doch kälter. Daher scheint es, daß du der Sonne ähnlichst. Leb wol und besser als der kranke und arme Herman.
den Dienstag.
[Gegen] Seiler in Leipzig hatte ich einen voreiligen Verdacht; er gab das Manuskript von selbst Herman zurük.5
107. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Hof, 11. (?) Juni 1785]
P. P. Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Ihren neulichen Brief zeugte ein sehr mislaunigter Augenblik: mit10 nichts waren Sie darin zufrieden und mit Ihrem Buche sogar nicht. Das arme Kind! Für Ihre Zufriedenheit kan es nur die Zufriedenheit derer entschädigen, die es kennen lernen werden. Aber wenn komt es zu mir? zu iederman geht es iezt, und nur mich schliesset es aus? Zulezt raffinir' ich über Raffinerien. Übrigens lassen Sie sich von einer15 Täuschung nicht berükken, die nur zu oft den Autor gegen sein Buch einnimt. Er wil nämlich sein Buch bei ieder Durchlesung schön finden, die er doch vielleicht schon zum 10, 12ten male wiederholet. Allein keine Schönheiten halten einen so häufigen Genus aus und das beste Buch verliert für uns durch Wiederkäuung seinen Wolgeschmak. Glauben20 Sie daher nicht, daß Ihr Buch, dessen Reize auf den Vater wenig Eindruk machen, auch uns andere unempfindlich lassen müsse; wir sind ia nicht der Vater, sondern die Liebhaber des Mädgens.
Sie hätten leicht errathen können, daß H. v. Örthel die A. D. B. unter der Bedingung, die Bezahlung aufzuschieben, nicht annehmen25 [176]könne: da sein Wort so viel Ihnen sein kan, als der wirkliche Besiz der D. Bibl., so mus es Ihnen gleichgültig sein, ob das Buch bei ihm oder bei Ihnen wohnet, weil in beiden Fällen sowol der Kauf gewis, als die Bezahlung aufgeschoben ist. Diese Antwort muste ich wieder selber bei ihm abholen und gestern bekam ich sie.30
Die Bücher, um die ich Sie bitte, sind:
A. Deutsche Bibliothek 59. Band.
Jerusalems Betrachtungen über die natürliche Religion.
Bako's Versuche.
Die Fabeln des La Fontaine. Zweiter oder Dritter Theil.35
doch kälter. Daher ſcheint es, daß du der Sonne ähnlichſt. Leb wol und beſſer als der kranke und arme Herman.
den Dienſtag.
[Gegen] Seiler in Leipzig hatte ich einen voreiligen Verdacht; er gab das Manuſkript von ſelbſt Herman zurük.5
107. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Hof, 11. (?) Juni 1785]
P. P. Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Ihren neulichen Brief zeugte ein ſehr mislaunigter Augenblik: mit10 nichts waren Sie darin zufrieden und mit Ihrem Buche ſogar nicht. Das arme Kind! Für Ihre Zufriedenheit kan es nur die Zufriedenheit derer entſchädigen, die es kennen lernen werden. Aber wenn komt es zu mir? zu iederman geht es iezt, und nur mich ſchlieſſet es aus? Zulezt raffinir’ ich über Raffinerien. Übrigens laſſen Sie ſich von einer15 Täuſchung nicht berükken, die nur zu oft den Autor gegen ſein Buch einnimt. Er wil nämlich ſein Buch bei ieder Durchleſung ſchön finden, die er doch vielleicht ſchon zum 10, 12ten male wiederholet. Allein keine Schönheiten halten einen ſo häufigen Genus aus und das beſte Buch verliert für uns durch Wiederkäuung ſeinen Wolgeſchmak. Glauben20 Sie daher nicht, daß Ihr Buch, deſſen Reize auf den Vater wenig Eindruk machen, auch uns andere unempfindlich laſſen müſſe; wir ſind ia nicht der Vater, ſondern die Liebhaber des Mädgens.
Sie hätten leicht errathen können, daß H. v. Örthel die A. D. B. unter der Bedingung, die Bezahlung aufzuſchieben, nicht annehmen25 [176]könne: da ſein Wort ſo viel Ihnen ſein kan, als der wirkliche Beſiz der D. Bibl., ſo mus es Ihnen gleichgültig ſein, ob das Buch bei ihm oder bei Ihnen wohnet, weil in beiden Fällen ſowol der Kauf gewis, als die Bezahlung aufgeſchoben iſt. Dieſe Antwort muſte ich wieder ſelber bei ihm abholen und geſtern bekam ich ſie.30
Die Bücher, um die ich Sie bitte, ſind:
A. Deutſche Bibliothek 59. Band.
Jeruſalems Betrachtungen über die natürliche Religion.
Bako’s Verſuche.
Die Fabeln des La Fontaine. Zweiter oder Dritter Theil.35
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doch kälter. Daher ſcheint es, daß du der Sonne ähnlichſt. Leb wol
und beſſer als der kranke und arme Herman.
den Dienſtag.
[Gegen] Seiler in Leipzig hatte ich einen voreiligen Verdacht; er
gab das Manuſkript von ſelbſt Herman zurük. 5
107. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Hof, 11. (?) Juni 1785]
P. P.
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Ihren neulichen Brief zeugte ein ſehr mislaunigter Augenblik: mit 10
nichts waren Sie darin zufrieden und mit Ihrem Buche ſogar nicht.
Das arme Kind! Für Ihre Zufriedenheit kan es nur die Zufriedenheit
derer entſchädigen, die es kennen lernen werden. Aber wenn komt es
zu mir? zu iederman geht es iezt, und nur mich ſchlieſſet es aus?
Zulezt raffinir’ ich über Raffinerien. Übrigens laſſen Sie ſich von einer 15
Täuſchung nicht berükken, die nur zu oft den Autor gegen ſein Buch
einnimt. Er wil nämlich ſein Buch bei ieder Durchleſung ſchön finden,
die er doch vielleicht ſchon zum 10, 12ten male wiederholet. Allein keine
Schönheiten halten einen ſo häufigen Genus aus und das beſte Buch
verliert für uns durch Wiederkäuung ſeinen Wolgeſchmak. Glauben 20
Sie daher nicht, daß Ihr Buch, deſſen Reize auf den Vater wenig
Eindruk machen, auch uns andere unempfindlich laſſen müſſe; wir ſind
ia nicht der Vater, ſondern die Liebhaber des Mädgens.
Sie hätten leicht errathen können, daß H. v. Örthel die A. D. B.
unter der Bedingung, die Bezahlung aufzuſchieben, nicht annehmen 25
könne: da ſein Wort ſo viel Ihnen ſein kan, als der wirkliche Beſiz
der D. Bibl., ſo mus es Ihnen gleichgültig ſein, ob das Buch bei
ihm oder bei Ihnen wohnet, weil in beiden Fällen ſowol der Kauf
gewis, als die Bezahlung aufgeſchoben iſt. Dieſe Antwort muſte
ich wieder ſelber bei ihm abholen und geſtern bekam ich ſie. 30
[176] Die Bücher, um die ich Sie bitte, ſind:
A. Deutſche Bibliothek 59. Band.
Jeruſalems Betrachtungen über die natürliche Religion.
Bako’s Verſuche.
Die Fabeln des La Fontaine. Zweiter oder Dritter Theil. 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/191>, abgerufen am 16.02.2025.
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