Gern vereinigte ich, wie Sie mir erlaubten, den Genus des Halb- sommers mit dem Ihrer Geselschaft; aber nicht iedes Vergnügen ist in unsere Macht gestellet. Ersezen Sie mir daher Ihre Gegenwart durch5 einen längern Brief und söhnen Sie sich eben sowol mit Ihren Raffi- nerien aus als mit Ihrem
Freund und gehors. Diener J. P. F. Richter
108. An die Brüder Otto in Hof.10
[Kopie][Hof, 19. Juli 1785]
Meines Erachtens ist eine blosse Bitte kein Vergehen, auf das der Strang oder sonst ein Tod gesezet wäre; warum scheu' ich mich also? Ich wil Ihnen aber die ganze Sache schreiben. Gestern überraschte mich W[einert], weil er weder mich noch das, was ich ihm schuldig bin,15 vergessen konte. Damit ich aber ebenfals das leztere nicht vergesse: wil ers mitnehmen und nicht anders als bezahlt zurükkehren. Was sol ich thun? Aber ich kan nichts thun und ich kan weder fodern noch hoffen, daß W[einert] einen so mühsamen Weg völlig vergeblich und sogar ohne Geld zur Rükkehr reise. Würden Sie mir, wenn ich Sie etc. bäte, diese20 Bitte nicht verzeihen oder gar gewähren? Wenigstens sind Sie es allein, an die ich mich hier wenden konte, weil Örthel nicht kan und die übrigen Personen hier Unannehmlichkeiten mit der Abschlagung oder Bewilligung solcher Bitten verknüpfen, die mich zu Ihnen scheuchen, die Sie gewis anders denken. Sogar zwei andre Freunde ziehen die Hand[177]25 von mir ab; der eine ist der schwarze Doktor Jördens, der mir schwer- lich Arzneien zukommen liesse, wodurch ich mich ganz leicht in den Himmel sezen könte, wo ich so viel Geld liegen habe; der andre ist der Teufel, dem ich für ein Paar Thaler meine Sele gerichtlich ver- schreiben müste; allein wie ich höre so ist er mit Selen so überladen,30 daß er gar keine mehr annimt. Reichte ieder von Ihnen mir eine seiner Hände, so dürft' ich wol aus dem fatalen Graben, in den ich gerathen, herausspringen und den Doktor und Teufel entrathen können. Dafür verschreib' ich Ihnen auch meine -- Sele.
Schröckh’s Kirchengeſchichte. Vierter Band.
Lettres de Pompadour.
Gern vereinigte ich, wie Sie mir erlaubten, den Genus des Halb- ſommers mit dem Ihrer Geſelſchaft; aber nicht iedes Vergnügen iſt in unſere Macht geſtellet. Erſezen Sie mir daher Ihre Gegenwart durch5 einen längern Brief und ſöhnen Sie ſich eben ſowol mit Ihren Raffi- nerien aus als mit Ihrem
Freund und gehorſ. Diener J. P. F. Richter
108. An die Brüder Otto in Hof.10
[Kopie][Hof, 19. Juli 1785]
Meines Erachtens iſt eine bloſſe Bitte kein Vergehen, auf das der Strang oder ſonſt ein Tod geſezet wäre; warum ſcheu’ ich mich alſo? Ich wil Ihnen aber die ganze Sache ſchreiben. Geſtern überraſchte mich W[einert], weil er weder mich noch das, was ich ihm ſchuldig bin,15 vergeſſen konte. Damit ich aber ebenfals das leztere nicht vergeſſe: wil ers mitnehmen und nicht anders als bezahlt zurükkehren. Was ſol ich thun? Aber ich kan nichts thun und ich kan weder fodern noch hoffen, daß W[einert] einen ſo mühſamen Weg völlig vergeblich und ſogar ohne Geld zur Rükkehr reiſe. Würden Sie mir, wenn ich Sie ꝛc. bäte, dieſe20 Bitte