Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.[2]2. An Pfarrer Erhard Friedrich Vogel in Rehau. Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr, Insonders Hochzuverehrender Herr Pfarrer! Ew. Hochehrwürden mus ich gehorsamst um Vergebung bitten, der dritte Theil von Semler's Untersuchung über den Kanon -- Göthe's Schriften -- der zweite Theil von Lavater's Tagebuch -- Helvezius sur l'education de l'homme --20 die fünfte Abtheilung des Anhangs zu den 36 Bänden der A. D. Bibliothek -- und um -- -- kaum wag' ich's noch einmal Dieselben darum zu bitten [2]2. An Pfarrer Erhard Friedrich Vogel in Rehau. Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr, Inſonders Hochzuverehrender Herr Pfarrer! Ew. Hochehrwürden mus ich gehorſamſt um Vergebung bitten, der dritte Theil von Semler’s Unterſuchung über den Kanon — Göthe’s Schriften — der zweite Theil von Lavater’s Tagebuch — Helvezius sur l’education de l’homme —20 die fünfte Abtheilung des Anhangs zu den 36 Bänden der A. D. Bibliothek — und um — — kaum wag’ ich’s noch einmal Dieſelben darum zu bitten <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0024" n="2"/> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head><note place="left"><ref target="1922_Bd#_2">[2]</ref></note>2. An <hi rendition="#g">Pfarrer Erhard Friedrich Vogel in Rehau.</hi></head><lb/> <opener> <salute> <hi rendition="#et">Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr,<lb/> Inſonders Hochzuverehrender Herr Pfarrer!</hi> </salute> </opener><lb/> <p>Ew. Hochehrwürden mus ich gehorſamſt um Vergebung bitten,<lb/> daß ich Denenſelben neulich ſo lange beſchwerlich geweſen bin. Die-<lb n="5"/> ſelben ſezzen ſo viel neue Gütigkeiten zu den alten hinzu, daß es mir<lb/> ſchwer wird, Worte zu finden, die genug Dankbarkeit verriethen — und<lb/> noch ſchwerer, ſo kühn zu ſein, Dieſelben um neue zu bitten. Hiedurch<lb/> überſend’ ich Dero Bücher mit gehorſamſten Danke — den Theil der<lb/><hi rendition="#g">Berliner</hi> Bibliothek werd’ ich Denenſelben nächſtens zurükſchikken. —<lb n="10"/> Origineller Wiz und Laune herſcht durch das ganze Buch <hi rendition="#g">von der<lb/> Ehe;</hi> das verdrüslichſte iſt, daß dieſes Buch <hi rendition="#g">ſo</hi> bald ein Ende hat. Es<lb/> hat eine frappante Ähnlichkeit mit den <hi rendition="#g">Lebensläufen</hi> nach auf-<lb/> ſteigender Linie. Sol ich’s wieder wagen, um neue Schriften bei<lb/> Denenſelben anzuhalten? Dero Güte gegen mich giebt mir Muth, es<lb n="15"/> um folgende zu thun:</p><lb/> <list> <item>der dritte Theil von Semler’s Unterſuchung über den Kanon —</item><lb/> <item>Göthe’s Schriften —</item><lb/> <item>der zweite Theil von Lavater’s Tagebuch —</item><lb/> <item>Helvezius <hi rendition="#aq">sur l’education de l’homme</hi> —<lb n="20"/> </item> <item>die fünfte Abtheilung des Anhangs zu den 36 Bänden der A. D.<lb/> Bibliothek —</item> </list><lb/> <p>und um — — kaum wag’ ich’s noch einmal Dieſelben darum zu bitten<lb/> — <hi rendition="#g">Leſſing’s Fragmente.</hi> Ich befürchte nicht, Dero Unwillen zu<lb/> verdienen, wenn ich um ein Buch gehorſamſt bitte, das Dieſelben<lb n="25"/> mir aus liebreichen Abſichten verſagen. — Dieſes Dilemma ſcheint<lb/> mir alzeit ſicher: entweder dieſes Buch enthält Wahrheiten, oder<lb/> Irthümer. Iſt’s erſte, ſo kan nichts hindern es zu leſen — iſt’s lezte, ſo<lb/> überredet es entweder nicht, weil die Gründe zu ſchwach ſind — und<lb/> dan ſchadet es auch nichts — oder es überredet. Was hab’ ich aber im<lb n="30"/> lezten Falle für Gefahr zu befürchten, wenn ich eine Wahrheit, von<lb/> der ich nicht aus Gründen überzeugt bin und die bei mir blos Vor-<lb/> urtheil iſt, mit einem Irthum vertauſche, der mir warſcheinlicher und<lb/> einleuchtender iſt? — Darf ich alſo noch einmal — aber ich wil lieber<lb/> hundert Bücher miſſen, als nur im geringſten mich Dero Gütigkeiten<lb n="35"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd#_3">[3]</ref></note>und Liebe unwerth machen. — Es folgen hier auch die kleinen Aufſäzze<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0024]
