Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.428. An Buchhändler Matzdorff in Berlin. [Kopie][Schwarzenbach, 5. Juni 1793]Das schöne Wetter, das endlich über unsern Wolkenhimmel Herr 429. An Helene Köhler. Schwarzenbach d. 7 Jun. 1793 [Freitag].Mademoiselle, Ich wolte, heute wär' Ihr Geburtstag -- nicht blos, weil der25 428. An Buchhändler Matzdorff in Berlin. [Kopie][Schwarzenbach, 5. Juni 1793]Das ſchöne Wetter, das endlich über unſern Wolkenhimmel Herr 429. An Helene Köhler. Schwarzenbach d. 7 Jun. 1793 [Freitag].Mademoiſelle, Ich wolte, heute wär’ Ihr Geburtstag — nicht blos, weil der25 <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0412" n="384"/> <div type="letter" n="1"> <head>428. An <hi rendition="#g">Buchhändler Matzdorff in Berlin.</hi></head><lb/> <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note> <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 5. Juni 1793<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/> <p>Das ſchöne Wetter, das endlich über unſern Wolkenhimmel Herr<lb/> wird, macht, daß ich ſchreibe; denn es macht, daß ich reiſe — es iſt<lb/> von einem hyſt<metamark>[</metamark>eriſchen<metamark>]</metamark> Nachtſizer und Nachtwandler wie <hi rendition="#aq">Jean Paul</hi><lb n="5"/> vernünftig gehandelt, daß er jeden Frühling den Zugvögeln entgegen-<lb/> geht und den Niederſchlag des Winters verreiſet. Wenn Sie aber<lb/> nicht ſchreiben: kan ich nicht fort. Ich habe in meinen Gold-Soluzionen<lb/> zuviel Rükſicht auf die Mumien und auf die Zeit ihres Abdruks<lb/> genommen als daß ich nicht zu einer Bitte gezwungen wäre, die Sie<lb n="10"/> nicht ſo ſchwer errathen oder erfüllen werden als ich ſie thue. Vielleicht<lb/> begegnen die Bitte und ihre Erfüllung einander auf der Poſtſtraſſe;<lb/> und dan hätt’ ich eine Reue mehr. Der Kopf-Fechſer wird vor dem<lb/> Neujahr — da ich von ihm im Manuſkript mehr Auflagen mache als es<lb/><metamark>[</metamark>!<metamark>]</metamark> je im Druk erleben kan — ſchwerlich reif. — ob Sie ſich mit der<lb n="15"/> Verpflanzung befaſſen wollen. Gelehrte ſchreiben lieber Bücher als<lb/> Briefe, es müſten denn poetiſche Epiſteln ſein. Ich bitte Sie, daß<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd#_404">[404]</ref></note>Sie Ihre <hi rendition="#aq">Mad.</hi> Schweſter bitten, daß ſie den H. <metamark>[</metamark>Moriz<metamark>]</metamark> bitte, ein-<lb/> zutunken meinetwegen — der bogenlange Brief iſt noch über meine<lb/> Zirbeldrüſe ausgebreitet — ich wil ihn immerfort leſen — aber er iſt<lb n="20"/> noch <metamark>[?]</metamark> mit ſympathetiſcher Dinte geſchrieben.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>429. An <hi rendition="#g">Helene Köhler.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Schwarzenbach d. 7 Jun.</hi> 1793 <metamark>[</metamark>Freitag<metamark>]</metamark>.</hi> </dateline><lb/> <opener> <salute> <hi rendition="#et">Mademoiſelle,</hi> </salute> </opener><lb/> <p>Ich wolte, heute wär’ Ihr Geburtstag — nicht blos, weil der<lb n="25"/> heutige Tag ein Galatag der Natur iſt — oder weil ich Ihnen gerade<lb/> ſchreibe — oder weil ich mich mit dem ſanften heiligen Feuer Ihres<lb/> wiedergeleſenen lezten Briefes wieder erwärmt habe — oder weil ich<lb/> einen Ihres Briefes würdigen Uebergang gemacht und in den auf<lb/> Blumen und am Himmel blizenden Morgen getreten bin: ſondern<lb n="30"/> wegen aller dieſer Urſachen zuſammen und weil ich wieder hinaus<lb/> möchte, um Ihnen in meinem Innern mitten unter dem Morgen-<lb/> taumel der bunten und melodiſchen Erde Glük zu wünſchen. „Ach da die<lb/><hi rendition="#g">längſten</hi> Tage im Kalender — würd’ ich ſagen — gerade die <hi rendition="#g">ſchön-<lb/> ſten</hi> ſind, anſtat daß in der Seele des Menſchen gerade die <hi rendition="#g">ſchönſten</hi><lb n="35"/><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [384/0412]
428. An Buchhändler Matzdorff in Berlin.
[Schwarzenbach, 5. Juni 1793]
Das ſchöne Wetter, das endlich über unſern Wolkenhimmel Herr
wird, macht, daß ich ſchreibe; denn es macht, daß ich reiſe — es iſt
von einem hyſt[eriſchen] Nachtſizer und Nachtwandler wie Jean Paul 5
vernünftig gehandelt, daß er jeden Frühling den Zugvögeln entgegen-
geht und den Niederſchlag des Winters verreiſet. Wenn Sie aber
nicht ſchreiben: kan ich nicht fort. Ich habe in meinen Gold-Soluzionen
zuviel Rükſicht auf die Mumien und auf die Zeit ihres Abdruks
genommen als daß ich nicht zu einer Bitte gezwungen wäre, die Sie 10
nicht ſo ſchwer errathen oder erfüllen werden als ich ſie thue. Vielleicht
begegnen die Bitte und ihre Erfüllung einander auf der Poſtſtraſſe;
und dan hätt’ ich eine Reue mehr. Der Kopf-Fechſer wird vor dem
Neujahr — da ich von ihm im Manuſkript mehr Auflagen mache als es
[!] je im Druk erleben kan — ſchwerlich reif. — ob Sie ſich mit der 15
Verpflanzung befaſſen wollen. Gelehrte ſchreiben lieber Bücher als
Briefe, es müſten denn poetiſche Epiſteln ſein. Ich bitte Sie, daß
Sie Ihre Mad. Schweſter bitten, daß ſie den H. [Moriz] bitte, ein-
zutunken meinetwegen — der bogenlange Brief iſt noch über meine
Zirbeldrüſe ausgebreitet — ich wil ihn immerfort leſen — aber er iſt 20
noch [?] mit ſympathetiſcher Dinte geſchrieben.
[404]
429. An Helene Köhler.
Schwarzenbach d. 7 Jun. 1793 [Freitag].
Mademoiſelle,
Ich wolte, heute wär’ Ihr Geburtstag — nicht blos, weil der 25
heutige Tag ein Galatag der Natur iſt — oder weil ich Ihnen gerade
ſchreibe — oder weil ich mich mit dem ſanften heiligen Feuer Ihres
wiedergeleſenen lezten Briefes wieder erwärmt habe — oder weil ich
einen Ihres Briefes würdigen Uebergang gemacht und in den auf
Blumen und am Himmel blizenden Morgen getreten bin: ſondern 30
wegen aller dieſer Urſachen zuſammen und weil ich wieder hinaus
möchte, um Ihnen in meinem Innern mitten unter dem Morgen-
taumel der bunten und melodiſchen Erde Glük zu wünſchen. „Ach da die
längſten Tage im Kalender — würd’ ich ſagen — gerade die ſchön-
ſten ſind, anſtat daß in der Seele des Menſchen gerade die ſchönſten 35
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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