allein an dich drükst: du verdienst dein Glük, denn sonst hättest du es nicht; der Himmel sinke nicht blos mit seinen Freuden sondern auch mit seiner Ewigkeit in deine Arme und deine zarte, beglükte, beglückende, weinende Liebe belohne ein Herz, das die Menschen so oft zerrissen haben. Ewig Ihr Freund.5
N. S. Hört denn unser Briefwechsel mit seinem Anlas auf?
405. An Renate Wirth in Bayreuth.
Schwarzenbach d. 16 Aug. 1792.
Mademoiselle,
Ich befürchte weniger daß Sie auf mich zürnen als daß Sie mich10 ganz und gar vergessen haben: ich that keines von beiden und schrieb doch -- nichts, wegen 1,000,000,000 Hindernissen, die ich Ihnen einmal in eben so viel Abenden mündlich sagen wil.
In den bunten, unter der Sonne blizenden Strudeln von Visitten, die jezt über Sie zusammenschlagen, können Sie wahrhaftig nicht oft15 an den alten grauen Flausrok denken, der sonst mit Ihnen unter dem Fenster moralisierte. -- Die Bayreutherinnen, die unsern Jahrmarkt verschönerten, und vielleicht auch die Wucherin lobten Sie so sehr als wenn jene nicht aus Bayreuth und Sie nicht aus Hof wären.
Von der Wucherin, deren schöne Taille, deren Angesicht, das, ohne20 [384]Koketterie, von Liebe überfloß und deren einfachen Anzug ich nur im Fluge aus einem Fenster gesehen und die hier sogar von denen Schönen gelobt wurde, die weniger Vorzüge haben -- von dieser schreiben Sie mir recht viel schönes und das Schönste, daß Sie ihre Bekante und Freundin sind.25
Jezt von der Wucherin zu mir -- ich wolt' es wäre kein Sprung. Mein Roman wird zu Michaelis mit Kupfern und Chodowiezky in Berlin sehr schön gedrukt: ich bekam dafür 530 fl. rh., thut 100 Du- katen, ungefodert und bekam was noch mehr ist, in Berlin einige Freunde mehr, die es im Manuskript lasen. Liebe Renata, auch Sie30 müssen von der Seite des Herzens den alten Flausrok erst aus seinem Buche kennen lernen. Jezt bei so vielem Golde und Silber wäre der Flausrok ein Nar, wenn er vernünftig bliebe; aber das thu' ich schon nicht, sondern ich habe über 40 rtl. schon aufgewandt, meinen alten Körper und Adam zu kouvertieren und zu verzinnen, wie ich denn35
allein an dich drükſt: du verdienſt dein Glük, denn ſonſt hätteſt du es nicht; der Himmel ſinke nicht blos mit ſeinen Freuden ſondern auch mit ſeiner Ewigkeit in deine Arme und deine zarte, beglükte, beglückende, weinende Liebe belohne ein Herz, das die Menſchen ſo oft zerriſſen haben. Ewig Ihr Freund.5
N. S. Hört denn unſer Briefwechſel mit ſeinem Anlas auf?
405. An Renate Wirth in Bayreuth.
Schwarzenbach d. 16 Aug. 1792.
Mademoiſelle,
Ich befürchte weniger daß Sie auf mich zürnen als daß Sie mich10 ganz und gar vergeſſen haben: ich that keines von beiden und ſchrieb doch — nichts, wegen 1,000,000,000 Hinderniſſen, die ich Ihnen einmal in eben ſo viel Abenden mündlich ſagen wil.
In den bunten, unter der Sonne blizenden Strudeln von Viſitten, die jezt über Sie zuſammenſchlagen, können Sie wahrhaftig nicht oft15 an den alten grauen Flausrok denken, der ſonſt mit Ihnen unter dem Fenſter moraliſierte. — Die Bayreutherinnen, die unſern Jahrmarkt verſchönerten, und vielleicht auch die Wucherin lobten Sie ſo ſehr als wenn jene nicht aus Bayreuth und Sie nicht aus Hof wären.
