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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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mehrere Präposizionen zu: zu decken, bedecken, überdecken; ab-, los-,
weg-, zurük-, fortg
ehen.
4. Liegt der Hauptbegrif im Verbo: so mach es zum Substantiv:
stat "sich die Freuden des Lebens so armselig ersezen lassen" nim:
"sich mit einem armseeligen Ersaz dieser Freuden befriedigen".5
Ueberhaupt leg' ins Verbum so wenig als möglich.
5. Nie ein unnüzes Adjektiv, sondern entweder eines von Farbe
Auge oder Bewegung hergenommen: Herder: gebükte (stat niedrige)
Sklave, Jacobi: wiegender Tirt -- bleiche Frucht (stat unreife) --
Herder liebt Partizipien als Beiwörter: ziehende Völker, berechnende10
Kunst. Sonst lieber gar kein Adjektiv, deren Weglassung (sobald nicht
malerische, oder lokale da sind) dem Styl den Schein der Leichtigkeit
ertheilt. --
6. Ausserhalb der Satire, sind fast alle Adverbia schädlich und unnüz.
7. Eine jede geistige Erscheinung ist entweder eine Wirkung oder15
Ursache oder Begleitung einer körperlichen: du kanst also allemal jener
die Hülle von dieser umgeben: z. B. stat: "Menschen, Verstand,
Wahrheiten aufhellen" nim: den Köpfen Gehirn, Augen, Welttheilen
Licht geben.
8. Alles individuel, stat genus Unterspezies, stat des Ganzen den[401]20
Theil: stat Neger, Plantagenneger -- stat Franzosen, Pariser --
stat Haus, Zimmer -- stat Raubthiere, Leopard -- stat Flügel,
Falkenflügel.
Zu N. 3 sez' ich noch: verwandle den Ackusativ in Dativ durch bei-
gesezte Präposizion mit. Z. B. st[at] die Sonne zieht die Erde an --25
nim: die Sonne verknüpft, behängt sich mit der Erde --
9. Ein metaphorisches sinliches Verbum löse in seine grössere
sinliche Handlung auf: stat die Völker verblühen, nim: die Völker lassen
ihre Blüten fallen -- stat sterben: ins Grab fallen etc. -- stat der Zufal
befruchtet
unser Genie nim: der Zufal wirft den Samenstaub in30
dieses.
422. An Renate Wirth.

Le ciel promets aujourd'hui tant des plaisirs, que je Vous prie,
m'amie, de l'imiter en les augmentant et partagant. Je Vous de-35
mande

mehrere Präpoſizionen zu: zu decken, bedecken, überdecken; ab-, los-,
weg-, zurük-, fortg
ehen.
4. Liegt der Hauptbegrif im Verbo: ſo mach es zum Subſtantiv:
ſtat „ſich die Freuden des Lebens ſo armſelig erſezen laſſen“ nim:
„ſich mit einem armſeeligen Erſaz dieſer Freuden befriedigen“.5
Ueberhaupt leg’ ins Verbum ſo wenig als möglich.
5. Nie ein unnüzes Adjektiv, ſondern entweder eines von Farbe
〈Auge〉 oder Bewegung hergenommen: Herder: gebükte (ſtat niedrige)
Sklave, Jacobi: wiegender Tirt — bleiche Frucht (ſtat unreife) —
Herder liebt Partizipien als Beiwörter: ziehende Völker, berechnende10
Kunſt. Sonſt lieber gar kein Adjektiv, deren Weglaſſung (ſobald nicht
maleriſche, oder lokale da ſind) dem Styl den Schein der Leichtigkeit
ertheilt. —
6. Auſſerhalb der Satire, ſind faſt alle Adverbia ſchädlich und unnüz.
7. Eine jede geiſtige Erſcheinung iſt entweder eine Wirkung oder15
Urſache oder Begleitung einer körperlichen: du kanſt alſo allemal jener
die Hülle von dieſer umgeben: z. B. ſtat: „Menſchen, Verſtand,
Wahrheiten aufhellen“ nim: den Köpfen Gehirn, Augen, Welttheilen
Licht geben.
8. Alles individuel, ſtat genus Unterſpezies, ſtat des Ganzen den[401]20
Theil: ſtat Neger, Plantagenneger — ſtat Franzoſen, Pariſer —
ſtat Haus, Zimmer — ſtat Raubthiere, Leopard — ſtat Flügel,
Falkenflügel.
Zu N. 3 ſez’ ich noch: verwandle den Ackuſativ in Dativ durch bei-
geſezte Präpoſizion mit. Z. B. ſt[at] die Sonne zieht die Erde an —25
nim: die Sonne verknüpft, behängt ſich mit der Erde —
9. Ein metaphoriſches ſinliches Verbum löſe in ſeine gröſſere
ſinliche Handlung auf: ſtat die Völker verblühen, nim: die Völker laſſen
ihre Blüten fallen — ſtat ſterben: ins Grab fallen ꝛc. — ſtat der Zufal
befruchtet
unſer Genie nim: der Zufal wirft den Samenſtaub in30
dieſes.
422. An Renate Wirth.