2. An Pfarrer Erhard Friedrich Vogel in Rehau.
Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr,
Inſonders Hochzuverehrender Herr Pfarrer!
Ew. Hochehrwürden mus ich gehorſamſt um Vergebung bitten,
daß ich Denenſelben neulich ſo lange beſchwerlich geweſen bin. Die- 5
ſelben ſezzen ſo viel neue Gütigkeiten zu den alten hinzu, daß es mir
ſchwer wird, Worte zu finden, die genug Dankbarkeit verriethen — und
noch ſchwerer, ſo kühn zu ſein, Dieſelben um neue zu bitten. Hiedurch
überſend’ ich Dero Bücher mit gehorſamſten Danke — den Theil der
Berliner Bibliothek werd’ ich Denenſelben nächſtens zurükſchikken. — 10
Origineller Wiz und Laune herſcht durch das ganze Buch von der
Ehe; das verdrüslichſte iſt, daß dieſes Buch ſo bald ein Ende hat. Es
hat eine frappante Ähnlichkeit mit den Lebensläufen nach auf-
ſteigender Linie. Sol ich’s wieder wagen, um neue Schriften bei
Denenſelben anzuhalten? Dero Güte gegen mich giebt mir Muth, es 15
um folgende zu thun:
der dritte Theil von Semler’s Unterſuchung über den Kanon —
Göthe’s Schriften —
der zweite Theil von Lavater’s Tagebuch —
Helvezius sur l’education de l’homme — 20
die fünfte Abtheilung des Anhangs zu den 36 Bänden der A. D.
Bibliothek —
und um — — kaum wag’ ich’s noch einmal Dieſelben darum zu bitten
— Leſſing’s Fragmente. Ich befürchte nicht, Dero Unwillen zu
verdienen, wenn ich um ein Buch gehorſamſt bitte, das Dieſelben 25
mir aus liebreichen Abſichten verſagen. — Dieſes Dilemma ſcheint
mir alzeit ſicher: entweder dieſes Buch enthält Wahrheiten, oder
Irthümer. Iſt’s erſte, ſo kan nichts hindern es zu leſen — iſt’s lezte, ſo
überredet es entweder nicht, weil die Gründe zu ſchwach ſind — und
dan ſchadet es auch nichts — oder es überredet. Was hab’ ich aber im 30
lezten Falle für Gefahr zu befürchten, wenn ich eine Wahrheit, von
der ich nicht aus Gründen überzeugt bin und die bei mir blos Vor-
urtheil iſt, mit einem Irthum vertauſche, der mir warſcheinlicher und
einleuchtender iſt? — Darf ich alſo noch einmal — aber ich wil lieber
hundert Bücher miſſen, als nur im geringſten mich Dero Gütigkeiten 35
und Liebe unwerth machen. — Es folgen hier auch die kleinen Aufſäzze
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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