gelegt, um Ihnen zu schreiben, und es dennoch wieder weg geschoben, um nicht die Mühe, deren gröster Theil bei der Präparirung der Mix- turen ohnehin Ihnen zufiel, durch eine neue Bitte zu vermehren. Aber[224] ich sehe, der Verleger bewegt sich vor lauter Hemketten gar nicht... Es herscht also iezt ein ewiger westphälischer Friede unter uns allen...5 Dieses Zeilgen gehöret nicht Ihnen, sondern dem Philosophen und Engländer im Priesterrok; er kan mit diesen 2 Zeilen und der 3., die einen Grus an ihn enthält, machen was er wil. -- Ihnen wünscht' ich, daß dieser Brief um 2 Seiten kürzer wäre und in der That nichts vor- brächte als die Versicherung, daß ich etc.10
176. An Oerthel in Töpen.
[Hof, 28. Juni 1786. Mittwoch]
Lieber Oerthel,
Du überkomst den Kant so spät, weil ich ihn selbst nicht am Dienstag vor 8 Tagen, sondern erst am Freitag empfieng. Den Herder ver-15 sprach der Buchbinder mir auf den morgenden Donnerstag: ich fragte aber am Dienstag (gestern) schon an und er gab mir ihn -- er sagte, es thäte ganz und gar nichts -- brochirt mit; heute (am Mitwoche) schikt' ich ihm ihn wieder. Du verlierst also durch meine neugierige Voreilig- keit nichts: denn gebunden hätt' ich ihn länger behalten.20
Vor allen Dingen müssen wir aber hören, was Henke vorbringt und ich wil es nachschreiben und du kanst es nachlesen; ich wil es aber nicht wünschen, daß seine Feder die ganze Welt in die gröste Unordnung versezet, so daß kein Mensch hernach mehr weis, woran er denn eigent- lich ist. Henke macht sich nämlich nichts daraus und thut es von freien25 Stükken kund, daß es bei iedem Manne selbst stehe, was er im Ernste zeugen wolle. Denn wenn der besagte Man z. B. einem Knaben das complementum possibilitatis darzureichen beschlossen habe, so könne ihm das kein Mensch verbieten: denn was brauch' er mehr als mitten unter der Zeugung mit der einen Hand nach dem rechten Testikel zu30 fahren und durch eine leichte Hinaufdrükkung ihn zum Ergus der mänlichen Samenfeuchtigkeit mit leichter Mühe zu vermögen? Der linke hingegen schiesset -- wiewol man etwas ähnliches auch von der mänlichen Rippe zu behaupten sich getrauet -- die Ingredienzien her, aus denen nach vielem Präpariren mit der Zeit ein Weib erwächst,35
gelegt, um Ihnen zu ſchreiben, und es dennoch wieder weg geſchoben, um nicht die Mühe, deren gröſter Theil bei der Präparirung der Mix- turen ohnehin Ihnen zufiel, durch eine neue Bitte zu vermehren. Aber[224] ich ſehe, der Verleger bewegt ſich vor lauter Hemketten gar nicht… Es herſcht alſo iezt ein ewiger weſtphäliſcher Friede unter uns allen…5 Dieſes Zeilgen gehöret nicht Ihnen, ſondern dem Philoſophen und Engländer im Prieſterrok; er kan mit dieſen 2 Zeilen und der 3., die einen Grus an ihn enthält, machen was er wil. — Ihnen wünſcht’ ich, daß dieſer Brief um 2 Seiten kürzer wäre und in der That nichts vor- brächte als die Verſicherung, daß ich ꝛc.10
