Also ist der Vorhang zerrissen, auf dem so viele Hofnungen gemalet standen? und unsre Liebe mit den Blumen verblüht, mit denen sie ihr kurzes Dasein anfieng? Denn das, und nichts anders, wil doch Ihre5 Verzögerung, auf meinen lezten Brief zu antworten, mir unfelbar sagen. Vielleicht daß sich aber doch Ihr Stilschweigen für eine Bestrafung des meinigen ansehen liesse, wenn ihm nicht Ihr lezter Brief vorhergegangen wäre und wenn nicht andre Nachrichten mir Ihre so schleunige Veränderung zusicherten. Aber wir wollen uns nicht10 unter Vorwürfen von einander scheiden. Ich wil Sie so stil verlassen als[119] man das Grab derer verlässet, die man liebte und die nimmer lieben können. Sie entziehen mir Ihre Liebe, aber doch nicht Ihr Bild, das in meinem Herzen länger dauern wird als iene in Ihrem; Sie können doch die Freuden nicht zurükfordern, die ich mit Ihnen genos und die15 die Erinnerung mir täglich wiedergebären kan. Möchte der, der an meine Stelle getreten ist, oder treten wird, Sie für die Vergnügungen belonen, die Sie mir verschaften! Möchte er Sie so lieben wie ich! Möchte er dafür zur Belonung von Ihnen noch mer geliebt werden als der es wurde, der nun nichts mer ist als Ihr etc.20
N. S. Ich bitte Sie um die Zurükgabe meiner Briefe, die Ihnen nun gleichgültig sein müssen, da es Ihnen der ist, der sie schrieb und an Sie weiter keinen schreiben wird als den, welcher Ihre Antwort beant- wortet. Meine Silhouette machen Sie zu einer Papillotte.
64. An Chr. Friedr. von Blankenburg in Leipzig.25
[Kopie][Leipzig, 22. November 1783]
Der V[erfasser] dieses Briefes weis seine Zudringlichkeit, Ihnen sich und seine Geburten bekant zu machen, mit nichts als dem Gefül vom Werte dessen zu entschuldigen, der sie ihm vielleicht vergeben wird, wenn er aus dem ältern Produkte sieht, daß derselbe einen Lerer30 der Kritik brauche, und aus dem iüngern, daß er einen verdiene. Hätte ich mir, dem Jare, Bücher, Umgang und Vermögen felen, durch dieses gewagte Mittel das Glük verschaft, Sie dan und wan sprechen und nicht blos der Schüler Ihrer wenigen Schriften sein zu dürfen: so würd' ich auch hoffen, mir das grössere zu verschaffen35
63. An Sophie Ellrodt in Helmbrechts.
[Kopie][Leipzig, 21. November 1783]
Alſo iſt der Vorhang zerriſſen, auf dem ſo viele Hofnungen gemalet ſtanden? und unſre Liebe mit den Blumen verblüht, mit denen ſie ihr kurzes Daſein anfieng? Denn das, und nichts anders, wil doch Ihre5 Verzögerung, auf meinen lezten Brief zu antworten, mir unfelbar ſagen. Vielleicht daß ſich aber doch Ihr Stilſchweigen für eine Beſtrafung des meinigen anſehen lieſſe, wenn ihm nicht Ihr lezter Brief vorhergegangen wäre und wenn nicht andre Nachrichten mir Ihre ſo ſchleunige Veränderung zuſicherten. Aber wir wollen uns nicht10 unter Vorwürfen von einander ſcheiden. Ich wil Sie ſo ſtil verlaſſen als[119] man das Grab derer verläſſet, die man liebte und die nimmer lieben können. Sie entziehen mir Ihre Liebe, aber doch nicht Ihr Bild, das in meinem Herzen länger dauern wird als iene in Ihrem; Sie können doch die Freuden nicht zurükfordern, die ich mit Ihnen genos und die15 die Erinnerung mir täglich wiedergebären kan. Möchte der, der an meine Stelle getreten iſt, oder treten wird, Sie für die Vergnügungen belonen, die Sie mir verſchaften! Möchte er Sie ſo lieben wie ich! Möchte er dafür zur Belonung von Ihnen noch mer geliebt werden als der es wurde, der nun nichts mer iſt als Ihr ꝛc.20
N. S. Ich bitte Sie um die Zurükgabe meiner Briefe, die Ihnen nun gleichgültig ſein müſſen, da es Ihnen der iſt, der ſie ſchrieb und an Sie weiter keinen ſchreiben wird als den, welcher Ihre Antwort beant- wortet. Meine Silhouette machen Sie zu einer Papillotte.
