht, und was du nicht mit dem äuſſeren
kleinen Bürgerleben und meinem äuſſern Schein vermengen darfſt,
dieſe iſt ſo wie die Wirkungen der Tage, durch die ich gieng, in dieſe
Blätter und in die künftigen hineingedrükt; ich fühle aber täglich mehr,
wie jeder Bogen, den ich ſchreibe, mich fähiger macht, entweder 10
glüklicher oder bekümmerter zu werden. Der Tod Moriz iſt am meiſten
ſchuld, daß ich dir das Buch gebe, damit du mir wieder Luſt zum Fort-
ſezen giebſt — zumal da mich eine Perſon im Buche beſtändig an ihn
erinnert. — Sei ſo gut und ſage mir (faſt ohne Gründe, um dir Mühe
zu erſparen und weil ich ſie ſchon ſelber finden wil) nur im Algemeinen 15
Folgendes:
[418]
1. Ob die Geſchichte als Geſchichte ein Intereſſe hat (im 2ten Theil
hat ſie’s) und wo es ſich unterbricht.
2.
d. 1 August [Donnerstag]. 20
Ich mache zuviel Hünergeſchrei um mein Neſt. Alſo kurz mein
Petitum: ſage mir deine Meinung über die Karaktere, von denen aber
freilich im 1ten Heftlein noch kaum die erſten 5 Punkte gemacht ſind —
über alles und mache zu meiner Quekſilberröhre die Skala, die mir
wenigſtens den Siedpunkt und unten die Kugel angiebt (nämlich das 25
Beſte und Schlimſte darin) — Ich bitte dich ſehr, es in 8 Tagen durch-
zuhaben, da du zumal nichts anders jezt haſt. Den Sontag bring ich
dir die rükſtändige Hälfte des Manuſkripts.
Wenn du hinausgeleſen — zumal das was im Januar und Februar
geſchrieben iſt, wo mich Entſchlus und Schikſal in einer ſteten Er- 30
ſchütterung erhielt — ſo wirſt du mit einem, den ſeine innere Lage in
immer gröſſeres Misverhältnis mit den meiſten äuſſern bringt, und
deſſen Seelen Nerven jezt blos liegen, weil er ſich die Haut davon
wegſchreibt, ſo wirſt du mit einem ſolchen vielleicht eine gelindere
Rechnung halten als er ſelber mit ſich halten ſolte. Auch dieſes wird 35
vorübergehen und wenn man ſich weich ſchreiben kan, wird man ſich
auch wieder hart ſchreiben können. Lebe recht wol, mein lieber theuer-
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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