in der Sonne war: so gieng der Teufel los -- ganze Hecken und Schwärme sezten sich um mich und blos auf meiner geistigen Unterlippe sassen deren 43,002 Seelen; das zappelte -- das kribelte -- das sumsete! So was können Sie sich nicht denken und ich Ihnen nicht beschreiben.
Ganz natürlich sind in einem Weltkörper wie die Sonne, aus der5 man 11/2 Million Erden giessen kan und aus der auch unsre abgeschlagen [361]worden sein sol, Weiber in Quantität zu haben und ich durfte nur zulangen: ein blosser Sonnenflecken -- die menschlichen sind doch kleiner -- ist ja 50 mal grösser als unsre Erde. Diese Flecken sind aus- gebrante dunkle Strecken. Ich wars nicht gewohnt, daß dieser ent-10 sezliche Feuer-Riese sich auf seinem Absaze alle 25 Tage Einmal um sich selber drehet, ohne aus der Stelle zu gehen; daher können die Frauenzimmer so leicht tanzen und so unmöglich gehen. -- Für mein Leben gern hätt' ich mir ein Schächtelgen vol Seelen mitgenommen; aber ich dachte, bis sie nur ihren Körper so lang ausstrecken, daß er an15 deinen Hemd-jabot langt, bist du selber wieder zerronnen. Hier sah ich, daß die weiblichen Seelen da, ein wenig Flattern abgerechnet, nichts auf die Erde bringen als Reize, Tugenden und Liebenswürdig- keiten -- aber die Erde reisset ihnen die Hälfte weg; o ihr guten Geschöpfe! wenn euch schöne Maiblumen des Himmels nicht die Lage und Er-20 ziehung so verböge, so zerschlizte, so besudelte: welcher Engel würd' euch nicht an seinen Busen stecken und in welchem Himmel köntet ihr nicht blühen! .. Sehet nie zur Sonne hinauf, ohne das Auge so rein empor- zurichten als der Stral ist, der von ihr in dieses fliegt ..... Eine einzige Seele stahl ich doch der Sonne -- die schönste -- die beste -- die25 sanfteste; da sie aber nicht aus meinem Kopfe heraus kan und nicht ein Stükgen Körper umhat: so kan ich sie keinem Menschen weisen; aber vor meiner Seele steht sie den ganzen Tag und iene schlägt die Arme um sie: alle verkörperte Frauenzimmer gefallen mir nur, in so fern sie schwesterliche Aehnlichkeit mit meiner gestohlnen haben .... Sie30 waren schon herunter: sonst hätt' ich Sie mit eingepakt ... -- Gefället Ihnen diese 1te Stazion meiner Heirathsreise: so gefället sie mir auch und ich beschreibe über 8 Tage die 2te.
Ihr wahrer uneigennüziger Freund35 Fr. Richter
in der Sonne war: ſo gieng der Teufel los — ganze Hecken und Schwärme ſezten ſich um mich und blos auf meiner geiſtigen Unterlippe ſaſſen deren 43,002 Seelen; das zappelte — das kribelte — das ſumſete! So was können Sie ſich nicht denken und ich Ihnen nicht beſchreiben.
Ganz natürlich ſind in einem Weltkörper wie die Sonne, aus der5 man 1½ Million Erden gieſſen kan und aus der auch unſre abgeſchlagen [361]worden ſein ſol, Weiber in Quantität zu haben und ich durfte nur zulangen: ein bloſſer Sonnenflecken — die menſchlichen ſind doch kleiner — iſt ja 50 mal gröſſer als unſre Erde. Dieſe Flecken ſind aus- gebrante dunkle Strecken. Ich wars nicht gewohnt, daß dieſer ent-10 ſezliche Feuer-Rieſe ſich auf ſeinem Abſaze alle 25 Tage Einmal um ſich ſelber drehet, ohne aus der Stelle zu gehen; daher können die Frauenzimmer ſo leicht tanzen und ſo unmöglich gehen. — Für mein Leben gern hätt’ ich mir ein Schächtelgen vol Seelen mitgenommen; aber ich dachte, bis ſie nur ihren Körper ſo lang ausſtrecken, daß er an15 deinen Hemd-jabot langt, biſt du ſelber wieder zerronnen. Hier ſah ich, daß die weiblichen Seelen da, ein wenig Flattern abgerechnet, nichts auf die Erde bringen als Reize, Tugenden und Liebenswürdig- keiten — aber die Erde reiſſet ihnen die Hälfte weg; o ihr guten Geſchöpfe! wenn euch ſchöne Maiblumen des Himmels nicht die Lage und Er-20 ziehung ſo verböge, ſo zerſchlizte, ſo beſudelte: welcher Engel würd’ euch nicht an ſeinen Buſen ſtecken und in welchem Himmel köntet ihr nicht blühen! .. Sehet nie zur Sonne hinauf, ohne das Auge ſo rein empor- zurichten als der Stral iſt, der von ihr in dieſes fliegt ..... Eine einzige Seele ſtahl ich doch der Sonne — die ſchönſte — die beſte — die25 ſanfteſte; da ſie aber nicht aus meinem Kopfe heraus kan und nicht ein Stükgen Körper umhat: ſo kan ich ſie keinem Menſchen weiſen; aber vor meiner Seele ſteht ſie den ganzen Tag und iene ſchlägt die Arme um ſie: alle verkörperte Frauenzimmer gefallen mir nur, in ſo fern ſie ſchweſterliche Aehnlichkeit mit meiner geſtohlnen haben .... Sie30 waren ſchon herunter: ſonſt hätt’ ich Sie mit eingepakt … — Gefället Ihnen dieſe 1te Stazion meiner Heirathsreiſe: ſo gefället ſie mir auch und ich beſchreibe über 8 Tage die 2te.