176. An Oerthel in Töpen.
[Hof, 28. Juni 1786. Mittwoch]
Lieber Oerthel,
Du überkomſt den Kant ſo ſpät, weil ich ihn ſelbſt nicht am Dienſtag vor 8 Tagen, ſondern erſt am Freitag empfieng. Den Herder ver-15 ſprach der Buchbinder mir auf den morgenden Donnerſtag: ich fragte aber am Dienſtag (geſtern) ſchon an und er gab mir ihn — er ſagte, es thäte ganz und gar nichts — brochirt mit; heute (am Mitwoche) ſchikt’ ich ihm ihn wieder. Du verlierſt alſo durch meine neugierige Voreilig- keit nichts: denn gebunden hätt’ ich ihn länger behalten.20
Vor allen Dingen müſſen wir aber hören, was Henke vorbringt und ich wil es nachſchreiben und du kanſt es nachleſen; ich wil es aber nicht wünſchen, daß ſeine Feder die ganze Welt in die gröſte Unordnung verſezet, ſo daß kein Menſch hernach mehr weis, woran er denn eigent- lich iſt. Henke macht ſich nämlich nichts daraus und thut es von freien25 Stükken kund, daß es bei iedem Manne ſelbſt ſtehe, was er im Ernſte zeugen wolle. Denn wenn der beſagte Man z. B. einem Knaben das complementum possibilitatis darzureichen beſchloſſen habe, ſo könne ihm das kein Menſch verbieten: denn was brauch’ er mehr als mitten unter der Zeugung mit der einen Hand nach dem rechten Teſtikel zu30 fahren und durch eine leichte Hinaufdrükkung ihn zum Ergus der mänlichen Samenfeuchtigkeit mit leichter Mühe zu vermögen? Der linke hingegen ſchieſſet — wiewol man etwas ähnliches auch von der mänlichen Rippe zu behaupten ſich getrauet — die Ingredienzien her, aus denen nach vielem Präpariren mit der Zeit ein Weib erwächſt,35
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[213/0238]
gelegt, um Ihnen zu ſchreiben, und es dennoch wieder weg geſchoben,
um nicht die Mühe, deren gröſter Theil bei der Präparirung der Mix-
turen ohnehin Ihnen zufiel, durch eine neue Bitte zu vermehren. Aber
ich ſehe, der Verleger bewegt ſich vor lauter Hemketten gar nicht…
Es herſcht alſo iezt ein ewiger weſtphäliſcher Friede unter uns allen… 5
Dieſes Zeilgen gehöret nicht Ihnen, ſondern dem Philoſophen und
Engländer im Prieſterrok; er kan mit dieſen 2 Zeilen und der 3., die
einen Grus an ihn enthält, machen was er wil. — Ihnen wünſcht’ ich,
daß dieſer Brief um 2 Seiten kürzer wäre und in der That nichts vor-
brächte als die Verſicherung, daß ich ꝛc. 10
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176. An Oerthel in Töpen.
[Hof, 28. Juni 1786. Mittwoch]
Lieber Oerthel,
Du überkomſt den Kant ſo ſpät, weil ich ihn ſelbſt nicht am Dienſtag
vor 8 Tagen, ſondern erſt am Freitag empfieng. Den Herder ver- 15
ſprach der Buchbinder mir auf den morgenden Donnerſtag: ich fragte
aber am Dienſtag (geſtern) ſchon an und er gab mir ihn — er ſagte, es
thäte ganz und gar nichts — brochirt mit; heute (am Mitwoche) ſchikt’
ich ihm ihn wieder. Du verlierſt alſo durch meine neugierige Voreilig-
keit nichts: denn gebunden hätt’ ich ihn länger behalten. 20
Vor allen Dingen müſſen wir aber hören, was Henke vorbringt
und ich wil es nachſchreiben und du kanſt es nachleſen; ich wil es aber
nicht wünſchen, daß ſeine Feder die ganze Welt in die gröſte Unordnung
verſezet, ſo daß kein Menſch hernach mehr weis, woran er denn eigent-
lich iſt. Henke macht ſich nämlich nichts daraus und thut es von freien 25
Stükken kund, daß es bei iedem Manne ſelbſt ſtehe, was er im Ernſte
zeugen wolle. Denn wenn der beſagte Man z. B. einem Knaben das
complementum possibilitatis darzureichen beſchloſſen habe, ſo könne
ihm das kein Menſch verbieten: denn was brauch’ er mehr als mitten
unter der Zeugung mit der einen Hand nach dem rechten Teſtikel zu 30
fahren und durch eine leichte Hinaufdrükkung ihn zum Ergus der
mänlichen Samenfeuchtigkeit mit leichter Mühe zu vermögen? Der
linke hingegen ſchieſſet — wiewol man etwas ähnliches auch von der
mänlichen Rippe zu behaupten ſich getrauet — die Ingredienzien her,
aus denen nach vielem Präpariren mit der Zeit ein Weib erwächſt, 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/238>, abgerufen am 23.11.2024.
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