tin, ich gerieth mit dem guten Thier unter der Predigt in ein tiefes Gespräch und erfuhr, sie würde sich nach der Abendkirche vom Schul- meister ein billet doux an ihren Amanten machen lassen) selber eines[376] verfertigte und also schon Vormittags Werke der Liebe that, die am Sontag nicht verboten sein können etc."" -- --5
Verzeihen Sie, daß ich kein ernsthaftes Wort geschrieben: im nächsten Briefe wird mein Ton des Ihrigen würdiger sein. Ich schliesse mit der Versicherung, die ich morgen und übermorgen oft wiederhohlen werde, daß ich mit gröster Hochachtung und Freundschaft bin
Deroselben10 gehors. Diener Fried. Richter
392. An Wagner.
[Kopie][Schwarzenbach, 22. Juni 1792]
Ich wolte ich hätte die Bücher und Sie keines, damit ich Ihnen dafür15 danken und sie Ihnen leihen könte. Ich würde Ihnen die Medea leihen; aber ich habe sie selbst noch nicht gelesen, geschweige gekauft.
393. An Karl Philipp Moritz in Berlin.
[Kopie][Schwarzenbach, 29. Juni 1792]
Ihre 2 Blätgen, die ich durch meine Abwesenheit mit einander20 bekam, überfülten mein zitterndes Herz mit Freude und Blut ... Meine Phantasie that seitdem nichts als Sie empfangen, Sie durch unsre Thäler führen, in alle metaphysische Schachte mit Ihnen fahren, und vor alle ästhetische Perspektiven mit Ihnen treten -- Ich verbiet' es ihr sonst, Freuden, die gewis sind, im voraus zu kredenzen,25 aber in solchen, die so ungewis etc., darf sie schwelgen. O Th[euerster], welche Freude macht mir Ihr Beifal und die Aehnlichkeit, die meine Seele vielleicht mit Ihrer hat! Sie solten den thonigten bäotischen [!] Boden kennen, in den mich das Schiksal gepflanzt und gedrükt, die algemeine Kälte um mich her, gegen alles was den Menschen über den30 Bürger hebt -- denn hier versteht man unter dem Herzen, was der Prosektor darunter meinet, den diksten Muskel -- und von den wenigen Freunden, in denen es höhere Bewegungen als physische hatte, stehen blos die Gräber neben mir .. Wenn Sie mein Land kenten: so könten[377] Sie [verstehen], wie einem Einwohner desselben 2 glühende Blätgen35
tin, ich gerieth mit dem guten Thier unter der Predigt in ein tiefes Geſpräch und erfuhr, ſie würde ſich nach der Abendkirche vom Schul- meiſter ein billet doux an ihren Amanten machen laſſen) ſelber eines[376] verfertigte und alſo ſchon Vormittags Werke der Liebe that, die am Sontag nicht verboten ſein können ꝛc.““ — —5
Verzeihen Sie, daß ich kein ernſthaftes Wort geſchrieben: im nächſten Briefe wird mein Ton des Ihrigen würdiger ſein. Ich ſchlieſſe mit der Verſicherung, die ich morgen und übermorgen oft wiederhohlen werde, daß ich mit gröſter Hochachtung und Freundſchaft bin
Deroſelben10 gehorſ. Diener Fried. Richter
392. An Wagner.
[Kopie][Schwarzenbach, 22. Juni 1792]
Ich wolte ich hätte die Bücher und Sie keines, damit ich Ihnen dafür15 danken und ſie Ihnen leihen könte. Ich würde Ihnen die Medea leihen; aber ich habe ſie ſelbſt noch nicht geleſen, geſchweige gekauft.
393. An Karl Philipp Moritz in Berlin.
[Kopie][Schwarzenbach, 29. Juni 1792]
Ihre 2 Blätgen, die ich durch meine Abweſenheit mit einander20 bekam, überfülten mein zitterndes Herz mit Freude und Blut … Meine Phantaſie that ſeitdem nichts als Sie empfangen, Sie durch unſre Thäler führen, in alle metaphyſiſche Schachte mit Ihnen fahren, und vor alle äſthetiſche Perſpektiven mit Ihnen treten — Ich verbiet’ es ihr ſonſt, Freuden, die gewis ſind, im voraus zu kredenzen,25 aber in ſolchen, die ſo ungewis ꝛc., darf ſie ſchwelgen. O Th[euerſter], welche Freude macht mir Ihr Beifal und die Aehnlichkeit, die meine Seele vielleicht mit Ihrer hat! Sie ſolten den thonigten bäotiſchen [!] Boden kennen, in den mich das Schikſal gepflanzt und gedrükt, die algemeine Kälte um mich her, gegen alles was den Menſchen über den30 Bürger hebt — denn hier verſteht man unter dem Herzen, was der Proſektor darunter meinet, den dikſten Muſkel — und von den wenigen Freunden, in denen es höhere Bewegungen als phyſiſche hatte, ſtehen blos die Gräber neben mir .. Wenn Sie mein Land kenten: ſo könten[377] Sie [verſtehen], wie einem Einwohner deſſelben 2 glühende Blätgen35
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verfertigte und alſo ſchon Vormittags Werke der Liebe that, die am
Sontag nicht verboten ſein können ꝛc.““ — — 5
[376]Verzeihen Sie, daß ich kein ernſthaftes Wort geſchrieben: im
nächſten Briefe wird mein Ton des Ihrigen würdiger ſein. Ich ſchlieſſe
mit der Verſicherung, die ich morgen und übermorgen oft wiederhohlen
werde, daß ich mit gröſter Hochachtung und Freundſchaft bin
Deroſelben 10
gehorſ. Diener
Fried. Richter
392. An Wagner.
[Schwarzenbach, 22. Juni 1792]
Ich wolte ich hätte die Bücher und Sie keines, damit ich Ihnen dafür 15
danken und ſie Ihnen leihen könte. Ich würde Ihnen die Medea leihen;
aber ich habe ſie ſelbſt noch nicht geleſen, geſchweige gekauft.
393. An Karl Philipp Moritz in Berlin.
[Schwarzenbach, 29. Juni 1792]
Ihre 2 Blätgen, die ich durch meine Abweſenheit mit einander 20
bekam, überfülten mein zitterndes Herz mit Freude und Blut …
Meine Phantaſie that ſeitdem nichts als Sie empfangen, Sie durch
unſre Thäler führen, in alle metaphyſiſche Schachte mit Ihnen
fahren, und vor alle äſthetiſche Perſpektiven mit Ihnen treten — Ich
verbiet’ es ihr ſonſt, Freuden, die gewis ſind, im voraus zu kredenzen, 25
aber in ſolchen, die ſo ungewis ꝛc., darf ſie ſchwelgen. O Th[euerſter],
welche Freude macht mir Ihr Beifal und die Aehnlichkeit, die meine
Seele vielleicht mit Ihrer hat! Sie ſolten den thonigten bäotiſchen [!]
Boden kennen, in den mich das Schikſal gepflanzt und gedrükt, die
algemeine Kälte um mich her, gegen alles was den Menſchen über den 30
Bürger hebt — denn hier verſteht man unter dem Herzen, was der
Proſektor darunter meinet, den dikſten Muſkel — und von den wenigen
Freunden, in denen es höhere Bewegungen als phyſiſche hatte, ſtehen
blos die Gräber neben mir .. Wenn Sie mein Land kenten: ſo könten
Sie [verſtehen], wie einem Einwohner deſſelben 2 glühende Blätgen 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/384>, abgerufen am 04.07.2024.
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