Von der Wucherin, deren ſchöne Taille, deren Angeſicht, das, ohne20 [384]Koketterie, von Liebe überfloß und deren einfachen Anzug ich nur im Fluge aus einem Fenſter geſehen und die hier ſogar von denen Schönen gelobt wurde, die weniger Vorzüge haben — von dieſer ſchreiben Sie mir recht viel ſchönes und das Schönſte, daß Sie ihre Bekante und Freundin ſind.25
Jezt von der Wucherin zu mir — ich wolt’ es wäre kein Sprung. Mein Roman wird zu Michaelis mit Kupfern und Chodowiezky in Berlin ſehr ſchön gedrukt: ich bekam dafür 530 fl. rh., thut 100 Du- katen, ungefodert und bekam was noch mehr iſt, in Berlin einige Freunde mehr, die es im Manuſkript laſen. Liebe Renata, auch Sie30 müſſen von der Seite des Herzens den alten Flausrok erſt aus ſeinem Buche kennen lernen. Jezt bei ſo vielem Golde und Silber wäre der Flausrok ein Nar, wenn er vernünftig bliebe; aber das thu’ ich ſchon nicht, ſondern ich habe über 40 rtl. ſchon aufgewandt, meinen alten Körper und Adam zu kouvertieren und zu verzinnen, wie ich denn35
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allein an dich drükſt: du verdienſt dein Glük, denn ſonſt hätteſt du es
nicht; der Himmel ſinke nicht blos mit ſeinen Freuden ſondern auch mit
ſeiner Ewigkeit in deine Arme und deine zarte, beglükte, beglückende,
weinende Liebe belohne ein Herz, das die Menſchen ſo oft zerriſſen
haben. Ewig Ihr Freund. 5
N. S. Hört denn unſer Briefwechſel mit ſeinem Anlas auf?
405. An Renate Wirth in Bayreuth.
Schwarzenbach d. 16 Aug. 1792.
Mademoiſelle,
Ich befürchte weniger daß Sie auf mich zürnen als daß Sie mich 10
ganz und gar vergeſſen haben: ich that keines von beiden und ſchrieb
doch — nichts, wegen 1,000,000,000 Hinderniſſen, die ich Ihnen
einmal in eben ſo viel Abenden mündlich ſagen wil.
In den bunten, unter der Sonne blizenden Strudeln von Viſitten,
die jezt über Sie zuſammenſchlagen, können Sie wahrhaftig nicht oft 15
an den alten grauen Flausrok denken, der ſonſt mit Ihnen unter dem
Fenſter moraliſierte. — Die Bayreutherinnen, die unſern Jahrmarkt
verſchönerten, und vielleicht auch die Wucherin lobten Sie ſo ſehr als
wenn jene nicht aus Bayreuth und Sie nicht aus Hof wären.
Von der Wucherin, deren ſchöne Taille, deren Angeſicht, das, ohne 20
Koketterie, von Liebe überfloß und deren einfachen Anzug ich nur im
Fluge aus einem Fenſter geſehen und die hier ſogar von denen Schönen
gelobt wurde, die weniger Vorzüge haben — von dieſer ſchreiben Sie
mir recht viel ſchönes und das Schönſte, daß Sie ihre Bekante und
Freundin ſind. 25
[384] Jezt von der Wucherin zu mir — ich wolt’ es wäre kein Sprung.
Mein Roman wird zu Michaelis mit Kupfern und Chodowiezky in
Berlin ſehr ſchön gedrukt: ich bekam dafür 530 fl. rh., thut 100 Du-
katen, ungefodert und bekam was noch mehr iſt, in Berlin einige
Freunde mehr, die es im Manuſkript laſen. Liebe Renata, auch Sie 30
müſſen von der Seite des Herzens den alten Flausrok erſt aus ſeinem
Buche kennen lernen. Jezt bei ſo vielem Golde und Silber wäre der
Flausrok ein Nar, wenn er vernünftig bliebe; aber das thu’ ich ſchon
nicht, ſondern ich habe über 40 rtl. ſchon aufgewandt, meinen alten
Körper und Adam zu kouvertieren und zu verzinnen, wie ich denn 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/391>, abgerufen am 04.07.2024.
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