nicht verzeihen oder gar gewähren? Wenigſtens ſind Sie es allein, an die ich mich hier wenden konte, weil Örthel nicht kan und die übrigen Perſonen hier Unannehmlichkeiten mit der Abſchlagung oder Bewilligung ſolcher Bitten verknüpfen, die mich zu Ihnen ſcheuchen, die Sie gewis anders denken. Sogar zwei andre Freunde ziehen die Hand[177]25 von mir ab; der eine iſt der ſchwarze Doktor Jördens, der mir ſchwer- lich Arzneien zukommen lieſſe, wodurch ich mich ganz leicht in den Himmel ſezen könte, wo ich ſo viel Geld liegen habe; der andre iſt der Teufel, dem ich für ein Paar Thaler meine Sele gerichtlich ver- ſchreiben müſte; allein wie ich höre ſo iſt er mit Selen ſo überladen,30 daß er gar keine mehr annimt. Reichte ieder von Ihnen mir eine ſeiner Hände, ſo dürft’ ich wol aus dem fatalen Graben, in den ich gerathen, herausſpringen und den Doktor und Teufel entrathen können. Dafür verſchreib’ ich Ihnen auch meine — Sele.
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Schröckh’s Kirchengeſchichte. Vierter Band.
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Gern vereinigte ich, wie Sie mir erlaubten, den Genus des Halb-
ſommers mit dem Ihrer Geſelſchaft; aber nicht iedes Vergnügen iſt in
unſere Macht geſtellet. Erſezen Sie mir daher Ihre Gegenwart durch 5
einen längern Brief und ſöhnen Sie ſich eben ſowol mit Ihren Raffi-
nerien aus als mit Ihrem
Freund und gehorſ. Diener
J. P. F. Richter
108. An die Brüder Otto in Hof. 10
[Hof, 19. Juli 1785]
Meines Erachtens iſt eine bloſſe Bitte kein Vergehen, auf das der
Strang oder ſonſt ein Tod geſezet wäre; warum ſcheu’ ich mich alſo?
Ich wil Ihnen aber die ganze Sache ſchreiben. Geſtern überraſchte
mich W[einert], weil er weder mich noch das, was ich ihm ſchuldig bin, 15
vergeſſen konte. Damit ich aber ebenfals das leztere nicht vergeſſe: wil
ers mitnehmen und nicht anders als bezahlt zurükkehren. Was ſol ich
thun? Aber ich kan nichts thun und ich kan weder fodern noch hoffen, daß
W[einert] einen ſo mühſamen Weg völlig vergeblich und ſogar ohne
Geld zur Rükkehr reiſe. Würden Sie mir, wenn ich Sie ꝛc. bäte, dieſe 20
Bitte nicht verzeihen oder gar gewähren? Wenigſtens ſind Sie es allein,
an die ich mich hier wenden konte, weil Örthel nicht kan und die
übrigen Perſonen hier Unannehmlichkeiten mit der Abſchlagung oder
Bewilligung ſolcher Bitten verknüpfen, die mich zu Ihnen ſcheuchen, die
Sie gewis anders denken. Sogar zwei andre Freunde ziehen die Hand 25
von mir ab; der eine iſt der ſchwarze Doktor Jördens, der mir ſchwer-
lich Arzneien zukommen lieſſe, wodurch ich mich ganz leicht in den
Himmel ſezen könte, wo ich ſo viel Geld liegen habe; der andre iſt der
Teufel, dem ich für ein Paar Thaler meine Sele gerichtlich ver-
ſchreiben müſte; allein wie ich höre ſo iſt er mit Selen ſo überladen, 30
daß er gar keine mehr annimt. Reichte ieder von Ihnen mir eine
ſeiner Hände, ſo dürft’ ich wol aus dem fatalen Graben, in den ich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/192>, abgerufen am 16.02.2025.
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