Le ciel promets aujourd’hui tant des plaisirs, que je Vous prie,
m’amie, de l’imiter en les augmentant et partagant. Je Vous de-35
mande

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[381/0409] mehrere Präpoſizionen zu: zu decken, bedecken, überdecken; ab-, los-, weg-, zurük-, fortgehen. 4. Liegt der Hauptbegrif im Verbo: ſo mach es zum Subſtantiv: ſtat „ſich die Freuden des Lebens ſo armſelig erſezen laſſen“ nim: „ſich mit einem armſeeligen Erſaz dieſer Freuden befriedigen“. 5 Ueberhaupt leg’ ins Verbum ſo wenig als möglich. 5. Nie ein unnüzes Adjektiv, ſondern entweder eines von Farbe 〈Auge〉 oder Bewegung hergenommen: Herder: gebükte (ſtat niedrige) Sklave, Jacobi: wiegender Tirt — bleiche Frucht (ſtat unreife) — Herder liebt Partizipien als Beiwörter: ziehende Völker, berechnende 10 Kunſt. Sonſt lieber gar kein Adjektiv, deren Weglaſſung (ſobald nicht maleriſche, oder lokale da ſind) dem Styl den Schein der Leichtigkeit ertheilt. — 6. Auſſerhalb der Satire, ſind faſt alle Adverbia ſchädlich und unnüz. 7. Eine jede geiſtige Erſcheinung iſt entweder eine Wirkung oder 15 Urſache oder Begleitung einer körperlichen: du kanſt alſo allemal jener die Hülle von dieſer umgeben: z. B. ſtat: „Menſchen, Verſtand, Wahrheiten aufhellen“ nim: den Köpfen Gehirn, Augen, Welttheilen Licht geben. 8. Alles individuel, ſtat genus Unterſpezies, ſtat des Ganzen den 20 Theil: ſtat Neger, Plantagenneger — ſtat Franzoſen, Pariſer — ſtat Haus, Zimmer — ſtat Raubthiere, Leopard — ſtat Flügel, Falkenflügel. Zu N. 3 ſez’ ich noch: verwandle den Ackuſativ in Dativ durch bei- geſezte Präpoſizion mit. Z. B. ſt[at] die Sonne zieht die Erde an — 25 nim: die Sonne verknüpft, behängt ſich mit der Erde — 9. Ein metaphoriſches ſinliches Verbum löſe in ſeine gröſſere ſinliche Handlung auf: ſtat die Völker verblühen, nim: die Völker laſſen ihre Blüten fallen — ſtat ſterben: ins Grab fallen ꝛc. — ſtat der Zufal befruchtet unſer Genie nim: der Zufal wirft den Samenſtaub in 30 dieſes. 422. An Renate Wirth. [Hof, 7. April 1793?] Le ciel promets aujourd’hui tant des plaisirs, que je Vous prie, m’amie, de l’imiter en les augmentant et partagant. Je Vous de- 35 mande

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/409>, abgerufen am 27.04.2024.