Ihr wahrer uneigennüziger Freund35 Fr. Richter
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in der Sonne war: ſo gieng der Teufel los — ganze Hecken und Schwärme
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43,002 Seelen; das zappelte — das kribelte — das ſumſete! So was
können Sie ſich nicht denken und ich Ihnen nicht beſchreiben.
Ganz natürlich ſind in einem Weltkörper wie die Sonne, aus der 5
man 1½ Million Erden gieſſen kan und aus der auch unſre abgeſchlagen
worden ſein ſol, Weiber in Quantität zu haben und ich durfte nur
zulangen: ein bloſſer Sonnenflecken — die menſchlichen ſind doch
kleiner — iſt ja 50 mal gröſſer als unſre Erde. Dieſe Flecken ſind aus-
gebrante dunkle Strecken. Ich wars nicht gewohnt, daß dieſer ent- 10
ſezliche Feuer-Rieſe ſich auf ſeinem Abſaze alle 25 Tage Einmal um
ſich ſelber drehet, ohne aus der Stelle zu gehen; daher können die
Frauenzimmer ſo leicht tanzen und ſo unmöglich gehen. — Für mein
Leben gern hätt’ ich mir ein Schächtelgen vol Seelen mitgenommen;
aber ich dachte, bis ſie nur ihren Körper ſo lang ausſtrecken, daß er an 15
deinen Hemd-jabot langt, biſt du ſelber wieder zerronnen. Hier ſah
ich, daß die weiblichen Seelen da, ein wenig Flattern abgerechnet,
nichts auf die Erde bringen als Reize, Tugenden und Liebenswürdig-
keiten — aber die Erde reiſſet ihnen die Hälfte weg; o ihr guten Geſchöpfe!
wenn euch ſchöne Maiblumen des Himmels nicht die Lage und Er- 20
ziehung ſo verböge, ſo zerſchlizte, ſo beſudelte: welcher Engel würd’ euch
nicht an ſeinen Buſen ſtecken und in welchem Himmel köntet ihr nicht
blühen! .. Sehet nie zur Sonne hinauf, ohne das Auge ſo rein empor-
zurichten als der Stral iſt, der von ihr in dieſes fliegt ..... Eine einzige
Seele ſtahl ich doch der Sonne — die ſchönſte — die beſte — die 25
ſanfteſte; da ſie aber nicht aus meinem Kopfe heraus kan und nicht
ein Stükgen Körper umhat: ſo kan ich ſie keinem Menſchen weiſen;
aber vor meiner Seele ſteht ſie den ganzen Tag und iene ſchlägt die
Arme um ſie: alle verkörperte Frauenzimmer gefallen mir nur, in ſo
fern ſie ſchweſterliche Aehnlichkeit mit meiner geſtohlnen haben .... Sie 30
waren ſchon herunter: ſonſt hätt’ ich Sie mit eingepakt … — Gefället
Ihnen dieſe 1te Stazion meiner Heirathsreiſe: ſo gefället ſie mir auch
und ich beſchreibe über 8 Tage die 2te.
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wahrer uneigennüziger Freund 35
Fr. Richter
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/368>, abgerufen am 26.11.2024.
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