64. An Chr. Friedr. von Blankenburg in Leipzig.25
[Kopie][Leipzig, 22. November 1783]
Der V[erfaſſer] dieſes Briefes weis ſeine Zudringlichkeit, Ihnen ſich und ſeine Geburten bekant zu machen, mit nichts als dem Gefül vom Werte deſſen zu entſchuldigen, der ſie ihm vielleicht vergeben wird, wenn er aus dem ältern Produkte ſieht, daß derſelbe einen Lerer30 der Kritik brauche, und aus dem iüngern, daß er einen verdiene. Hätte ich mir, dem Jare, Bücher, Umgang und Vermögen felen, durch dieſes gewagte Mittel das Glük verſchaft, Sie dan und wan ſprechen und nicht blos der Schüler Ihrer wenigen Schriften ſein zu dürfen: ſo würd’ ich auch hoffen, mir das gröſſere zu verſchaffen35
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63. An Sophie Ellrodt in Helmbrechts.
[Leipzig, 21. November 1783]
Alſo iſt der Vorhang zerriſſen, auf dem ſo viele Hofnungen gemalet
ſtanden? und unſre Liebe mit den Blumen verblüht, mit denen ſie ihr
kurzes Daſein anfieng? Denn das, und nichts anders, wil doch Ihre 5
Verzögerung, auf meinen lezten Brief zu antworten, mir unfelbar
ſagen. Vielleicht daß ſich aber doch Ihr Stilſchweigen für eine
Beſtrafung des meinigen anſehen lieſſe, wenn ihm nicht Ihr lezter
Brief vorhergegangen wäre und wenn nicht andre Nachrichten mir
Ihre ſo ſchleunige Veränderung zuſicherten. Aber wir wollen uns nicht 10
unter Vorwürfen von einander ſcheiden. Ich wil Sie ſo ſtil verlaſſen als
man das Grab derer verläſſet, die man liebte und die nimmer lieben
können. Sie entziehen mir Ihre Liebe, aber doch nicht Ihr Bild, das
in meinem Herzen länger dauern wird als iene in Ihrem; Sie können
doch die Freuden nicht zurükfordern, die ich mit Ihnen genos und die 15
die Erinnerung mir täglich wiedergebären kan. Möchte der, der an
meine Stelle getreten iſt, oder treten wird, Sie für die Vergnügungen
belonen, die Sie mir verſchaften! Möchte er Sie ſo lieben wie ich!
Möchte er dafür zur Belonung von Ihnen noch mer geliebt werden als
der es wurde, der nun nichts mer iſt als Ihr ꝛc. 20
[119]N. S. Ich bitte Sie um die Zurükgabe meiner Briefe, die Ihnen
nun gleichgültig ſein müſſen, da es Ihnen der iſt, der ſie ſchrieb und an
Sie weiter keinen ſchreiben wird als den, welcher Ihre Antwort beant-
wortet. Meine Silhouette machen Sie zu einer Papillotte.
64. An Chr. Friedr. von Blankenburg in Leipzig. 25
[Leipzig, 22. November 1783]
Der V[erfaſſer] dieſes Briefes weis ſeine Zudringlichkeit, Ihnen
ſich und ſeine Geburten bekant zu machen, mit nichts als dem Gefül
vom Werte deſſen zu entſchuldigen, der ſie ihm vielleicht vergeben
wird, wenn er aus dem ältern Produkte ſieht, daß derſelbe einen Lerer 30
der Kritik brauche, und aus dem iüngern, daß er einen verdiene.
Hätte ich mir, dem Jare, Bücher, Umgang und Vermögen felen,
durch dieſes gewagte Mittel das Glük verſchaft, Sie dan und wan
ſprechen und nicht blos der Schüler Ihrer wenigen Schriften ſein zu
dürfen: ſo würd’ ich auch hoffen, mir das gröſſere zu verſchaffen 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/134>, abgerufen am 04.07.2024.
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